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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
RechtshilfeAbk Deutschland 1990 Verwaltungssachen Art10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des C A in M, Deutschland, Aweg 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 23. August 2004, Zl. E 038/02/2004.015 bis 020/005, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung einer Berufung i.A. Übertretungen des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als die Berufung des Beschwerdeführers als verspätet zurückgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit sechs Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 14. August 2003 wurde dem Beschwerdeführer jeweils eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 6 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Z. 4 und § 9 Abs. 3 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 idF BGBl. I Nr. 32/2002 zur Last gelegt; über ihn wurde jeweils eine Geldstrafe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) verhängt.
Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2004 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob zugleich Berufung gegen die Bescheide vom 14. August 2003. Im Wiedereinsetzungsantrag führte der Beschwerdeführer aus, dass er beruflich viel im Ausland sei und sein Büro sorgfältig organisiert habe. Im gegenständlichen Fall habe seine Ehefrau die Strafbescheide entgegengenommen und verlegt, sodass der Beschwerdeführer erst am 12. Mai 2004 Kenntnis von den gegen ihn geführten Verfahren erhalten habe.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 22. Juni 2004 wurde der Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 1, Abs. 2 und 4 AVG abgewiesen, was im Wesentlichen damit begründet wurde, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers als Postbevollmächtigte den internationalen Rückschein entgegengenommen und unterschrieben habe. Die verlegten oder durch den Firmenumzug bzw. Hochwasserschäden verloren gegangenen Strafbescheide seien als das die Fristversäumung auslösende Ereignis aber weder unvorhergesehen noch unabwendbar gewesen. "Unabwendbar" sei ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden könne; "unvorhergesehen" sei es hingegen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet habe und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit nicht erwarten könne.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, die von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde (Spruchpunkt 1); zugleich wurde die Berufung vom 25. Mai 2004 gegen die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 14. August 2003 als verspätet zurückgewiesen (Spruchpunkt 2).
Die belangte Behörde führte begründend aus, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers als Postbevollmächtigte die Straferkenntnisse am 26. August 2003 übernommen habe. Die Wirksamkeit dieser Zustellung der Straferkenntnisse werde vom Beschwerdeführer nicht bezweifelt, dazu habe auch die belangte Behörde keinen Grund. Damit seien diese Poststücke in seine Gewahrsame bzw. in die Gewahrsame seiner Ehegattin als von ihm bestellte Postbevollmächtigte gelangt. Der Beschwerdeführer habe nur behauptet, dass ihm am 12. Mai 2004 die Strafbescheide ausgehändigt worden seien. Wer dies getan habe, verschweige er. Der Wegfall des Hindernisses (Ereignisses) sei damit nicht erwiesen, insoweit sei auch die Rechtzeitigkeit des Antrages in Frage gestellt. Aber selbst wenn man von einer Kenntnisnahme am 12. Mai 2004 ausgehe, sei den Anträgen kein Erfolg beschieden. Die näheren Umstände für das (einleitende) "Verlegen" der Straferkenntnisse durch die Ehefrau des Beschwerdeführers würden nicht ausgeführt. Wann sie die verlegten Strafbescheide (vor oder nach Ablauf der Berufungsfrist) wieder aufgefunden oder wann sie diese in den "Posteingang" abgegeben habe, werde ebenfalls nicht dargelegt. Die vom Beschwerdeführer behauptete "strenge" Büroorganisation werde nicht im Detail dargelegt, weshalb nicht zu erkennen sei, dass er ausreichende Vorkehrungen zur Fristwahrung getroffen hätte. Mangels Vorbringens sei davon auszugehen, dass er sich nicht darum gekümmert habe, dass die in seiner Abwesenheit von seiner Frau übernommene Post entsprechend verlässlich weitergeleitet werde, was eine auffallende Sorglosigkeit darstelle. Deshalb könne kein minderer Grad des Versehens vorliegen, weshalb die beantragte Wiedereinsetzung im Ergebnis zu Recht nicht bewilligt worden sei.
