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32/01 Finanzverfahren allgemeines AbgabenrechtNorm
FinStrG §125;Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 89/16/0039 E 27. April 1989 VwSlg 6401 F/1989 RS 1Stammrechtssatz
Die mündliche Verhandlung ist das Kernstück des Finanzstrafverfahrens. In ihr soll die Wahrheit endgültig festgestellt werden, und zwar in einer Weise, die nach allgemeiner Prozeßerfahrung größte Gewähr für die Erforschung der Wahrheit und zugleich für die bestmögliche Verteidigung des Beschuldigten und damit für ein richtiges Erkenntnis bietet. "Verhandeln" bedeutet, daß die Beteiligten in der gesetzlich geordneten Weise miteinander sprechen und das Gesprochene hören. In seiner Abwesenheit darf der Beschuldigte dann nicht verurteilt werden, wenn bereits im Zeitpunkt der Ausschreibung der mündlichen Verhandlung feststeht, daß der Beschuldigte durch ein begründetes Hindernis vom rechtzeitigen Erscheinen abgehalten wird. Bei einem in Strafhaft im Ausland befindlichen
Beschuldigten kommt "unentschuldigtes" Ausbleiben grundsätzlich nicht in Betracht, wenn er bereit und in der Lage ist, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen und sich dort zu verantworten. Die Vorladung zur mündlichen Verhandlung gibt in einem derartigen Falle dem Beschuldigten nur scheinbar die Möglichkeit, sich vor dem Spruchsenat persönlich zu verteidigen. In Wahrheit wird ihm das rechtliche Gehör verweigert. Die Aufgabe der Finanzstrafbehörden, über einen konkreten Lebenssachverhalt ein abschließendes rechtliches Urteil zu fällen, ist in aller Regel ohne Anhörung der Beteiligten nicht zu lösen. Diese Anhörung ist daher zunächst Voraussetzung einer richtigen Entscheidung.
Darüberhinaus
fordert die Würde der Person, daß über ihr Recht nicht kurzerhand von oben herab verfügt wird; der Einzelne soll nicht nur Objekt der finanzstrafbehördlichen Entscheidung sein, sondern er soll vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluß auf das Verfahren und sein
Ergebnis nehmen zu können. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten ist für diesen grundsätzlich ein wesentlicher Nachteil.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991160093.X07Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
23.11.2009