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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Die beschwerdeführenden Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit jeweils EUR 1962,-- bestimmten Prozesskosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die beschwerdeführenden Parteien waren auf Grund ihrer Tätigkeit als Architekten bis 31. Dezember 2000 als "freiberuflich tätige bildende Künstler" (§3 Abs3 Z4 GSVG) in der Pensionsversicherung nach dem GSVG pflichtversichert.
Mit - an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft gerichtetem - Schreiben vom 24. April 2002 begehrten sie die Feststellung, dass sie "gemäß dem gewerblichen Sozialversicherungsgesetz rückwirkend mit 1.1.2001 fortlaufend der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung" unterliegen.
2. Die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden richten sich gegen im Instanzenzug ergangene Bescheide des damals zuständigen Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen, mit denen diese Anträge jeweils abgewiesen worden sind, weil Architekten auf Grund des §5 GSVG sowie des dem Antrag der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten auf Ausnahme ihrer Mitglieder von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung stattgebenden "Bescheides" der damaligen Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 28. Oktober 1999, GZ 21.130/35-2/99, seit 1. Jänner 2001 von der Pflichtversicherung nach dem GSVG ausgenommen seien.
Die Beschwerden behaupten die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§5 GSVG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 86/1999) und beantragen die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide, in eventu die Abtretung der Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof.
3. Die belangte Behörde hat jeweils die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch keine Gegenschrift erstattet.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:
1. Mit Erkenntnis vom 25. Februar 2004, V121/03, hat der Verfassungsgerichtshof den - von ihm als Verordnung qualifizierten - "Bescheid" der damaligen Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 28. Oktober 1999, GZ 21.130/35-2/99, mangels der vorgeschriebenen Kundmachung im Bundesgesetzblatt II zur Gänze als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Gemäß Art139 Abs6 zweiter Satz B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die für gesetzwidrig erkannte Norm bereits zu dem Zeitpunkt, in dem sich der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Lebenssachverhalt verwirklicht hat, nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art139 Abs6 zweiter Satz B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, stehen jene Beschwerden gleich, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren bzw. bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (zB VfSlg. 11.818/1988).
Die nichtöffentliche Beratung in dem zu V121/03 geführten Verordnungsprüfungsverfahren fand am 25. Februar 2004 statt. Die vorliegenden Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof vor diesem Tag eingelangt, waren also bei Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig. Die ihnen zugrunde liegenden Fälle sind daher einem Anlassfall des zu V121/03 geführten Verfahrens gleichzuhalten.
3. Die Behörde hat somit bei Erlassung der angefochtenen Bescheide eine als gesetzwidrig erkannte Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass die Anwendung dieser Verordnung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Parteien nachteilig war.
Die beschwerdeführenden Parteien wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.879/1986).
Die Bescheide waren daher aufzuheben.
4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist jeweils Umsatzsteuer in Höhe von EUR 327,-- enthalten. Ein Ersatz der entrichteten Eingabengebühr war wegen der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit des Verfahrens (§46 Abs1 Z2 lita GSVG) nicht zuzusprechen.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B878.2003Dokumentnummer
JFT_09959697_03B00878_00