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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Spruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird daher aufgehoben.
Das Land Oberösterreich ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.142,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Das Land Oberösterreich hat im Juli 2002 im Rahmen des Bauloses "Umfahrung Bad Leonfelden-Ost" die Vergabe von Straßenbauarbeiten auf der B 126 Leonfeldnerstraße (welche gemäß §4 des BG über die Auflassung von Bundesstraßen, BGBl. I 50/2002, seit 1. April 2002 im Eigentum des Landes steht) ausgeschrieben. Der Auftragswert für diesen Bauauftrag wurde vom Auftraggeber ursprünglich auf 4,1 Mio Euro geschätzt (die einlangenden Anbote lagen bei rund 2,2 Mio Euro).
Nachdem der Auftraggeber die nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof beschwerdeführende Kommanditgesellschaft, welche sich um den Auftrag beworben hatte, davon verständigt hatte, dass beabsichtigt sei, den Auftrag mit einer Auftragssumme in Höhe von rund 2,6 Mio Euro an einen anderen Bieter zu vergeben (Schreiben vom 3. Oktober 2002) und ihr Angebot mangels technischer Zuverlässigkeit vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen wird (Schreiben vom 4. Oktober 2002), wandte sich diese an die Oberösterreichische Landesregierung und begehrte u.a. die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung.
Die Oberösterreichische Landesregierung erklärte sich mit Bescheid vom 19. November 2002 für unzuständig und wies insbesondere den Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung als unzulässig zurück: Da der Auftragswert den in §3 Abs1 Z1 Oö. VergabeG festgelegten Schwellenwert nicht erreiche, komme das in diesem Gesetz festgelegte Rechtsschutzverfahren nicht zum Tragen.
Der daraufhin angerufene Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) wies die Berufung mit im Wesentlichen gleich lautender Begründung als unbegründet ab.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines als verfassungswidrig erachteten Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei, das Land Oberösterreich, erstattete eine Äußerung, in der sie die Auffassung vertritt, dass die Schwellenwertregelung des §3 Abs1 Z1 Oö. VergabeG einer "verfassungskonformen Interpretation" zugänglich sei, sodass der UVS in der Sache entscheiden hätte können. Die Zurückweisung des Nachprüfungsantrages wegen Unzuständigkeit möge daher zwar rechtswidrig sein, sei aber nicht von verfassungsrechtlicher Relevanz.
4. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 12. Februar 2003 ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §3 Abs1 Z1 Oö. VergabeG, LGBl. für Oberösterreich 59/1994, idF LGBl. 45/2000 ein.
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G118/03, sprach er aus, dass diese Gesetzesbestimmung verfassungswidrig war.
II. 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde unter anderem dann verletzt, wenn diese in gesetzwidriger Weise ihre gesetzliche Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10.374/1985, 13.280/1992 und VfGH 30.11.2000, B4773/96).
Der vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfte, die Zurückweisung des Nachprüfungsantrages wegen Unzuständigkeit der Oberösterreichischen Landesregierung bestätigende Bescheid des UVS gründet auf der mit dem unter Pkt. I.4. genannten Erkenntnis für verfassungswidrig erkannten Bestimmung des Oö. VergabeG.
Da diese Gesetzesstelle gemäß Art140 Abs7 B-VG im Anlassfall nicht mehr anzuwenden ist, sohin die Vergabe von Bauaufträgen durch öffentliche Aufftraggeber unabhängig von der Höhe des (geschätzten) Auftragswertes unter den sachlichen Geltungsbereich des Oö. VergabeG und damit unter das Rechtsschutzsystem dieses Gesetzes fällt, und es sich im vorliegenden Fall unzweifelhaft um einen Bauauftrag des Landes handelt, wurde der beschwerdeführenden Partei durch die vom UVS bestätigte Zurückweisung ihres Nachprüfungsantrages zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung des der beschwerdeführenden Gesellschaft verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufzuheben.
2. Die Kostenentscheidung gründet auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,-- sowie eine Eingabengebühr in Höhe von € 180,-- enthalten.
III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:B1916.2002Dokumentnummer
JFT_09968875_02B01916_00