Die Straferkenntnisse seien unstrittig am 26. August 2003 wirksam zugestellt worden, womit die zweiwöchige Berufungsfrist zu laufen begonnen habe. Die am 25. Mai 2004 zur Post gegebene Berufung sei deshalb verspätet.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten der Verwaltungsstrafverfahren und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
1. Zur Zurückweisung der Berufung:
Die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers als verspätet setzt voraus, dass die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 14. August 2003 vor Erhebung der Berufung in Rechtskraft erwachsen sind, was nur dann der Fall sein kann, wenn sie an den Beschwerdeführer rechtswirksam zugestellt wurden. Die belangte Behörde hat dies bejaht.
Gemäß § 11 Abs. 1 ZustG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstige Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.
Gemäß Art. 3 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. Nr. 526/1990, wird Amts- und Rechtshilfe nach dem Recht des ersuchten Staates geleistet. Die Vornahme von Zustellungen ist in Art. 10 des genannten Vertrages geregelt.
Gemäß dessen Art. 10 Abs. 1 werden Schriftstücke im Verfahren nach Art. 1 Abs. 1 (somit auch im hier vorliegenden österreichischen Verwaltungsstrafverfahren) unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" zu versenden. Kann eine Zustellung nicht unmittelbar durch die Post bewirkt werden oder ist dies nach Art und Inhalt des Schriftstückes nicht zweckmäßig, ist die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat um Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen. Die Vertragsstaaten teilen einander diese Stellen mit.
Im vorliegenden Fall war - unbestritten - die Zustellung durch die Post möglich, die zentrale Anlaufstelle für die Vornahme von Zustellungen in Deutschland musste daher nicht befasst werden.
Im Beschwerdefall wurde ein Zustellnachweis über die erfolgte Zustellung des Straferkenntnisses benötigt - Gegenteiliges wird von der belangten Behörde auch gar nicht behauptet -, es hätte daher nach der zuvor zitierten Bestimmung des Art. 10 Abs. 1 des Rechtshilfevertrages vorgegangen und das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" versendet werden müssen, was jedoch hinsichtlich des Vermerkes "Eigenhändig" unterlassen wurde. Eine Ersatzzustellung an die Ehefrau des Beschwerdeführers war daher in diesem Fall grundsätzlich nicht zulässig (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. November 2005, Zl. 2001/03/0108, mwN). In Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde jedoch eine Auseinandersetzung damit unterlassen, ob die Ehefrau des Beschwerdeführers allenfalls auch zur Übernahme einer an den Beschwerdeführer gerichteten "eigenhändigen" Postsendung auf Grund der bestehenden (Post)vollmacht berechtigt war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2006, Zl. 2002/03/0314) und keine Feststellungen zu Inhalt und Umfang der bestehenden Vollmacht getroffen. Dies wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren nachzutragen haben.
Da somit im Hinblick auf die unrichtige Rechtsansicht der belangten Behörde der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ungeklärt blieb, war der angefochtene Bescheid in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
2. Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Eine solche Bewilligung setzt nach der ständigen hg. Rechtsprechung voraus, dass überhaupt eine Frist versäumt wurde. Wurde keine Frist versäumt, ist einem Wiedereinsetzungsantrag schon aus diesem Grund nicht stattzugeben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 1993, Zl. 92/01/0864, u. a.). Eine Versäumung kann aber nicht eintreten, wenn die Zustellung des Bescheides nicht rechtswirksam, d.h. nicht unter Einhaltung der Bestimmungen der Zustellgesetze erfolgt ist. Ist ein Zustellvorgang gesetzwidrig, die Zustellung daher nicht rechtswirksam, so ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht der zum Ziel führende Rechtsbehelf, weil mangels des Beginnes des Laufes der Berufungsfrist auch keine Frist versäumt werden kann (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 1993, Zl. 92/01/0864, mwN).
Da vorliegend die Behauptung der nicht ordnungsgemäßen Zustellung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu rechtfertigen vermag, war die Beschwerde in diesem Spruchpunkt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. September 2005, Zl. 2001/03/0164).
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 22. Dezember 2008
Schlagworte
VerfahrensbestimmungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2004030160.X00Im RIS seit
30.01.2009Zuletzt aktualisiert am
12.10.2011