TE Vfgh Beschluss 2004/2/28 V58/02 ua, G321/02

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.02.2004
beobachten
merken

Index

58 Berg- und Energierecht
58/02 Energierecht

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ElWOG §21
ElWOG §69 idF BGBl I 121/2000
Energie-RegulierungsbehördenG §16
Verordnung des BMwA über die Aufbringung und Gewährung von Beihilfen zur Abdeckung von Erlösminderungen, die infolge der Marktöffnung entstanden sind und im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb des Kraftwerkes Voitsberg 3 stehen, BGBl II 354/2001 - Stranded Costs-VO II

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge von Endverbrauchern auf teilweise Aufhebung einer Stranded Costs - Verordnung und des ElWOG infolge Zumutbarkeit eines zivilgerichtlichen Verfahrens nach Entscheidung der Energie-Control Kommission als Streitschlichtungsstelle zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit erließ auf Grund des §69 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz - ElWOG, BGBl. I Nr. 143/1998 idF BGBl. I Nr. 121/2000 im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates mit 1. Oktober 2001 eine Verordnung "über die Aufbringung und Gewährung von Beihilfen zur Abdeckung von Erlösminderungen, die infolge der Marktöffnung entstanden sind und im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb des Kraftwerkes Voitsberg 3 stehen", BGBl. II Nr. 354/2001, (in der Folge: Stranded Costs-VO II). Zur Aufbringung der zur Gewährung der Beihilfen erforderlichen Mittel hat der jeweilige Netzbetreiber die in der Anlage zu §6 festgesetzten Beiträge vom Endverbraucher einzuheben. Diese Beiträge haben die Netzbetreiber vierteljährlich an die Energie-Control GmbH abzuführen, welche die abgeführten Beiträge den begünstigten Unternehmen (§2 der Verordnung) zuteilt. Die Beiträge gemäß §6 sind beginnend mit 1. Oktober 2001 einzuheben (§7 der Verordnung). Die antragstellenden Gesellschaften zu V58/02, V87/02, V66/02, G321/02 sind Endverbraucher, die Beiträge gemäß der Anlage zu §6 zu leisten haben. Die antragstellenden Gesellschaften zu V87/02, V66/02, G321/02 sind in Z1 und 2 der Anlage angeführte Endverbraucher, die Beiträge in Form von jährlichen Fixbeträgen zu leisten haben. Bei den antragstellenden Gesellschaften zu V58/02 handelt es sich um unter Z5, 6 und 7 der Anlage zu §6 fallende Endverbraucher, für die die Beiträge nach einem Satz pro verbrauchter kWh berechnet werden.

2.1. Die antragstellenden Gesellschaften zu V58/02 begehren gemäß Art139 B-VG,

"in §6 Abs1 die Wortfolgen 'in der Anlage festgesetzten' und 'vom Endverbraucher' sowie Z5 der Anlage zu §6 zur Gänze hinsichtlich der erst- bis viertantragstellenden Parteien, Z6 der Anlage zu §6 zur Gänze hinsichtlich der fünft- bis achtantragstellenden Parteien sowie Z7 der Anlage zu §6 zur Gänze hinsichtlich der neuntantragstellenden Partei; der Stranded Costs-VO II, BGBl I Nr. 354/2001, als gesetzwidrig aufzuheben".

Sie stellen weiters Eventualbegehren, Teile der §§6 - 8 und der Anlage zu §6 der Stranded Costs-VO II aufzuheben.

2.2. Die antragstellende Gesellschaft zu V66/02, G321/02 begehrt gemäß Art139 und 140 B-VG,

"Z 1 der Anlage gemäß §6 und §6 der Verordnung BGBl II Nr 354/2001 als gesetzwidrig aufzuheben,

in eventu Z1 der Anlage gemäß §6 und §6 Abs1 der Verordnung BGBl II Nr 354/2001 als gesetzwidrig aufzuheben,

in eventu Z1 der Anlage gemäß §6 der Verordnung BGBl II Nr 354/2001 als gesetzwidrig aufzuheben,

in eventu die gesamte Verordnung BGBl II Nr 354/2001 als gesetzwidrig aufzuheben,

in eventu §69 Abs2 Z1 und §69 Abs3 erster Satz des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes, ElWOG, BGBl I Nr 143/1998 idF BGBl I Nr 121/2000 als verfassungswidrig aufzuheben."

