TE Vwgh Erkenntnis 2008/12/18 2008/06/0114

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.12.2008
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art119a Abs9;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der Stadtgemeinde L, vertreten durch Dr. Bruno Pedevilla, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Rosengasse 13, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 14. Mai 2008, Zl. Ve1-8-1/436-3, betreffend baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Parteien: 1. WF in L, und 2. CD in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Bürgermeister der Beschwerdeführerin trug den mitbeteiligten Parteien als Eigentümern mit Bescheid vom 7. August 2007 gemäß § 37 Tir. Bauordnung 2001 (TBO 2001) die Entfernung eines konsenslos errichteten bewilligungspflichtigen Gebäudes (nämlich eines Verkaufsstandes) auf.

Der Stadtrat der Beschwerdeführerin wies die dagegen erhobene Berufung der mitbeteiligten Parteien mit Bescheid vom 28. September 2007 als unbegründet ab. Auch die Berufungsbehörde vertrat die Ansicht, dass es sich um eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage handle.

Die belangte Behörde gab der dagegen erhobenen Vorstellung der Mitbeteiligten mit Bescheid vom 27. Dezember 2007 Folge, behob den bekämpften Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit an den Stadtrat der Beschwerdeführerin zur neuerlichen Entscheidung. Als tragender Aufhebungsgrund wurde angeführt, dass es die Erstbehörde unterlassen habe, das Verfahren gemäß § 37 Abs. 1 TBO 2001 ordnungsgemäß durchzuführen und eine konkrete Frist zur Einbringung eines Bauansuchens zu setzen. Es seien an die Mitbeteiligten nämlich lediglich Schreiben ohne konkrete Fristsetzung ergangen. Die Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages zur Entfernung des Verkaufsstandes (wie es der Spruchpunkt 1 des erstinstanzlichen Bescheides vorsehe) setze nach § 37 TBO 2001 jedoch dezidiert voraus, dass die Betroffenen zuvor ausdrücklich mit Fristsetzung aufgefordert worden seien, ein Bauansuchen einzubringen, und diese Frist verstrichen sei. Dieser Verfahrensmangel der Unterlassung der Fristsetzung werde auch nicht durch die Fristsetzung zur Einbringung eines Bauansuchens im Schreiben vom 25. April 2007 nach § 33 TBO 2001 saniert, da es sich hiebei um ein anderes Verfahren nach der TBO 2001 handle und deshalb nicht zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens nach § 37 TBO 2001 herangezogen werden könne. Im fortgesetzten Verfahren werde die Berufungsbehörde den erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom 7. August 2007 zu beheben haben, da dieser mangels Einhaltung der im § 37 TBO 2001 vorgesehenen Vorgehensweise nicht hätte erlassen werden dürfen.

Dieser Bescheid blieb unbekämpft.

Der Stadtrat der Beschwerdeführerin wies die Berufung der Mitbeteiligten mit Bescheid vom 28. Jänner 2008 neuerlich als unbegründet ab und führte im Wesentlichen aus, die belangte Behörde habe übersehen, dass mit Schreiben vom 28. Juni 2007 ein Auftrag an die Mitbeteiligten ergangen sei, der dem § 37 TBO 2001 vollinhaltlich - einschließlich einer Fristsetzung - entsprochen habe. Der tatsächliche Verfahrensstand unterscheide sich daher wesentlich von dem, den die belangte Behörde als Vorstellungsbehörde angenommen habe, sodass die Behebung auf Grund eines nicht vorliegenden Verfahrensmangels nicht möglich sei.

