TE Vfgh Erkenntnis 2004/3/3 B876/03

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Veröffentlicht am 03.03.2004
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Index

66 Sozialversicherung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit EUR 1962,-- bestimmten Prozesskosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer war auf Grund seiner Tätigkeit als Architekt bis 31. Dezember 2000 als "freiberuflich tätiger bildender Künstler" (§3 Abs3 Z4 GSVG) in der Pensionsversicherung nach dem GSVG pflichtversichert.

Mit - an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Wien, gerichtetem - Schreiben vom 24. April 2002 begehrte er die Feststellung, dass er "gemäß dem gewerblichen Sozialversicherungsgesetz rückwirkend mit 1.1.2001 fortlaufend der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt".

2. Die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde richtet sich gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid des damals zuständigen Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 19. Mai 2003, mit dem dieser Antrag abgewiesen worden ist, weil Architekten auf Grund des §5 GSVG sowie des dem Antrag der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten auf Ausnahme ihrer Mitglieder von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung stattgebenden "Bescheides" der damaligen Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 28. Oktober 1999, GZ 21.130/35-2/99, seit 1. Jänner 2001 von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG ausgenommen seien.

Die Beschwerde behauptet die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen (nämlich des §5 GSVG idF des ASRÄG 1997, weiters des genannten "Bescheides" der damaligen Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales) und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch keine Gegenschrift erstattet.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Mit Erkenntnis vom 25. Februar 2004, V121/03, hat der Verfassungsgerichtshof den - von ihm als Verordnung qualifizierten - "Bescheid" der damaligen Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 28. Oktober 1999, GZ 21.130/35-2/99, mangels der vorgeschriebenen Kundmachung im Bundesgesetzblatt II zur Gänze als gesetzwidrig aufgehoben.

2. Gemäß Art139 Abs6 zweiter Satz B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die für gesetzwidrig erkannte Norm bereits zu dem Zeitpunkt, in dem sich der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Lebenssachverhalt verwirklicht hat, nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art139 Abs6 zweiter Satz B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, stehen jene Beschwerden gleich, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren bzw. bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (zB VfSlg. 11.818/1988).

Die nichtöffentliche Beratung in dem zu V121/03 geführten Verordnungsprüfungsverfahren fand am 25. Februar 2004 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 29. August 2003 eingelangt, war also bei Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig. Der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall des zu V121/03 geführten Verfahrens gleichzuhalten.

3. Die Behörde hat somit bei Erlassung des angefochtenen Bescheides eine als gesetzwidrig erkannte Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass die Anwendung dieser Verordnung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.879/1986).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von EUR 327,-- enthalten. Ein Ersatz der entrichteten Eingabengebühr war wegen der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit des Verfahrens (§46 Abs1 Z2 lita GSVG) nicht zuzusprechen.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B876.2003

Dokumentnummer

JFT_09959697_03B00876_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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