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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Zurückweisung einer Berufung gegen die amtswegige Aufhebung der Verwaltungsstrafe wegen Lenkens eines Fahrzeugs in alkoholisiertem Zustand infolge gerichtlicher Verurteilung wegen fahrlässiger KörperverletzungSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 18. Dezember 2002 rechtskräftig bestraft, weil er ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Die mittels "Alkomat" durchgeführte Messung des Alkoholgehalts seiner Atemluft zum maßgeblichen Zeitpunkt habe einen Wert von 0 5 mg/l ergeben. Der Beschwerdeführer wurde schuldig befunden, gegen die Vorschrift des §5 Abs1 StVO 1960 verstoßen und damit eine Verwaltungsübertretung iSv. '99 Abs1b leg. cit. begangen zu haben. Es wurde über ihn deswegen eine Geldstrafe in Höhe von € 720,- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 216 Stunden verhängt und die Pflicht zum Ersatz der Verfahrenskosten ausgesprochen.
2. Mit Schreiben vom 9. Jänner 2003 teilte das Landesgericht Feldkirch der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch mit, daß die Staatsanwaltschaft Feldkirch mit Strafantrag vom 28. November 2002, "jenen Sachverhalt [als Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach §88 Abs1 und 4 (§81 Abs1 Z1 und 2) StGB angeklagt hat], der auch dem ... Verwaltungsstraferkenntnis zugrunde liegt". Unter Hinweis auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) vom 22. August 2002, 15 Os 18/02, regte das Landesgericht an, die Bezirkshauptmannschaft wolle "nach §68 Abs2 AVG, §30 Abs3 VStG vorgehen" und ersuchte um Mitteilung, sobald die Verwaltungsstrafbehörde ihr Straferkenntnis außer Kraft gesetzt und das Verfahren eingestellt hat.
3. Mit Bescheid vom 31. Jänner 2003 hob die Bezirkshauptmannschaft das Straferkenntnis ersatzlos auf. Sie stützte sich dabei auf §52a VStG und führte in der Begründung aus: "Laut Mitteilung des Landesgerichtes Feldkirch liegt ein Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung vor. Gemäß §99 Abs6 litc StVO 1960 liegt eine Verwaltungsübertretung nicht vor, wenn eine Tat nach der Straßenverkehrsordnung oder nach den §§37 und 37a Führerscheingesetz den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht".
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg (UVS). Er beantragte die ersatzlose Aufhebung des Bescheides, mit dem das gegen ihn ergangene Straferkenntnis behoben wurde und führte aus, daß die bereits erfolgte Bestrafung durch die Verwaltungsbehörde dazu führe, daß eine weitere Verfolgung (gemeint offenbar: wegen derselben Tat) in einem gerichtlichen Strafverfahren zufolge des verfassungsgesetzlich normierten Verbotes der Doppelbestrafung nicht mehr zulässig sei. Da somit (ab dem Zeitpunkt, in dem das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft gefällt war) aufgrund der EMRK eine weitere Zuständigkeit der Gerichte ausgeschlossen gewesen sei, liege allein die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden vor, weshalb die Aufhebung des Straferkenntnisses rechtswidrig gewesen sei.
5. Mit Bescheid vom 25. Februar 2003 wies der UVS die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig zurück. Er begründete dies damit, daß "der Berufungswerber keinen Rechtsanspruch und kein rechtliches Interesse an einer Bestrafung gemäß §99 Abs1 StVO hat". Demnach sei er im Berufungsverfahren "auch nicht Partei" im Sinne des §8 AVG und des §51 VStG.
6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verschiedenen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird. Der UVS hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der er die Abweisung der Beschwerde beantragt. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst hat über Einladung des Verfassungsgerichtshofes eine Äußerung erstattet, in der es den Beschwerdeausführungen entgegentritt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. In der Beschwerde wird unter anderem eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht (Art83 Abs2 B-VG). Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wäre der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden, wenn die belangte Behörde die Berufung zu Unrecht zurückgewiesen hätte (vgl. zB VfSlg. 4021/1961, 5230/1966, 5448/1967, 13293/1992).
2. Der Beschwerdeführer verkennt, daß aus dem in Art4 des
7. ZPEMRK normierten Doppelbestrafungsverbot kein Recht auf Bestrafung durch die Verwaltungsbehörde (zwecks Vermeidung einer gerichtlichen Strafe) hervorgeht. Der beim UVS bekämpfte Bescheid hat das gegen den Beschwerdeführer ergangene Straferkenntnis beseitigt. Durch diesen Bescheid ist der Beschwerdeführer (in seiner Rechtssphäre) daher nicht beschwert worden. Die Zurückweisung der Berufung durch den UVS erfolgte daher zu Recht; eine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter hat sohin nicht stattgefunden. Bei diesem Ergebnis war nicht zu prüfen, ob die Aufhebung des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch zu Recht erfolgt ist.
3. Da die belangte Behörde sohin die Berufung zu Recht zurückgewiesen hat, ist es angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der die Zurückweisung tragenden Rechtsvorschriften auch ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden ist (vgl. zB VfSlg. 8741/1980, 10374/1985, 13293/1992, 15770/2000).
4. Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Strafrecht, Straßenpolizei, Alkoholisierung, Verwaltungsstrafrecht, Parteistellung, Zusammentreffen strafbarer Handlungen, DoppelbestrafungsverbotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:B666.2003Dokumentnummer
JFT_09968873_03B00666_00