TE Vfgh Erkenntnis 2004/3/11 B1698/01

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Veröffentlicht am 11.03.2004
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Index

97 Vergabewesen
97/01 Vergabewesen

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.143,68 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Bescheid des Bundesvergabeamtes (BVA), mit dem ein Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Feststellung, dass im Vergabeverfahren des Bundes betreffend die Lieferung und Herstellung einer Stahlschrankanlage der Zuschlag an einen Mitbieter rechtswidrig erfolgt sei, zurückgewiesen wurde: Der für die Zuständigkeit des BVA maßgebliche Schwellenwert des §5 Abs2 Bundesvergabegesetz 1997 (BVergG) idF BGBl. I 80/1999 von 200.000 Euro wäre nicht erreicht.

2. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung der beschwerdeführenden Gesellschaft in Rechten wegen Anwendung eines als verfassungswidrig erachteten Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt.

3. Das BVA hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.

II. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. September 2003 ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "dann, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer mindestens 200 000 Euro beträgt" in §5 Abs2 BVergG idF BGBl. I 80/1999 ein.

Mit Erkenntnis vom 23. Februar 2004, G216/03, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die in Prüfung gezogene Wortfolge des §5 Abs2 BVergG verfassungswidrig war.

III. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

Die Entscheidung des BVA, mit der es sich für unzuständig erklärte, über den von der beschwerdeführenden Gesellschaft gestellten Nachprüfungsantrag zu befinden, gründet sich auf die mit dem genannten Erkenntnis als verfassungswidrig qualifizierte Wortfolge im §5 Abs2 BVergG.

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde u.a. dann verletzt, wenn diese ihre gesetzliche Zuständigkeit nicht in Anspruch nimmt. Da die als verfassungswidrig erkannte Wortfolge in §5 Abs2 BVergG gemäß Art140 Abs7 B-VG im Anlassfall nicht mehr anzuwenden ist und deshalb einer meritorischen Entscheidung des BVA nicht mehr im Wege steht, verletzt der angefochtene Zurückweisungsbescheid das Recht der beschwerdeführenden Gesellschaft auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 181,68 enthalten.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B1698.2001

Dokumentnummer

JFT_09959689_01B01698_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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