TE Vfgh Beschluss 2004/2/23 V130/03

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Veröffentlicht am 23.02.2004
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Plandokument Nr 6665. Beschluss des Wr Gemeinderates vom 26.06.96
Wr BauO 1930 §58 Abs2 litd

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung eines Wiener Plandokuments hinsichtlich Festlegung eines 5 m breiten Fahrweges infolge Zumutbarkeit der Erwirkung eines Bescheides über die Rückstellung ins öffentliche Gut abgetretener Grundstücksteile

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit dem auf Art139 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller,

"den Beschluss des Gemeinderates Wien vom 26.06.1996, Pr.Zl.85 GPS/96, der die Festsetzung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes für das im Antragsplan Plandokument 665 mit der rot punktierten Linie umschriebene Gebiet zwischen Krottenbachstraße, Agnesgasse, Linienzug a - e, Nottebohmstraße, Linienzug f - g, Hackenberggasse und Siolygasse mit Ausnahme des mit Linienzug h - m umschriebenen Gebietes nördlich des Zimmerlweges im 19. Bezirk, Kat.G. Obersievering, Kat.G. Untersievering, Kat.G. Pötzleinsdorf und Kat.G. Neustift am Walde, zum Inhalt hat, insoweit das Grundstück Nr. 346/7 entlang der Grundstücke 345/1 und 337/1 als zu verbreitender Fahrweg festgelegt wird, als gesetzwidrig aufzuheben."

2. Er führt zur Antragslegitimation Folgendes aus:

Es sei erstmals mit Beschluss des Gemeinderates vom Jänner 1931, Pr.Z. 107/31 (Plandokument Nr. 117) im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan der heutige "Ährengrubenweg" ua. auf der Höhe der unmittelbar angrenzenden Grundstücke Nr. 337/1 und 345/1 als ein mit einer Breite von mindestens 5 m vorgesehener Fahrweg mit der Bezeichnung "Gasse 5" festgelegt worden. Im bekämpften Flächenwidmungs- und Bebauungsplan sei erneut statt des in der Natur bestehenden, 2,5 m breiten, als "Ährengrubenweg" bezeichneten Weges ein ca. 5 m breiter Fahrweg festgelegt worden.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 21. September 1932, Z46/12664/32, seien die Voreigentümer anlässlich einer Grundabteilung der zum Gutbestand der Liegenschaften EZ 100 und 110, KG Obersievering, gehörigen Grundstücke Nr. 345 und 337 gemäß §17 Abs1 und 4 Bauordnung für Wien (in der Folge: BO f Wien) verpflichtet worden, die Grundstücke (provisorisch) Nr. 337/2 und 337/3, unentgeltlich und lastenfrei in das Verzeichnis des öffentlichen Gutes zu übertragen und über Auftrag der Baubehörde die festgesetzte Höhenlage in den physischen Besitz der Gemeinde zu übergeben. Mit dem Bescheid sei weiters vorgeschrieben worden, die Grundstücke (provisorisch) Nr. 337/4, 345/3, 345/4 und 345/5 gemäß §17 Abs2 BO f Wien über Auftrag der Baubehörde gegen die nach §17 Abs5 der BO f Wien gewährleistete Schadloshaltung gebühren- und lastenfrei in das Verzeichnis des öffentlichen Gutes zu übertragen und in der bestehenden Höhenlage in den physischen Besitz der Gemeinde zu übergeben; mit dem genannten Bescheid sei schließlich auch die Verpflichtung auferlegt worden, die Kleingartenflächen Grundstücke Nr. 337/1 und 345/1 gemäß §17 Abs6 BO f Wien so lange unbebaut zu belassen, bis die "vorgelegenen" Verkehrsflächen in dem nach §17 Abs1 BO f Wien bestimmten Ausmaße in das Verzeichnis des öffentlichen Gutes übertragen und über Auftrag der Baubehörde in der festgesetzten Höhenlage in den physischen Besitz der Gemeinde übergeben sein werden. Das infolge des Bescheides sofort in das öffentliche Gut übertragene Grundstück Nr. 337/2 entspreche dem heutigen Grundstück Nr. 346/7, das nun im Eigentum der Stadt Wien stehe.

Trotz der Übertragung des Grundstückes Nr. 337/2 (nunmehr Grundstück Nr. 346/7) in das öffentliche Gut im Jahr 1932 sei es weiterhin im Besitz der wechselnden Eigentümer der Grundstücke Nr. 337/1 und 345/1 verblieben; der Ährengrubenweg sei entgegen seiner tatsächlichen Ausführung auch im derzeit geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan in einer Breite von 5 m festgelegt.

Der Antragsteller sei grundbücherlicher Eigentümer der an den Ährengrubenweg unmittelbar angrenzenden Grundstücke Nr. 337/1, inneliegend in der Liegenschaft EZ 814, Grundbuch 01509 Obersievering und Grundstück Nr. 345/1, inneliegend in der Liegenschaft EZ 537, Grundbuch 01509 Obersievering.

Den Antragsteller als Eigentümer der Grundstücke Nr. 337/1 und 345/1 träfen nach wie vor die im Grundbuch eingetragenen Verpflichtungen aus dem oben dargestellten, an die Rechtsvorgänger gerichteten Bescheid vom 21. September 1932. Der Antragsteller und seine Rechtsvorgänger hätten seit vielen Jahren mit der Unsicherheit bzw. Verpflichtung zu leben, Teile der Grundstücke Nr. 337/1 und 345/1 in das öffentliche Gut übertragen zu müssen bzw. diese in Hinblick auf eine allenfalls irgendwann zu errichtende Verkehrsfläche unbebaut zu belassen. Vor allem aber sei im Jahre 1932 von den Grundstücken des Antragstellers das (damalige) Grundstück Nr. 337/2 abgeteilt worden und unentgeltlich in das öffentliche Gut übertragen worden, um auf diesem Grundstück eine Verkehrsfläche zu errichten.

Der angefochtene Flächenwidmungs- und Bebauungsplan nehme dem Antragsteller die Möglichkeit, nach §58 Abs2 BO f Wien die Rückstellung der von den Grundstücken Nr. 345/1 und 337/1 im Jahr 1932 unentgeltlich und lastenfrei abgetretenen, bis zum heutigen Tage nicht als Fahrweg in der vorgesehenen Breite errichteten Fläche zu beantragen.

Nach der ständigen Judikatur sei gemäß §58 Abs2 litd iVm §§13 Abs2 und 18 Abs2 BO f Wien auch bei Auflassung einer Verkehrsfläche, die aus Anlass der Schaffung von Kleingartenflächen in das öffentliche Gut abzutreten gewesen sei, das im Hinblick auf die Auflassung der Verkehrsfläche wieder zurückzustellende Grundstück nur dem Eigentümer jenes Grundstückes zurückzustellen, welches seinerzeit mit der Grundabtretungsverpflichtung belastet gewesen sei (VwGH 16.01.1978, Zl. 2205/75).

Die bekämpfte Verordnung greife daher aktuell und unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers ein, ohne dass es dafür einer weiteren behördlichen Entscheidung bedürfe. Ein anderer zumutbarer Weg, sich gegen die Verordnung zur Wehr zu setzen, stehe dem Antragsteller auch nicht zur Verfügung (vgl. VfSlg. 13.663/1993).

Ein Antrag auf Rückübereignung nach §45 Abs2 BO f Wien stelle keinen zumutbaren Weg dar. Es könne mit diesem Antrag zwar die Rückübertragung des Grundstückes erreicht werden; allerdings sehe der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan weiterhin den Fahrweg in der Breite von 5 m vor. Ein neuerlicher Bescheid, der dem Antragsteller die unentgeltliche Abtretung ins öffentliche Gut vorschriebe, wäre wiederum möglich. Der Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers wäre daher nicht beseitigt. Auch blieben im Falle der Rückübereignung die Verpflichtungen zur Übergabe über Aufforderung, zur Herstellung der Höhenlage und zur Nichtverbauung aufrecht.

II. Der Antrag ist unzulässig.

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (zB VfSlg. 11.726/1988, 13.944/1994).

Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 8974/1980, 10.353/1985, 11.730/1988, 16.140/2001).

2. Dem Antragsteller steht ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Gesetzwidrigkeit der Verordnung zur Verfügung:

Entgegen dem Antragsvorbringen steht es dem Antragsteller offen, gemäß §58 Abs2 litd BO f Wien einen Antrag auf Rückstellung der in das öffentliche Gut abgetretenen Teile der Grundstücke Nr. 337/1 und 345/1 zu stellen. Gegen einen Bescheid, mit dem die Rückstellung - aus welchen Gründen immer - verweigert wird, kann er nach Erschöpfung des verwaltungsbehördlichen Instanzenzuges Beschwerde bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts erheben. Im Verfahren vor diesen Gerichtshöfen kann die Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes geltend gemacht werden, da dieser gemäß §58 Abs2 litd BO f Wien präjudiziell ist. Auf diese Weise kann eine amtswegige Überprüfung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes auf seine Gesetzmäßigkeit herbeigeführt werden.

3. Der Antrag war daher schon aus diesem Grund gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Grundabtretung, Verkehrsflächen, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:V130.2003

Dokumentnummer

JFT_09959777_03V00130_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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