2.3. Die antragstellende Gesellschaft zu V87/02 begehrt gemäß Art139 B-VG,

"in §6 Abs1 die Wortfolgen 'in der Anlage festgesetzten' und 'vom Endverbraucher' sowie Z2 der Anlage zu §6 zur Gänze der Stranded Costs-VO II, BGBl I Nr. 354/2001, als gesetzwidrig aufzuheben".

Sie stellt weiters Eventualbegehren, Teile der §§6 - 8 und der Anlage zu §6 der Stranded Costs-VO II aufzuheben.

3.1. Zur Begründung ihrer Antragslegitimation führen die antragstellenden Gesellschaften in den Verfahren V58/02, V87/02 übereinstimmend aus:

Die antragstellenden Gesellschaften seien gemäß §69 ElWOG iVm §6 Abs1 Stranded Costs-VO II als Endverbraucher zur Zahlung tarifmäßig festgesetzter Beiträge rechtlich verpflichtet. Der Rechtseingriff sei auch unmittelbar und aktuell, da die Pflicht seit 1. Oktober 2001 bestehe und es keiner weiteren Konkretisierung durch Bescheid oder Urteil bedürfe. Es stehe auch kein zumutbarer Weg zur Verfügung, die Bedenken gegen die Stranded Costs-VO II an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Im Falle der Weigerung der Zahlung würde der Netzbetreiber die Beiträge möglicherweise im Zivilrechtsweg einklagen. Die Beklagtenrolle sei den Antragstellern aber nicht zumutbar, da sie die Prozessführung nicht in der Hand hätten; auch müssten sie nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln und branchenüblichen Vertragsbedingungen damit rechnen, dass sie vom Strombezug ausgeschlossen würden. Ein rechtswidriges Verhalten zu setzen, wäre den antragstellenden Gesellschaften auch nicht zumutbar.

3.2. Im Verfahren V58/02 führen die antragstellenden Gesellschaften zu §6 Abs2 Stranded Costs-VO II aus, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, über Antrag einen von der Anlage abweichenden Beitrag durch die Energie-Control GmbH bescheidmäßig bestimmen zu lassen, den antragstellenden Gesellschaften nicht offen stehe. Sämtliche antragstellende Gesellschaften erfüllten die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung nicht. Sie hätten ihren Bedarf an elektrischer Energie im Jahr 1997 weder zur Gänze noch teilweise aus einer Eigenanlage gedeckt. Auch sei ihre Versorgung im Jahr 1997 zur Gänze durch den jeweiligen Netzbetreiber erfolgt. Die Anwendung des zweiten Falls des §6 Abs2 setze eine Direktleitung voraus. Keine der antragstellenden Gesellschaften sei über eine Direktleitung versorgt worden. In einem Bescheid gemäß §6 Abs2 Stranded Costs-VO II wäre die Anlage zu §6 auch gar nicht präjudiziell.

3.3. Im Verfahren V87/02 führt die antragstellende Gesellschaft zu dem in §6 Abs2 der Verordnung vorgesehenen Verfahren zur Bescheiderlassung aus, dass dieses selbst verfassungs- und gesetzwidrig und der Weg daher nicht zumutbar sei. §69 ElWOG enthalte keine ausreichenden Determinanten für die Festlegung von Beiträgen gemäß §6 Abs2 Stranded Costs-VO II.