Den dagegen erhobenen Vorstellungen der Mitbeteiligten wurde mit dem angefochtenen Bescheid Folge gegeben, der bekämpfte Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Stadtrat der Beschwerdeführerin verwiesen. Die belangte Behörde führte im Wesentlichen aus, auf Grund der Aktenlage ergebe sich, dass die Behörde entgegen den Ausführungen im Vorstellungsbescheid vom 27. Dezember 2007 die Mitbeteiligten mit Schreiben vom 28. Juni 2007 ausdrücklich aufgefordert habe, binnen einer Frist von zwei Wochen nachträglich um eine Baubewilligung anzusuchen. Dies sei von der Aufsichtsbehörde offenkundig übersehen worden. Diese Tatsache berechtige die Berufungsbehörde jedoch nicht, über den "vermeintlichen" Aufhebungsgrund und dessen Bindungswirkung hinwegzugehen, da das Gemeindeorgan im Falle seiner neuerlichen Entscheidung gemäß § 120 Abs. 5 Tir. Gemeindeordnung 2001 an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde in jedem Fall gebunden sei. Die Bindung der Gemeinde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde ergebe sich aus dem Wesen der Gemeindeaufsicht, die der Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Gemeindeverwaltung diene, sowie aus der Parteistellung und dem Beschwerderecht der Gemeinde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes (Hinweis auf Art. 119a Abs. 9 B-VG und einige Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes u.a. VfSlg. Nr. 5352). Die Gemeinde sei bei der neuerlichen Entscheidung an den Spruch und an die den Spruch tragende Rechtsanschauung in der Begründung gebunden. Die tragenden Aufhebungsgründe eines aufhebenden rechtskräftigen Vorstellungsbescheides seien für das fortgesetzte Verfahren vor der Gemeindebehörde, vor der Aufsichtsbehörde und vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes bindend. Die Bindungswirkung bestehe auf den konkreten Fall bezogen auch dann, wenn die Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde objektiv rechtswidrig sei oder auf einer unrichtigen Sachverhaltsannahme beruhe (zu letzterem Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 1998, Zl. 98/05/0003). Die Gemeinde könne sich nur durch die Anfechtung des Vorstellungsbescheides von der Bindungswirkung befreien. Diese Anfechtung sei unterblieben.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 120 Abs. 5 Tir. Gemeindeordnung 2001 (TGO 2001), LGBl. Nr. 36, hat die Landesregierung den Bescheid eines Gemeindeorganes aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an das zuständige Gemeindeorgan zu verweisen, wenn durch ihn Rechte des Einschreiters verletzt worden sind. Das Gemeindeorgan ist bei seiner neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.

Diese in § 120 Abs. 5 TGO 2001 verankerte Bindungswirkung an einen aufhebenden Vorstellungsbescheid bezieht sich auf die tragenden Gründe der Aufhebung. Der tragende Grund der Aufhebung war im vorliegenden Fall unbestritten, dass die Vorstellungsbehörde ausgehend davon, dass die Mitbeteiligten nicht gemäß § 37 Abs. 1 TBO 2001 innerhalb einer bestimmten Frist aufgefordert worden waren, ein Bauansuchen einzubringen, den verfahrensgegenständlichen baupolizeilichen Auftrag als zu Unrecht gestützt auf § 37 Abs. 1 TBO 2001 ergangen beurteilt habe. Die Aufsichtsbehörde habe ausgesprochen, dass die Berufungsbehörde den erstinstanzlichen Bescheid vom 7. August 2007 zu beheben habe, da dieser mangels Einhaltung der im § 37 TBO 2001 vorgesehenen Vorgehensweise nicht hätte erlassen werden dürfen.

Die Annahme einer Bindung an einen aufhebenden Vorstellungsbescheid setzt eine unveränderte Sach- und Rechtslage voraus (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. März 1997, Zl. 96/06/0067). Diese Bindungswirkung gilt auch dann, wenn die Vorstellungsbehörde dabei von falschen Sachverhaltsannahmen bzw. einer unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist. Derartige Mängel können u.a. von der betroffenen Gemeinde mittels Beschwerde gegen den aufhebenden Vorstellungsbescheid bekämpft werden. Das nunmehr in Frage stehende Schreiben vom 28. Juni 2007, mit dem ein Auftrag im Sinne des § 37 TBO 2001 ergangen sei, ist bereits im Zeitpunkt der Erlassung des ersten Berufungsbescheides vom 28. September 2007 vorgelegen. Dieses Schreibens stellt daher jedenfalls keine maßgebliche nachträgliche Sachverhaltsänderung dar, auf Grund derer von der Bindungswirkung abgegangen werden könnte. Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Berufungsbehörde gegen die Bindungswirkung des aufhebenden Vorstellungsbescheides vom 27. Dezember 2007 gemäß § 120 Abs. 5 Tir. GemeindeO verstoßen habe. Der Umstand, dass die belangte Behörde bei ihrer Vorstellungsentscheidung vom 27. Dezember 2007 über die tatsächliche Verfahrenslage geirrt hat, kann entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht als eine nachträgliche Sachverhaltsänderung angesehen werden.

Auf das weitere Beschwerdevorbringen dazu, dass der verfahrensgegenständliche Verkaufsstand baubewilligungspflichtig sei, war nicht einzugehen, da in den die Aufhebung tragenden Gründen darüber nicht abgesprochen wurde.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 18. Dezember 2008

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde Ersatzbescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008060114.X00

Im RIS seit

04.02.2009

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten