TE Vfgh Erkenntnis 2003/11/25 B741/03

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Veröffentlicht am 25.11.2003
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6500 Jagd, Wild

Norm

StGG Art5
Nö JagdG 1974 §101 ff

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Zurückweisung der Anträge von Grundeigentümern auf Abgeltung eines Wildschadens (Schäl- und Verbissschäden) an forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken; keine denkunmögliche Auslegung der Bestimmungen des Nö Jagdgesetzes 1974 hinsichtlich des Schadenersatzberechtigten

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird daher abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Landeskommission für Jagd- und Wildschäden beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. April 2003, Z LF1-J-104/091-2002, wurde der Antrag der Beschwerdeführer auf Abgeltung eines Wildschadens (Schäl- und Verbissschäden) in der Höhe von mindestens € 254,-- an den - je zur Hälfte im Eigentum der Beschwerdeführer stehenden - forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken Nr. 978, 982 und 983, jeweils KG Friedreichs, als unzulässig zurückgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung mit der mangelnden Antragslegitimation der Beschwerdeführer, die zwar Eigentümer der betroffenen Grundstücke seien, diese jedoch seit 1. Jänner 1985 an ihren Sohn verpachtete hätten; eine Zedierung etwaiger Schadenersatzansprüche vom Sohn an seine Eltern und nunmehrigen Beschwerdeführer sei nicht erfolgt. Da die Beschwerdeführer als Verpächter der besagten Grundstücke diese nicht bewirtschaften, könne ihnen auch kein Schaden entstanden sein:

"Die [Beschwerdeführer] sind daher nicht Geschädigte im Sinne der Bestimmungen der §§101 ff NÖ Jagdgesetz 1974. Nach diesen Bestimmungen ist nämlich der Schaden an den Erzeugnissen des Bodens zu ersetzen (vgl. §106 leg. cit.)."

Gleichzeitig wurden die Beschwerdeführer zum Ersatz der Verfahrenskosten verpflichtet.

2. a) Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des Grundrechtes auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Die behauptete Grundrechtsverletzung sei darin zu sehen, dass die den Bescheid tragenden gesetzlichen Grundlagen in denkunmöglicher Weise angewendet wurden:

"Wir sind ... Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Grundstücke, bei welchen es sich jeweils um Waldgrundstücke handelt. Die von uns geltend gemachten Wildschäden betreffen Schäl- und Verbißschäden an mit dem Grund und Boden fest verwurzelten Bäumen, welche sohin in die Substanz unserer Waldgrundstücke eingreifen. Wieso die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, daß wir aufgrund der erfolgten Verpachtung unserer Grundstücke an unseren Sohn durch die von uns geltend gemachten Wildschäden nicht geschädigt seien, ist völlig unerfindlich und willkürlich. Aus keiner der von der belangten Behörde angeführten Rechtsgrundlagen läßt sich ableiten, daß die Verpachtung eines forstwirtschaftlichen Grundstückes bei einer erfolgten Schädigung eines derartigen Grundstückes durch Dritte die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches durch den Grundstückseigentümer ausschließt. Auch im Zivilrecht ist jedenfalls der Eigentümer eines Grundstückes bei einem Eingriff in die Substanz des Grundstückes unmittelbar geschädigt. Da die auf unseren Waldgrundstücken gewachsenen Bäume mit unseren Grundstücken verbunden sind, gehören diese unzweifelhaft zu unseren Grundstücken und stehen daher ebenfalls in unserem Eigentum. Dem steht auch eine Verpachtung unserer Waldgrundstücke nicht entgegen, da Inhalt einer derartigen Verpachtung nur die ordnungsgemäße laufende Waldbewirtschaftung sein kann, die jedenfalls eine Schädigung der Substanz nicht zum Inhalt hat. Selbst der Pächter eines Waldgrundstückes ist bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung verbunden, die im Rahmen einer solchen geschlägerten Bäume durch entsprechende Aufforstungsmaßnahmen zu ersetzen. Strittig ist vielmehr, ob ein Bestandnehmer als bloßer Rechtsbesitzer Schadenersatzansprüche gegen Dritte geltend machen kann. Soweit dies in der Vergangenheit in der Judikatur verneint wurde, waren selbst Schäden des Bestandnehmers durch den Bestandgeber, sohin den Grundstückseigentümer, im Wege der Drittschadensliquidation geltend zu machen.

Auch wenn die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich auf die Bestimmungen der §§101 ff des NÖ Jagdgesetzes 1974 verweist und vermeint, daß nach diesen Bestimmungen, 'nämlich (nur) der Schaden an den Erzeugnissen des Bodens zu ersetzen ist', so gibt die belangte Behörde die zitierten Bestimmungen offenbar bewußt nur unvollständig wieder. Gemäß §101 NÖ Jagdgesetz 1974 ist nämlich der Jagdausübungsberechtigte verpflichtet, in seinem Jagdgebiet den an Grund und Boden, an den land- und forstwirtschaftlichen Kulturen oder an deren noch nicht eingebrachten Erzeugnissen, verursachten Schaden zu ersetzen. Auch der Hinweis auf die Bestimmung des §106 des NÖ Jagdgesetzes 1974 ist irreführend, da die belangte Behörde gefließentlich den Absatz 5 dieser Bestimmung übergeht, nach dem Wildschäden im Walde (an Stämmen, Pflanzungen, natürlichen Verjüngungen, Vorkulturen usw.) nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen zu bewerten sind. Hiebei ist zwischen Verbiß-, Fege- und Schälschäden zu unterscheiden und zu berücksichtigen, ob nur Einzelstammschädigung oder bereits Bestandesschädigung oder betriebswirtschaftliche Schädigung eingetreten ist. Ganz abgesehen davon beschäftigt sich letztere Bestimmung bloß mit Grundsätzen der Bewertung im Falle von Wildschäden.

Alles in allem ergibt sich sohin aus den zitierten Entscheidungen keineswegs, daß nur derjenige einen Schadenersatzanspruch geltend machen könnte, welcher ein Waldgrundstück auch selbst bewirtschaftet."

b) Die Landeskommission für Jagd- und Wildschäden beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und nahm zu den Beschwerdebehauptungen im Rahmen ihrer Gegenschrift wie folgt Stellung:

"Im gegenständlichen Fall sind die betreffenden Flächen der Beschwerdeführer an ihren Sohn verpachtet. Nach Ansicht der belangten Behörde wären daher eventuelle Schäden an der Substanz des Bestandgegenstandes vom Bestandnehmer gegenüber dem Bestandgeber erst anlässlich der Rückgabe des Bestandgegenstandes zu ersetzen. Der Bestandnehmer hat den Bestandgegenstand, abgesehen von den 'genossenen Früchten' und der normalen Abnutzung, unverändert zu übergeben. Während der Bestanddauer jedoch - im konkreten Fall handelt es sich um ein unbefristetes Pachtverhältnis - hat der Bestandgeber kein Recht auf Ersatz von Schäden an der Substanz, es sei denn dies wäre gesondert vereinbart. Dies ist aber im konkreten Fall nicht gegeben, wie sich aus dem im Akt befindlichen Pachtvertrag ergibt. Ein Schaden am Bestandgegenstand kann dem Bestandgeber daher solange nicht entstehen, solange das Bestandverhältnis aufrecht ist. Aus diesem Grunde ist der Bestandgeber ... bei Vorliegen von Jagd- oder Wildschäden nicht als Geschädigter anzusehen.

Das NÖ Jagdgesetz 1974 spricht ausdrücklich davon, dass der 'Geschädigte' den Ersatz des Wildschadens beantragen kann. Dies ist nach Ansicht der belangten Behörde so zu sehen, dass nicht notwendigerweise nur der Eigentümer der betreffenden Flächen den Ersatz des Jagd- und Wildschadens beantragen kann. Der Gesetzgeber hätte nämlich ansonsten ausdrücklich (auch) dem Eigentümer der Flächen die Aktivlegitimation zur Geltendmachung von Jagd- und Wildschäden zugestanden.

Inwiefern die belangte Behörde die Rechtsvorschriften im bekämpften Bescheid unvollständig wiedergegeben hat ist für sie nicht erkennbar. Es wurde ausdrücklich auf die Bestimmung des §107 Abs1 NÖ Jagdgesetz 1974 Bezug genommen, die Grundlage für die Entscheidung war. In dieser Bestimmung wird festgelegt, dass der Geschädigte Jagd- und Wildschäden binnen einer dort genannten Frist geltend machen muss, um seinen Anspruch nicht zu verlieren. Weiters wurde auf die Begründung des Bescheides I. Instanz verwiesen, der mit dem bekämpften Bescheid vollinhaltlich bestätigt wurde. Nach Ansicht der belangten Behörde ist daher auch der Bescheid I. Instanz Teil des bekämpften Bescheides (vgl. dazu das Erkenntnis des VwGH vom 29. Mai 1990, Zl. 89/04/0224 und andere)."

3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

a) Ein Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums ist nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.356/1985, 10.482/1985, 11.650/1988) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen ist oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruht, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hat, ein Fall, der nur dann vorliegt, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hat, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen ist.

b) Der bekämpfte Bescheid stützt sich auf die gesetzlichen Bestimmungen über den Schadenersatz bei Jagd- und Wildschäden gemäß den §§101 ff. NÖ Jagdgesetz 1974; ob der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen sind Bedenken weder vorgebracht worden noch aus Anlass dieses Verfahrens sonst entstanden.

Die Beschwerdeführer werfen der belangten Behörde vor, die Bestimmungen der §§101 ff. leg.cit. zu Unrecht dahingehend ausgelegt zu haben, dass im Falle einer Verpachtung von Grundflächen (nur) der Pächter und nicht (auch) der jeweilige Eigentümer (gegenüber dem Jagdausübungsberechtigten) schadenersatzberechtigt für die entstandenen Wildschäden ist. Damit werden aber keine in die Verfassungssphäre reichenden Fehler geltend gemacht.

Auch von einer denkunmöglichen und daher das verfassungsgesetzliche Eigentumsrecht verletzenden Gesetzesanwendung kann keine Rede sein. Denn es ist angesichts der Regelung des §101 Abs1 NÖ Jagdgesetz 1974, die zwischen Schäden an Grund und Boden sowie jenen an den land- und forstwirtschaftlichen Kulturen (oder an deren noch nicht eingebrachten Erzeugnissen) unterscheidet, jedenfalls denkmöglich, für die an den land- und forstwirtschaftlichen Kulturen bewirkten Wildschäden den nutzungsberechtigten Pächter als Geschädigten - und damit als Ersatzberechtigten - anzusehen (vgl. zum OÖ Jagdrecht in diesem Sinn VwGH 28.11.1984, Z83/03/0013; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit spezieller landesrechtlicher Wildschadensregelungen: VfSlg. 15.917/2000). Ob das Verfahren in jeder Hinsicht rechtmäßig geführt wurde und ob die Entscheidung rechtsrichtig ist, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen; und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 10.565/1985, 10.659/1985, 12.697/1991).

c) Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums hat sohin nicht stattgefunden.

Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, dass die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden, war die Beschwerde abzuweisen.

4. Die Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Jagdrecht, Wildschaden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B741.2003

Dokumentnummer

JFT_09968875_03B00741_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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