3.4. Zur Begründung ihrer Antragslegitimation führt die antragstellende Gesellschaft in dem Verfahren V66/02, G321/02 aus:

Die Z1 der Anlage zu §6 der angefochtenen Verordnung greife unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft ein, indem sie den an das Netz der Verbund-APG angeschlossenen Endverbraucher ÖBB zu einem jährlichen Beitrag von € 847.551,0 (ATS 12.034.085,0) verpflichte. Es stehe auch kein zumutbarer Weg zur Verfügung, die Bedenken gegen die Stranded Costs-VO II an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Die Provokation eines Gerichtsverfahrens sei kein zumutbarer Weg. Die Beitragsleistungen, wie sie in der Stranded Costs-VO II vorgesehen seien, stellten zivilrechtliche Verpflichtungen und keine hoheitlichen Leistungen dar. Dies schon deshalb, da die Netzbetreiber, die sie einzuheben hätten, nicht die verfassungsrechtlichen Anforderungen von "Beliehenen" erfüllten. Die antragstellende Gesellschaft verweist auf das Erkenntnis VfSlg. 13.880/1994, in welchem der Verfassungsgerichtshof die Anfechtung eines Mantelkollektivvertrags und der Lohn- und Gehaltstabellen für das graphische Gewerbe angesichts "der arbeitsrechtlichen Folgen einer auch nur teilweise (rechtswidrigen) Nichtleistung des Entgelts, der Ungewissheit der Anspruchsverfolgung durch die betroffenen Arbeitnehmer und der fraglichen Wirkung einer Zahlung unter Vorbehalt der Rückforderung (der sich Arbeitnehmer nicht ohne weiters fügen müssen)", durch Individualantrag für zulässig erachtet habe. Ebenso habe der Verfassungsgerichtshof den Individualantrag einer Fluggesellschaft gegen eine Verordnung für zulässig erachtet, in der zivilrechtliche Entgeltsansprüche von Flugplatzhaltern geregelt wurden (VfSlg. 13.659/1993), da sie ein verbotenes Handeln setzen müsste, um eine Klage zu provozieren. Der in Bescheidform umzusetzende Anpassungsmechanismus des §6 Abs2 und 3 der Verordnung gelte nicht für die ersten vier in der Anlage geregelten "fixen" Beitragsverpflichtungen. Ein trotz fixer Beitragsverpflichtung zu beantragender Feststellungsbescheid würde zu einer Zurückweisung des Antrags durch die Behörde führen. Auch sei dieser Weg nicht zumutbar, da ein Feststellungsbescheid dann kein zumutbarer Weg sei, wenn der einzige Zweck des Feststellungsverfahrens darin bestünde, damit ein Mittel zu gewinnen, um die gegen eine Norm bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Aus diesem Grund seien daher auch die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Individualantrages zur Bekämpfung der gesetzlichen Grundlagen für die Beitragsfestsetzung in §69 Abs2 Z1 und im ersten Satz des §69 Abs3 ElWOG gegeben.

4. In den Verfahren V58/02 und V66/02, G321/02 erstattete der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit je eine Äußerung, in der er beantragt, die Anträge zurück- in eventu abzuweisen. Er bringt zur Antragslegitimation vor, dass die in der Stranded Costs-VO II enthaltenen Ansätze für die von den Endverbrauchern einzuhebenden Beiträge lediglich ein Tatbestandselement darstellten, durch das kein aktueller Eingriff bewirkt werde. Der aktuelle, konkrete Eingriff werde erst durch die Vorschreibung des Netzbetreibers bzw. die Feststellung der Rechtmäßigkeit dieser Vorschreibung durch die ordentlichen Gerichte bewirkt. Die von den Netzbetreibern eingehobenen Entgelte seien auf den Rechnungen Oktober 2001 bis Mai 2002 auch gesondert ausgewiesen worden.

Den antragstellenden Gesellschaften sei es überdies zumutbar, den Zivilrechtsweg durch Bestreitung des Beitrags zu beschreiten. Dazu komme, dass §6 Abs2 der Verordnung ein Verfahren vorsehe, in dem von der Anlage der Verordnung abweichende Beitragssätze beantragt werden können. Ob die Voraussetzungen für die Bestimmung eines abweichenden Beitragssatzes vorliegen, müsste in dem Verfahren geklärt werden. Falls die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, könnten die antragstellenden Gesellschaften den Bescheid mit einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bekämpfen.

5. Die Bundesregierung erstattete im Verfahren V66/02, G321/02 eine Äußerung, in der sie beantragt, den Antrag auf Aufhebung des §69 Abs2 Z1 und des §69 Abs3 erster Satz des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes ElWOG, BGBl. I Nr. 121/2000, als unzulässig zurückzuweisen. Zur Antragslegitimation bringt sie vor, dass die antragstellende Gesellschaft in keiner Weise dargelegt habe, warum sie durch die Bestimmungen des ElWOG selbst unmittelbar betroffen sei. Auch sei der Anfechtungsumfang hinsichtlich des §69 ElWOG zu eng gewählt.

6.1. Die antragstellenden Gesellschaften zu V58/02 erstatteten eine Replik.

6.2. Die antragstellende Gesellschaft zu V66/02, G321/02 erstattete eine Gegenäußerung und einen Erweiterungsantrag hinsichtlich eines weiteren Eventualbegehrens,

"in eventu gemäß Art140 B-VG §69 Abs1 bis 8 des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes ElWOG, BGBl I Nr 143/1998 idF BGBl I Nr 121/2000 wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben."

Sie führen ua. aus, dass die Bekämpfung der Verordnungsermächtigung zulässig sei, da sie mit der aufzuhebenden Verordnung in einem untrennbaren Zusammenhang stehe (vgl. VfSlg. 15.316/1998).

7.1. Die angefochtenen Bestimmungen der "Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Aufbringung und Gewährung von Beihilfen zur Abdeckung von Erlösminderungen, die infolge der Marktöffnung entstanden sind und im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb des Kraftwerkes Voitsberg 3 stehen", BGBl. II Nr. 354/2001 lauten:

"Aufbringung der Mittel

§6. (1) Zur Aufbringung der zur Gewährung von Beihilfen zur Abdeckung von Erlösminderungen gemäß §1 Abs1 sind bis zum Ablauf des 30. Juni 2006 die in der Anlage festgesetzten Beiträge durch den Netzbetreiber vom Endverbraucher einzuheben.

(2) Für Endverbraucher, die im Jahre 1997 ihren Bedarf an elektrischer Energie zur Gänze oder teilweise aus einer Eigenanlage gedeckt haben oder deren Versorgung im Jahre 1997 zur Gänze oder teilweise nicht durch das Versorgungsunternehmen erfolgte, an deren Netz der Endverbraucher angeschlossen ist, ist über Antrag ein von der Anlage abweichender Beitrag durch die Elektrizitäts-Control GmbH bescheidmäßig zu bestimmen.

(3) Bei der Berechnung individueller Beiträge für Endverbraucher gemäß Abs2 ist Berechnungsgrundlage der rechnerisch ermittelte Bezug von der Verbundgesellschaft im Jahre 1997, der wie folgt ermittelt wird: Beginnend mit dem Bezug von Verteilernetzbetreibern im Sinne von §44 Abs2 erster Satz ElWOG wird der rechnerisch ermittelte Verbundstrombezug von Kunden als Produkt der vom jeweils vorgelagerten Verteilerunternehmen bezogenen Mengen an elektrischer Energie (kWh) und dem Faktor, der sich als Quotient des Verbundstrombezuges des jeweils vorgelagerten Verteilerunternehmens bezogen auf die Summe aus diesem Verbundstrombezug, der jeweiligen Eigenerzeugung und sonstigen Bezügen des vorgelagerten Verteilerunternehmens ergibt, gebildet. Die Berechnungsgrundlage reduziert sich entsprechend der Verringerung des Fremdstrombezuges.

