Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art133 Z1Leitsatz
Keine Verletzung des Rechts auf Vereinsfreiheit durch Zurückweisung eines Wiederaufnahmeantrags betreffend eine Vereinsauflösung wegen Versäumung der Frist; Abweisung des Antrags auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof aufgrund umfassender Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes sowohl hinsichtlich der materiellen als auch der formalen verfahrensrechtlichen Fragen bei behaupteter Verletzung des VereinsrechtsSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 23. Dezember 1998 wurde der Verein "Dichterstein Offenhausen" gemäß §24 des Vereinsgesetzes 1951 aufgelöst. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Juli 1999 abgewiesen.
2. Den vom nunmehrigen Beschwerdeführer - unter Hinweis auf seine ehemalige Vereinsmitgliedschaft - am 31. März 2003 eingebrachten, auf §69 Abs1 Z1 AVG gestützten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wies der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 10. September 2003 als verspätet zurück.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Vereinsfreiheit behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.
4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, umfasst die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nach Art144 B-VG bei behaupteter Verletzung des Vereinsrechts auch die verfahrensrechtlichen Fragen (vgl. VfSlg. 4816/1964 mwN). Es ist daher auf die Beschwerdeausführungen - die eine Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen - einzugehen.
2.1. Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf §69 Abs2 AVG, wonach ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach Ablauf von drei Jahren ab Erlassung des Bescheides nicht mehr gestellt werden kann. Die wirksame Zustellung des (Berufungs-)Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 5. Juli 1999 sei am 12. Juli 1999 erfolgt. Die objektive Frist zur Antragstellung sei somit am 12. Juli 2002 abgelaufen.
2.2. Nach Auffassung des Beschwerdeführers ergebe sich jedoch aus dem Wortlaut des §69 Abs3 AVG - wonach die Wiederaufnahme nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides "auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs1 Z1 stattfinden" kann -, dass eine Wiederaufnahme aus den Gründen des §69 Abs1 Z1 AVG sowohl auf Antrag als auch von Amts wegen unbefristet möglich sei.
Dabei übersieht der Beschwerdeführer, dass die Regelung des §69 Abs3 AVG nur für die Wiederaufnahme von Amts wegen gilt (s. auch VwSlg. 8285 A/1972). Für die Wiederaufnahme auf Antrag einer Partei ist §69 Abs2 AVG maßgeblich; nach dieser Bestimmung kann der Antrag auf Wiederaufnahme aber "[n]ach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides … nicht mehr gestellt werden".
2.3. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich die Akten betreffend die Auflösung des Vereins "Dichterstein Offenhausen" bereits vor Ablauf der objektiven Frist zur Antragstellung gemäß §69 Abs2 AVG skartiert habe, weshalb auch innerhalb dieser Frist die Stellung eines Wiederaufnahmeantrags nicht möglich gewesen wäre, geht schon deshalb ins Leere, weil der vorliegende Antrag erst nach Ablauf der Frist gestellt wurde.
2.4. Durch die Zurückweisung des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist daher keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Vereinsrechts erfolgt.
Die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts kommt angesichts der festgestellten Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht in Betracht (vgl. zB VfSlg. 9246/1981, 9879/1983, 11.735/1988).
Der Beschwerdeführer ist auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
3. Dem Antrag, die Beschwerde gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war keine Folge zu geben:
Bei behaupteter Verletzung des Vereinsrechts umfasst die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes sowohl die materiellen als auch die formalen verfahrensrechtlichen Fragen. Jeder Verwaltungsbescheid, der die Behinderung des Rechts auf freie Bildung oder Umbildung von Vereinen bewirkt und den in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen nicht entspricht, ist nicht nur gesetzwidrig, sondern verletzt auch das durch Art12 StGG gewährleistete Recht. Es tritt in jedem solchen Fall die im Art144 Abs1 B-VG festgelegte Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit des Verfassungsgerichtshofes ein, die nach Art133 Z1 B-VG die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausschließt (vgl. zB VfSlg. 9879/1983, 11.735/1988).
4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Vereinsrecht, Vereinsauflösung, Verwaltungsgerichtshof Zuständigkeit, Verwaltungsverfahren, Wiederaufnahme, VfGH / Abtretung, VfGH / ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B1415.2003Dokumentnummer
JFT_09959776_03B01415_00