TE Vfgh Erkenntnis 2003/11/25 B1014/03

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Veröffentlicht am 25.11.2003
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Index

10 Verfassungsrecht
10/11 Vereins- und Versammlungsrecht

Norm

B-VG Art83 Abs2
StGG Art12 / Vereinsrecht
VereinsG 2002 §7, §8
VereinsG 2002 §14
VereinsG 2002 §17
VereinsG 2002 §34

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Zurückweisung eines Antrags auf Nichtregistrierung der Anzeige einer Vorstandswahl; keine Zuständigkeit der Vereinsbehörde zur Entscheidung über Wahlvorgänge und vereinsinterne Meinungsverschiedenheiten; ordentlicher Rechtsweg für Rechtsstreitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis im Vereinsgesetz 2002 ausdrücklich festgelegt

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit dem bekämpften, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien wurde der Antrag der Beschwerdeführer, die Wahl des Vorstands des Vereins "Societa Dante Alighieri/Wien" vom 28. März 2003 als Nichtakt zu werten, bzw. auf "Nichtregistrierung des Nichtaktes der angezeigten Vorstandswahl" gemäß §7 iVm §34 Vereinsgesetz 2002 zurückgewiesen.

1.2. Der nunmehrige Erstbeschwerdeführer hatte bereits in einem Schreiben vom 30. März 2003 sowie anlässlich einer persönlichen Vorsprache am 7. April 2003 bei der Behörde erster Instanz (Bundespolizeidirektion Wien, Büro für Vereins-, Versammlungs- und Medienrechtsangelegenheiten) vorgebracht, dass bei der Generalversammlung des Vereins "Societa Dante Alighieri/Wien" vom 28. März 2003 eine ordnungsgemäße Neuwahl des Vorstands nicht durchgeführt werden habe können. Die Behörde werde daher ersucht, die "von einer hiezu nicht legitimierten Gruppe außerhalb der Generalversammlung abgehaltene 'Wahl'" nicht zur Kenntnis zu nehmen und die Ausstellung eines Vereinsregisterauszuges zu verweigern.

Die Behörde hatte ihm daraufhin sowohl in einem Schreiben vom 3. April 2003 als auch anlässlich seiner Vorsprache mündlich mitgeteilt, dass die Vereinsbehörde eine Wahlanzeige nur zur Kenntnis nehmen dürfe, aber keine Zuständigkeit habe, über Wahlvorgänge und daraus resultierende Meinungsverschiedenheiten zu entscheiden.

Mit Schreiben vom 14. April 2003 hatten die nunmehrigen Beschwerdeführer erneut um "Nichtregistrierung des Nichtaktes der angezeigten Vorstandswahl" ersucht. Im Falle einer abschlägigen Entscheidung möge ein Bescheid erlassen werden.

1.3. Diesen Antrag wies die Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 16. April 2003 als unzulässig zurück; der dagegen erhobenen Berufung gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien mit dem oben (Pkt. 1.1.) genannten Bescheid vom 4. Juni 2003 keine Folge.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass einer Wahlanzeige nach dem Vereinsgesetz keine konstitutive Wirkung zukomme. Die Vereinsbehörde dürfe eine Wahlanzeige in Bezug auf ihren Inhalt nur zur Kenntnis nehmen. Dies deshalb, weil die Rechtsverhältnisse eines Vereins grundsätzlich privatrechtlicher Natur seien und den Regeln des Zivilrechts unterliegen; Streitigkeiten aus diesen Vereinsverhältnissen seien daher von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden. In §34 Vereinsgesetz 2002 sei ausdrücklich geregelt, dass mit der Vollziehung dieses Gesetzes hinsichtlich der in §7 normierten Fälle der Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Vereinsbeschlüssen der Bundesminister für Justiz betraut ist. Eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Vertretungsverhältnisse stehe der Vereinsbehörde sohin nicht zu.

2. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde nach Art144 B-VG wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Vereinsfreiheit sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheids, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung oder Ablehnung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die Rechtsverhältnisse eines Vereins, etwa sein Verhältnis zu seinen Organen und zu seinen Mitgliedern, sind grundsätzlich privatrechtlicher Natur und unterliegen den Regeln des Zivilrechts (VfSlg. 15.825/2000, 16.298/2001). Streitigkeiten aus diesen Vereinsverhältnissen entscheiden demnach (nach Erschöpfung vereinsinterner Streitschlichtungsmechanismen) letztlich die ordentlichen Gerichte (§1 JN). Die Vereinsbehörde ist daher auch nicht zuständig, über Wahlvorgänge und vereinsinterne Meinungsverschiedenheiten zu entscheiden (VfSlg. 15.825/2000 in Bezug auf das VereinsG 1951).

2. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hat sich daran durch das VereinsG 2002 nichts geändert:

2.1. Die zuständige Vereinsbehörde hat gemäß §17 VereinsG 2002 unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen Auskünfte über die im Vereinsregister eingetragenen Daten zu erteilen. Wie sich insbesondere aus §16 Abs1 Z7, 8 und 9 leg. cit. ergibt, erfolgt die Eintragung der Daten der organschaftlichen Vertreter des Vereins aufgrund der Bekanntgabe dieser Daten durch den Verein gemäß §14 Abs2 leg. cit.

Der zuständigen Vereinsbehörde wird durch diese Bestimmungen keineswegs aufgetragen, die rechtmäßigen Vertretungsverhältnisse mit verbindlicher Wirkung festzustellen oder über die Vereinsstatuten und die Anzeige nach §14 VereinsG 2002 hinausgehende Ermittlungen anzustellen.

Insbesondere schafft §17 Abs1 und 2 VereinsG 2002 - ebenso wenig wie §12 Abs3 VereinsG 1951 - keine Zuständigkeit der Vereinsbehörde, über Wahlvorgänge und daraus resultierende vereinsinterne Meinungsverschiedenheiten zu entscheiden. Dass für Rechtsstreitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis (nach Erschöpfung vereinsinterner Streitschlichtungsmechanismen) der ordentliche Rechtsweg offen steht, ist im VereinsG 2002 nunmehr ausdrücklich festgelegt (§8 leg. cit.; die Anrufung des ordentlichen Gerichts kann nur insofern ausgeschlossen werden, als durch die Statuten ein Schiedsgericht gemäß §§577 ff. ZPO eingerichtet wird).

2.2. Die Beschwerdeführer versuchen ihren Standpunkt darauf zu stützen, dass gemäß §17 Abs8 VereinsG 2002 jeder, der eine Vereinsregisterauskunft einholt, auf die Richtigkeit dieser Auskunft vertrauen dürfe. Sie übersehen dabei aber, dass dies nach dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Bestimmung nur gilt, wenn der Betreffende die Unrichtigkeit der Auskunft nicht kennt oder kennen muss. Überdies bestimmt der zweite Satz des §17 Abs8, dass der Verein für den entstandenen Vertrauensschaden haftet, wenn "die Ursache einer unrichtigen Auskunft auf Seite des Vereins [liegt]".

Selbst aus dieser Regelung wird deutlich, dass die Vereinsbehörde die ihr bekannt gegebenen Vereinsdaten im Register evident zu halten hat, ohne zuvor ihre Richtigkeit zu beurteilen.

2.3. Die Argumentation der Beschwerdeführer, dass es sich bei der Anzeige an die Behörde um einen Nichtakt handle, weshalb die Behörde sie als unzulässig hätte zurückweisen müssen, geht ebenso ins Leere:

In §7 VereinsG 2002 ist ausdrücklich geregelt, dass gesetz- oder statutenwidrige Beschlüsse gültig bleiben, sofern sie nicht binnen eines Jahres ab Beschlussfassung gerichtlich angefochten werden. Beschlüsse von Vereinsorganen sind nach dieser Bestimmung nur dann nichtig, "wenn dies Inhalt und Zweck eines verletzten Gesetzes oder die guten Sitten gebieten". Eine Beurteilung dieser Frage steht der Vereinsbehörde aber ebenfalls nicht zu, weil mit der Vollziehung (u.a.) des §7 VereinsG 2002 gemäß §34 leg. cit. der Bundesminister für Justiz betraut ist.

3. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass die Zurückweisung des Antrags auf "Nichtregistrierung" der Anzeige einer Vorstandswahl das Recht auf freie Umbildung von Vereinen gar nicht berührt, weil die Behörde weder über die Rechtmäßigkeit der angezeigten Vereinsumbildung abgesprochen hat, noch aufgrund des Vereinsgesetzes dazu verpflichtet gewesen wäre. Ein Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Vereinsfreiheit liegt daher nicht vor (s. auch VfSlg. 15.825/2000).

4. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9.696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10.374/1985, 11.405/1987, 13.280/1992).

Wie oben dargelegt wurde, hat die belangte Behörde ihre Zuständigkeit zu Recht verneint. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ist daher nicht gegeben.

5. Bedenken gegen die dem bekämpften Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften sind nicht entstanden. Die Beschwerdeführer wurden daher auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

6. Die Beschwerde war daher abzuweisen und antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

7. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Vereinsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B1014.2003

Dokumentnummer

JFT_09968875_03B01014_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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