Einhebung der Beiträge

§7. (1) Die Beiträge gemäß §6 sind beginnend mit 1. Oktober 2001 einzuheben.

(2) Die Netzbetreiber haben vierteljährlich, beginnend mit 1. Jänner 2002, die ihrer Gesamtabgabe an die Endverbraucher entsprechenden Beiträge an die Elektrizitäts-Control GmbH abzuführen. Die Elektrizitäts-Control GmbH kann die Beiträge dem Netzbetreiber auf Antrag oder von Amts wegen mit Bescheid vorschreiben.

(3) Die der Elektrizitäts-Control GmbH abgeführten Beiträge sind den begünstigten Unternehmen vierteljährlich, beginnend mit 1. Februar 2002, im Sinne des §4 Abs2 zuzuteilen.

Ausweis von Beiträgen auf Rechnungen für elektrische Energie

§8. Die Netzbetreiber haben die Beiträge gemäß §6, die Endverbrauchern verrechnet werden, auf den Rechnungen oder Teilrechnungen für die Netznutzung gesondert auszuweisen.

        [...]

                                        Anlage

                                        zu §6

Beiträge gemäß §6

1. Beitrag pro Jahr gemäß §6 für direkt an das Netz der VERBUND-APG angeschlossene Endverbraucher ÖBB 847 551,0 €

(12 034 085,0 S)

2. Beitrag pro Jahr gemäß §6 für direkt an das Netz der VERBUND-APG angeschlossene Endverbraucher Austria Metall AG 129 669,7 € (1 784 293,9 S)

3. Beitrag pro Jahr gemäß §6 für direkt an das Netz der VERBUND-APG angeschlossene Endverbraucher VOEST Alpine Montan 201 698,1 € (2 775 426,4 S)

4. Beitrag pro Jahr gemäß §6 für direkt an das Netz der VERBUND-APG angeschlossene Endverbraucher Chemie Linz AG 513 388,0 €

(7 064 373,4 S)

5. Beitrag gemäß §6 für direkt an das Netz der Burgenländischen Elektrizitätswirtschafts Aktiengesellschaft (BEWAG) angeschlossene Endverbraucher: 0,000922 €/kWh (0,012685 S/kWh)

6. Beitrag gemäß §6 für direkt an das Netz der Elektro Güssing GmbH, Güssing angeschlossene Endverbraucher: 0,000920 €/kWh (0,012660 S/kWh)

7. Beitrag gemäß §6 für direkt an das Netz der Jennersdorfer Kraftverteilungsanlagen GesmbH, Jennersdorf, angeschlossene Endverbraucher: 0,000906 €/kWh (0,012470 S/kWh)

[...]"

7.2. §69 Abs1 bis 3 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz - ElWOG, BGBl. I Nr. 143/1998 idF BGBl. I Nr. 121/2000, lautet:

"Übergangsregelung für auferlegte Verpflichtungen und erteilte

Betriebsgarantien

§69. (unmittelbar anwendbares Bundesrecht) (1) Wurden nicht rentable Investitionen und Rechtsgeschäfte eines Elektrizitätsunternehmens oder eines mit diesem im Sinne des §228 Abs3 HGB verbundenen Unternehmens durch die Europäische Kommission gemäß Artikel 88 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-V) anerkannt, ist der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ermächtigt, durch Verordnung zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß zugelassene Kunden Beiträge für die Aufbringung der Mittel zu leisten haben, die für die Gewährung von Betriebsbeihilfen für Elektrizitätsunternehmen erforderlich sind, deren Lebensfähigkeit auf Grund von Erlösminderungen infolge von Investitionen oder Rechtsgeschäften, die durch die Marktöffnung unrentabel geworden sind, gefährdet ist. In dieser Verordnung sind weiters die Voraussetzungen zu bestimmen, unter denen diesen Unternehmen Betriebsbeihilfen zu gewähren sind. Die Erlassung dieser Verordnung bedarf des Einvernehmens des Hauptausschusses des Nationalrates. Vor Erlassung der Verordnung sind der Elektrizitätsbeirat (§26 des Bundesgesetzes über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission), dem in diesem Fall neben dem Vorsitzenden nur gemäß §26 Abs3 Z1, 2 und 4 des Bundesgesetzes über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission ernannte Mitglieder anzugehören haben, sowie der Verband der Elektrizitätsunternehmen Österreichs zu hören.

