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20 Privatrecht allgemeinNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Unzulässigkeit der Trauung Homosexueller nicht verfassungswidrig; Änderung des Eherechts des ABGB im Sinne einer Zulässigkeit der Eheschließung gleichgeschlechtlicher Personen weder durch den Gleichheitssatz noch die EMRK gebotenSpruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Die Beschwerdeführer beantragten beim Standesamt Wien-Ottakring die Durchführung eines Verfahrens zur Ermittlung der Ehefähigkeit und meldeten die Trauung an. Der Antrag wurde mit der Begründung abgewiesen, die Eheschließung sei nur unter Personen verschiedenen Geschlechts möglich (§44 ABGB). Die Berufung wies der Landeshauptmann von Wien als unbegründet ab (Hinweis auf VwSlg. 14.748 A/1997).
In der gegen den Berufungsbescheid erhobenen Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz, Achtung des Privat- und Familienlebens und Unversehrtheit des Eigentums verletzt. Das Wesen der Ehe liege in einer grundsätzlich lebenslangen umfassenden Gemeinschaft. Nach geltendem Recht sei diese nicht mehr schlechthin unauflöslich und die Vereinbarung der Kinderlosigkeit zulässig. Der Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare von der Ehe sei infolgedessen sachlich nicht mehr zu rechtfertigen. Das Diskriminierungsverbot des Art14 EMRK gelte auch für die sexuelle Orientierung. Das im Rahmen einer Lebensgemeinschaft erwirtschaftete und ersparte Vermögen sei im Todesfall nicht begünstigt, sodass der überlebende Partner im Verhältnis zu einem Ehegatten steuerlich stärker belastet sei und im Eigentumsrecht verletzt werde.
Die Beschwerdeführer beenden ihre verfassungsrechtlichen Ausführungen wie folgt:
"Den Beschwerdeführern ist durchaus bewusst, dass es sich letztendlich um eine politische Entscheidung handelt, Tatsache ist jedoch, dass in den letzten Jahren sämtliche wesentlichen europäischen Länder eine Gleichstellung der Homosexuellen - in welcher Form auch immer - gesetzlich verankert haben und dadurch eine langjährige Forderung anerkannt wurde. Nunmehr ist die Republik Österreich - obwohl eine der führenden westlichen Industriestaaten - Schlusslicht und wäre wünschenswert, wenn der Verfassungsgerichtshof so wie der Bundesgerichtshof in Deutschland, die vorliegende Beschwerde zum Anlass nimmt, den Gesetzgeber darauf aufmerksam zu machen, Defizite aufzuholen."
II. Die Beschwerde ist nicht begründet.
Das dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Verwaltungsverfahren hat ausschließlich die Frage der Zulässigkeit der Eheschließung betroffen. Die Beschwerdeführer wenden sich daher zutreffend nur dagegen, dass §44 ABGB allein die Ehe zwischen "Personen verschiedenen Geschlechtes" kennt und vorsieht. Auch der Vorwurf der Eigentumsverletzung will nur die Unsachlichkeit dieses Umstandes dartun.
In bezug auf die Eheschließung bestimmt der im Verfassungsrang stehende Art12 EMRK:
"Mit Erreichung des heiratsfähigen Alters haben Männer und Frauen gemäß den einschlägigen nationalen Gesetzen das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen."
Weder der Gleichheitssatz der österreichischen Bundesverfassung noch die Europäische Menschenrechtskonvention (arg. "Männer und Frauen" in Art12) gebieten eine Ausdehnung der auf die grundsätzliche Möglichkeit der Elternschaft ausgerichteten Ehe auf Beziehungen anderer Art. Am Wesen der Ehe ändert auch nichts, dass eine Scheidung (Trennung) möglich ist und es Sache der Ehegatten ist, ob sie tatsächlich Kinder haben können oder wollen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 27. September 1990, Nr. 10843/84, Cossey (betreffend die besondere Lage transsexueller Personen), die Beschränkung auf diese "traditionelle" Ehe für sachlich gerechtfertigt befunden und ausgeführt [deutsche Übersetzung in ÖJZ 1991, 173 ff. (175)],
"... daß das Anknüpfen an das traditionelle Konzept der Ehe einen hinreichenden Grund dafür darstelle, weiterhin biologische Kriterien für die Bestimmung des Geschlechts einer Person für die Zwecke der Eheschließung heranzuziehen".
[Die inzwischen vollzogene Änderung in der Rechtsprechung zum besonderen Problem der Transsexuellen (EGMR 11.7.2002, Nr. 28957/95, Goodwin) lässt keinen Schluss auf eine Änderung in der Beurteilung der hier in Rede stehenden allgemeinen Frage zu.]
Dass gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit ein Teil des Privatlebens sind und solcherart den Schutz des Art8 EMRK genießen - der auch die Benachteiligung nach unsachlichen Merkmalen verbietet (Art14 EMRK) -, verpflichtet daher nicht zur Änderung des Eherechts.
Ob und in welchen Rechtsgebieten der Gesetzgeber gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften dadurch unzulässigerweise diskriminiert, dass er für Ehegatten Besonderes vorsieht, ist im vorliegenden Fall nicht zu prüfen. Ebensowenig ist es Aufgabe des Gerichtshofs, dem Gesetzgeber in verfassungsrechtlicher oder gar rechtspolitischer Hinsicht Ratschläge zu erteilen.
Die Beschwerde ist vielmehr als unbegründet abzuweisen.
Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs4 erster Satz VfGG).
Schlagworte
Ehe und Verwandtschaft, Lebensgemeinschaft, Privat- und Familienleben, Zivilrecht, Eherecht, HomosexualitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:B777.2003Dokumentnummer
JFT_09968788_03B00777_00