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72 Wissenschaft, HochschulenNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit € 2.142,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 9. August 2002 wurde der Antrag auf Gewährung
von Familienbeihilfe mangels Vorliegens eines günstigen Studienerfolges abgewiesen, da §2 Abs1 litb FLAG iVm §17 Abs4 Studienförderungsgesetz (in der Folge: StudFG), idF BGBl. I 23/1999, ausdrücklich auf die zeitgerechte Absolvierung des ersten Studienabschnittes nach verspätetem Studienwechsel abstelle; ein Fachhochschulstudium sei jedoch nicht in Studienabschnitte gegliedert.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der der Beschwerdeführer die Verletzung in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt.
3. Die belangte Behörde legte innerhalb der gesetzten Frist die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Mit Erkenntnis vom 26. Februar 2004, G204, 205/03, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß §17 Abs1 Z2 StudFG, BGBl. 305/1992, idF BGBl. 201/1996, bis zum Ablauf des 31. August 2001 verfassungswidrig war sowie daß §17 Abs4 StudFG, BGBl. 305/1992, idF BGBl. I 23/1999, verfassungswidrig war.
2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren - bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung - beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).
3. Die nichtöffentliche Beratung im erwähnten Gesetzesprüfungsverfahren begann am 26. Februar 2004. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 3. Oktober 2002 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
4. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetzesbestimmungen an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist eine Eingabegebühr iHv € 180,-- und Umsatzsteuer iHv € 327,-- enthalten.
IV. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B1483.2002Dokumentnummer
JFT_09959697_02B01483_00