(2) Die Verordnung gemäß Abs1 hat insbesondere zu enthalten:

1. Art und Ausmaß der von zugelassenen Kunden zu leistenden Beiträge;

2. die Voraussetzungen, unter denen ein Ausgleich für Erlösminderungen für Investitionen und Rechtsgeschäfte, die durch die Marktöffnung unrentabel geworden sind, zu gewähren ist;

3. die bilanzielle Behandlung von Betriebsbeihilfen.

(3) Die Beiträge gemäß Abs2 Z1 sind so zu bemessen, dass durch die zu entrichtenden Beiträge jene zu erwartenden Erlösminderungen von Elektrizitätsunternehmen gedeckt werden, für die Betriebsbeihilfen gewährt werden. Bei der Festlegung der gemäß Abs2 Z2 zu bestimmenden Voraussetzungen ist darauf Bedacht zu nehmen, dass Betriebsbeihilfen nur in jenem Ausmaß gewährt werden, als dies für die Sicherung der Lebensfähigkeit des begünstigten Unternehmens unbedingt erforderlich ist und aus den durch die Marktöffnung resultierenden Preisdifferenzen begründet ist. Die Möglichkeit eines konzerninternen Vermögensausgleichs ist auszuschöpfen.

[...]"

II. Die (in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen) Anträge sind unzulässig.

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung bzw. das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit bzw. dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung bzw. das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung bzw. das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit bzw. seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung bzw. das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung bzw. das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (vgl. VfSlg. 11.726/1988, 13.944/1994).

Bei Beurteilung der Antragslegitimation ist zu untersuchen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Rechtswirkungen vorliegen (VfSlg. 8060/1977, 8587/1979, 10.593/1985, 11.453/1987).

2. Der Verfassungsgerichtshof muss nicht näher untersuchen, ob die angefochtenen Rechtsvorschriften unmittelbar in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaften als Endverbraucher eingreifen oder ob ein Bescheid gemäß §6 Abs2 Stranded Costs-VO II zu erwirken wäre, um einen von der Anlage abweichenden Beitrag durch die Energie Control GmbH bestimmen zu lassen, weil - wie die folgenden Ausführungen zeigen - den antragstellenden Gesellschaften ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung steht, die Bedenken gegen die angefochtenen Rechtsvorschriften an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Das Energieliberalisierungsgesetz, BGBl. I Nr. 121/2000, schuf folgende Regelungen über ein "Streitbeilegungsverfahren":

§21 ElWOG, der gemäß §66a Abs2 ElWOG in dieser Fassung am 1. Oktober 2001 in Kraft trat, lautet:

"Streitbeilegungsverfahren

§21. (unmittelbar anwendbares Bundesrecht) (1) In Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Netzzuganges entscheidet - sofern keine Zuständigkeit des Kartellgerichtes (§43 Kartellgesetz 1988, BGBl. Nr. 600) vorliegt - die Elektrizitäts-Control Kommission.

(2) In allen übrigen Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen, insbesondere die anzuwendenden Bedingungen und Systemnutzungstarife, entscheiden die Gerichte. Eine Klage kann erst nach Zustellung des Bescheides der Elektrizitäts-Control Kommission im Streitschlichtungsverfahren gemäß Artikel 8 §7 Abs2 [Redaktionsversehen; gemeint §16 Abs1 Z5 BG Regulierungsbehörden] oder nach Verstreichen der im Artikel 8 §7 Abs3 [Redaktionsversehen, gemeint §16 Abs3 BG Regulierungsbehörden] vorgesehenen Frist eingebracht werden.

