TE Vfgh Beschluss 2004/2/24 G290/02 ua

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Veröffentlicht am 24.02.2004
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66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ASVG §32a, §421, §441b, §441c, §441e, §442, §442a, §447a, §447b, §447c
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung der Anträge von Krankenversicherungsträgern auf Aufhebung zahlreicher Bestimmungen des ASVG mangels Darlegung der unmittelbaren und aktuellen Betroffenheit der Antragsteller; inhaltlicher, nicht verbesserungsfähiger Mangel

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit beim Verfassungsgerichtshof am 10. September 2002 eingegangenem Schriftsatz beantragt die Vorarlberger Gebietskrankenkasse - gestützt auf Art140 Abs1 B-VG -, im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000, der 58. Novelle zum ASVG bzw. der 60. Novelle zum ASVG folgende (im Antrag unter Hervorhebung der zur Aufhebung beantragten Teile wörtlich wiedergegebene) Bestimmungen als verfassungswidrig aufzuheben: §32a; §421 Abs7 letzter Satz;

§441b; §441c Abs1 zweiter Satz, Abs3 teilweise sowie Abs4; §441e Abs1-3; §442 Abs2 Z1, 1a und 6; §442a; §447a teilweise; §447b teilweise; §447c; §593 Abs1 Z1a teilweise, weiters Abs4-7;

schließlich §600 Abs1 Z1 und 3 jeweils teilweise, weiters Abs10, 11 und 13.

Zur Zulässigkeit dieses - hg. zu G290/02 protokollierten - Antrages ist Folgendes ausgeführt:

"Die Antragstellerin macht geltend, daß sie durch die angefochtenen Bestimmungen - im Hinblick auf deren Verfassungswidrigkeit - in ihren Rechten verletzt wird.

Aus dem Inhalt der bekämpften gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich, daß sie für die Antragstellerin unmittelbar, also ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden sind.

... Aus dem Wortlaut der bekämpften Gesetzesbestimmungen ergibt sich, daß die Antragstellerin - teils direkt bezeichnete, teils durch Nichtbenennung in den Organisationsbestimmungen der 58. Novelle implizit gemeinte - Normadressatin ist. Damit ist die Existenz der Rechtssphäre der Antragstellerin, in die die bekämpften Normen eingreifen, nachgewiesen. Sie ist daher anfechtungsberechtigt.

Ein anderer Weg der Rechtsverfolgung als dieser Antrag steht der Antragstellerin nicht zur Verfügung."

2. Ferner haben die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse sowie die Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaues Anträge auf Aufhebung zahlreicher Bestimmungen des ASVG (idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2000, der 58. sowie der 60. Novelle zum ASVG) gestellt.

Diese - hg. zu G349/02, G12/03 bzw. G21/03 protokollierten - Anträge entsprechen sowohl hinsichtlich des Umfangs der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen als auch hinsichtlich der Ausführungen zur Zulässigkeit des Antrages im Wesentlichen dem eingangs wiedergegebenen Antrag der Vorarlberger Gebietskrankenkasse.

3. Die Bundesregierung hat in den genannten Gesetzesprüfungsverfahren jeweils eine schriftliche Äußerung zum Gegenstand erstattet, worin sie beantragt, die Anträge als unzulässig zurück-, in eventu abzuweisen.

II. Die Anträge sind unzulässig:

1. Gemäß Art140 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen - auch - auf Antrag von Personen, die behaupten, unmittelbar durch eine Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung bzw. ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist sohin, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (zB VfSlg. 10.511/1985, 11.726/1988).

2.1. Die antragstellenden Träger der sozialen Krankenversicherung beantragen mit (im Wesentlichen) gleichlautenden Anträgen die Aufhebung zahlreicher verschiedener Bestimmungen des ASVG: Dazu gehören Vorschriften über den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (etwa solche über das Ruhen der Funktion des Versicherungsvertreters, die Bestellung des Verwaltungsrates des Hauptverbandes, die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung des Hauptverbandes, die Unvereinbarkeit bestimmter Funktionen, den Wirkungskreis der Hauptversammlung des Hauptverbandes sowie des Verwaltungsrates) ebenso wie solche über die Einbeziehung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in den Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger, über die Dotierung dieses Fonds und die Verwendung seiner Mittel, schließlich über die Verpflichtung zur Gewährung eines Darlehens an diesen Fonds.

2.2. Die Anträge legen in keiner Weise dar, inwiefern die einzelnen angefochtenen Bestimmungen jeweils in die Rechtssphäre der antragstellenden Parteien eingreifen. Angesichts der Verschiedenheit und Zahl der - jeweils auf elf Seiten wiedergegebenen - angefochtenen Bestimmungen ist die bloße Behauptung, "aus dem Inhalt der bekämpften" Bestimmungen ergebe sich, dass diese für die antragstellenden Träger der sozialen Krankenversicherung unmittelbar wirksam geworden seien, nicht geeignet, die unmittelbare und aktuelle Betroffenheit, die für jede Bestimmung einzeln geprüft werden müsste, ausreichend darzutun. Die Anträge leiden somit an einem inhaltlichen, einer Verbesserung nicht zugänglichen Mangel und waren daher schon aus diesem Grund - zur Gänze - zurückzuweisen (vgl. insbesondere VfSlg. 15.224/1998 mwN).

3. Dies konnte ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs3 Z2 lite VfGG).

Schlagworte

Sozialversicherung, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:G290.2002

Dokumentnummer

JFT_09959776_02G00290_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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