TE Vfgh Erkenntnis 2004/2/27 B34/02 ua

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Veröffentlicht am 27.02.2004
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit € 2.322,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführende Partei ist eine Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft mit Sitz in Wien, die den Bestimmungen der Gewerbeordnung unterliegt. Die Genossenschaftsmitglieder sind Elektrofachhändler und Unternehmer aus dem Bereich des Elektrohandwerkes.

Im Rahmen einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Betriebsprüfung betreffend die Veranlagungsjahre 1985 bis 1987 wurde (u.a.) festgestellt, dass die Beschwerdeführerin in den streitgegenständlichen Jahren für von der Wiener Messe AG auf dem Messegelände in Wien vermietete Kojen Elektroinstallationsarbeiten durchgeführt hatte. Für diese Arbeiten waren der Beschwerdeführerin von ihren Genossenschaftern - zu einem fixen Stundensatz - Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt worden. Darüber hinaus erhielten die herangezogenen Genossenschafter am Jahresende einen als "Montagenachzahlung" bzw. "Stundensatzregulierung" bezeichneten Betrag.

Die Betriebsprüfung beurteilte eine derartige Vorgangsweise, wonach ein vereinbarter Preis nachträglich durch den Leistungsempfänger erhöht wird, sich dieser somit selbst belastet, als - unter den Gesichtspunkten eines Fremdvergleiches - unüblich und vertrat daher die Auffassung, dass die in den Jahresabschlüssen der Jahre 1985 bis 1987 für die Montagenachzahlungen als Betriebsausgaben ausgewiesenen Aufwendungen als verdeckte Gewinnausschüttungen zu qualifizieren und dem handelsrechtlichen Gewinn außerbilanzmäßig hinzuzurechnen seien.

Das zuständige Finanzamt erließ daraufhin - den Feststellungen der Betriebsprüfung folgend - für die Jahre 1985 bis 1987 entsprechende Bescheide betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie Haftungsbescheide für Kapitalertragsteuer.

2. Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wurden die gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen als unbegründet abgewiesen.

3. Dagegen richten sich die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, in denen die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der bekämpften Bescheide begehrt wird.

4. Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Beschwerdeausführungen entgegentritt und die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Beschwerden beantragt.

II. 1. Der Verfassungsgerichtshof fasste aus Anlass dieser Beschwerden am 11. Oktober 2003 den Beschluss, gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §11 Abs8 Körperschaftsteuergesetz 1966, BGBl. 156, idF des Abgabenänderungsgesetzes 1974, BGBl. 1975/17 (im Folgenden: KStG 1966), einzuleiten.

2. Mit Erkenntnis vom 27. Februar 2004, G219,220/03, wurde §11 Abs8 KStG 1966 idF des AbgabenänderungsG 1974 als verfassungswidrig aufgehoben. Die belangte Behörde hat somit bei Erlassung der angefochtenen Bescheide eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war.

Die beschwerdeführende Partei wurde durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (vgl. zB VfSlg. 15.769/2000).

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,-- sowie Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 360,-- enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B34.2002

Dokumentnummer

JFT_09959773_02B00034_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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