(3) Unbeschadet der Bestimmung des Abs2 kann eine Klage wegen Ansprüchen, die sich auf eine Verweigerung des Netzzuganges gründen, erst nach Rechtskraft der Entscheidung der Regulierungsbehörde über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Netzzuganges eingebracht werden; bildet eine solche Entscheidung eine Vorfrage für das gerichtliche Verfahren, so ist dieses bis zur Rechtskraft der Entscheidung der Regulierungsbehörde zu unterbrechen."

§16 Bundesgesetz über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission, BGBl. I Nr. 121/2000 (in der Folge: BG Regulierungsbehörden), lautete:

"Aufgaben der Elektrizitäts-Control Kommission

§16. (1) (Verfassungsbestimmung) Der Elektrizitäts-Control Kommission sind folgende Aufgaben zugewiesen:

1. [...]

5. die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Marktteilnehmern (§21 ElWOG);

6. [...]

(3) Die Elektrizitäts-Control Kommission hat in den Fällen des Abs1 [...] bescheidmäßig zu entscheiden. Die Partei, die sich mit Entscheidungen gemäß Abs1 Z [...] 5 [...] nicht zufrieden gibt, kann die Sache innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides bei Gericht anhängig machen. Durch die Anrufung des Gerichts tritt die Entscheidung der Elektrizitäts-Control Kommission außer Kraft. Sie tritt jedoch wieder in Kraft, wenn der Antrag auf Entscheidung des Gerichts zurückgezogen wird. Die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen den Ablauf der Anrufungsfrist obliegt dem Gericht; der Wiedereinsetzungsantrag ist unmittelbar bei Gericht einzubringen.

[...]"

Das "Energieliberalisierungsgesetz" schuf also mit der Elektrizitäts-Control Kommission eine Schlichtungsstelle und erleichterte bzw. erweiterte im Ergebnis den Zugang zu den Gerichten:

"In allen übrigen Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen" besteht für die antragstellenden Gesellschaften zunächst die Möglichkeit, ein Streitbeilegungsverfahren zu beantragen, und sodann - sollte die Streitschlichtungsstelle sie mit Bescheid zur Leistung verpflichtet haben - die Sache bei Gericht anhängig zu machen. Eine derartige Streitigkeit kann auch die Zahlung von Beiträgen des Endverbrauchers an den Netzbetreiber betreffen (vgl. zum Streitbeilegungsverfahren gemäß §21 ElWOG, VfGH vom 26. Juni 2003, G168-170/01, V51/01 ua.).

Durch BGBl. I Nr. 148/2002 wurden die zitierten Bestimmungen des BG Regulierungsbehörden mit Wirkung vom 24. August 2002 dahingehend geändert, dass die Bezeichnung "Elektrizitäts-Control Kommission" durch "Energie-Control Kommission" ersetzt wurde. Der Titel des Gesetzes wurde in "Bundesgesetz über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitäts- und Erdgasbereich und die Errichtung der Energie-Control GmbH und der Energie-Control Kommission (Energie-Regulierungsbehördengesetz - E-RBG)" abgeändert.

Wenn wie im vorliegenden Fall die in den Z1, 2, 5, 6, 7 der Anlage zu §6 der Verordnung genannten und mit den antragstellenden Gesellschaften in einem Vertragsverhältnis stehenden Netzbetreiber VERBUND-APG, BEWAG, Elektro Güssing GmbH, Jennersdorfer Kraftverteilungsanlagen GesmbH gemäß §6 Abs1 der Verordnung die in der Anlage festgesetzten Beiträge von den antragstellenden Gesellschaften einheben und ihnen somit auch in Rechnung stellen, die antragstellenden Gesellschaften die Bezahlung verweigern, so handelt es sich um "Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen".

Die Tatsache, dass die Beiträge gemäß Z1 und 2 der Anlage ziffernmäßig festgelegt sind und dass sich die Beiträge gemäß Z5-7 der Anlage erst durch die Multiplikation eines Betrages mit verbrauchten kWh ergeben, steht der Beurteilung der Zahlungsverpflichtung als einer dem Verhältnis zwischen Netzbetreiber und Netzzugangsberechtigten entspringenden Verpflichtung nicht entgegen.

Gemäß §16 Abs1 Z5 E-RBG iVm §21 Abs2 ElWOG obliegt der Energie-Control Kommission die Schlichtung einer solchen Streitigkeit zwischen Marktteilnehmern. Auch die antragstellenden Gesellschaften - als diejenigen, denen die "Beiträge" in Rechnung gestellt wurden - können die Energie-Control Kommission anrufen (vgl. VfSlg. 14.355/1995 zur vergleichbaren Rechtslage betreffend mietrechtliche Streitigkeiten). Nach der Entscheidung der Energie-Control Kommission steht es auch den antragstellenden Gesellschaften (arg. "die Partei") frei, sich mit der Entscheidung "nicht zufrieden zu geben" und "die Sache" innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides bei Gericht anhängig zu machen (vgl. §16 Abs3 E-RBG). Das gilt im Übrigen auch für den Fall, dass die Energie-Control Kommission den Antrag auf Streitschlichtung mangels Zuständigkeit zurückweist (vgl. VfGH vom 1. Oktober 2002, B633,703/02). Die Gerichte sind gemäß Art89 Abs2 B-VG zur Stellung von Anträgen gemäß Art139 bzw. 140 B-VG an den Verfassungsgerichtshof verpflichtet, wenn sie Bedenken gegen die anzuwendenden Rechtsvorschriften haben.

Die antragstellenden Gesellschaften können nunmehr somit ein zivilgerichtliches Verfahren nicht nur dadurch bewirken, dass sie die Bezahlung der ihnen in Rechnung gestellten Beiträge verweigern und dadurch eine Klage provozieren; sie haben nicht mehr bloß die Möglichkeit, "ein zivilgerichtliches Verfahren dadurch zu provozieren, dass sie sich rechtswidrig verhalten", was der Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 16.042/2000) als unzumutbar qualifiziert hat. Die antragstellenden Gesellschaften können nach nunmehriger Rechtslage vielmehr auch durch die Anrufung zuerst der Energie-Control Kommission bzw. nach deren Entscheidung der Gerichte - im Gegensatz zur Beklagtenrolle in einem Zivilprozess - einen Rechtsmittelweg aktiv in Anspruch nehmen, dessen Fortgang die antragstellenden Gesellschaften bis zum entscheidenden Stadium in der Hand haben. Es steht also den antragstellenden Gesellschaften ein zumutbarer Weg zur Verfügung, die Bedenken gegen die im Verfahren anzuwendenden Rechtsvorschriften an den Verfassungsgerichthof heranzutragen, weshalb die Individualanträge mangels Legitimation unzulässig sind (vgl. VfSlg. 14.355/1995, VfGH vom 26. Juni 2003, G168/01 ua., V51/01 ua.).

Die antragstellenden Gesellschaften zu V58/02 und V87/02 behaupten, dass sie im Fall einer Verweigerung der Bezahlung der ihnen in Rechnung gestellten Beträge damit rechnen müssten, vom Strombezug ausgeschlossen zu werden. Sie legen aber in keiner Weise dar, warum ihnen eine - vorläufige - Zahlung der Beiträge nicht zumutbar wäre.

Die Anträge waren daher schon aus diesen Gründen zurückzuweisen.

3. Dieser Beschluss konnte in nichtöffentlicher Sitzung gemäß §19 Abs3 Z2 lite erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefasst werden.

Schlagworte

Energierecht, Elektrizitätswesen, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, Kompetenz sukzessive, Gerichtsbarkeit Trennung von der Verwaltung, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:V58.2002

Dokumentnummer

JFT_09959772_02V00058_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten