TE Vfgh Erkenntnis 2004/3/11 B1336/02 ua

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Veröffentlicht am 11.03.2004
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7200 Beschaffung, Vergabe

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch die angefochtenen Bescheide in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Das Land Wien ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit insgesamt € 6.426,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Stadt Wien hat zur Erbringung von Malerarbeiten mehrere Vergabeverfahren durchgeführt. Diese Malerarbeiten betrafen die "Adaptierung der ehemaligen Räume der MA 8, der MA 2 und der MA 3 im ersten und zweiten Stock des Rathauses" sowie Malerarbeiten in Krankenanstalten der Stadt Wien. Die beschwerdeführende Gesellschaft hat sich an diesen Vergabeverfahren durch Legung von Angeboten beteiligt, die aber unberücksichtigt blieben.

Mit dem Vorwurf, die vergebende Stelle habe die Bestimmungen des Wiener Landesvergabegesetzes (WLVergG) verletzt, wandte sich die beschwerdeführende Gesellschaft in der Folge an den Vergabekontrollsenat beim Amt der Wiener Landesregierung (VKS). Der VKS wies die gestellten Anträge auf Durchführung von Nachprüfungsverfahren jedoch mit der Begründung zurück, dass es sich bei den ausgeschriebenen Malerarbeiten jeweils um Aufträge im Rahmen von Bauaufträgen handle, die den in §1 Abs1 Z2 WLVergG idF LGBl. 50/2000 normierten Schwellenwert von fünf Millionen Euro nicht überschreiten würden. Mangels Zuständigkeit des VKS zur Nachprüfung von "Unterschwellenwertverfahren" wären die Nachprüfungsanträge der beschwerdeführenden Gesellschaft daher zurückzuweisen.

2. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, in der die beschwerdeführende Gesellschaft ihre Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie ihre Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide begehrt.

3. Der VKS hat in allen drei Verfahren die Bezug habenden Verwaltungsakten vorgelegt und im zu B1336/02 protokollierten Verfahren eine Gegenschrift erstattet.

4. Aus Anlass dieser Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. November 2003 ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Z2 des §1 Abs1 des WLVergG ein.

Mit Erkenntnis vom 23. Februar 2004, G230-232/03, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass die in Prüfung gezogene Bestimmung verfassungswidrig war.

II. Die - zulässigen - Beschwerden sind im Ergebnis begründet.

Die Entscheidung des VKS, mit der sich dieser für unzuständig erklärte, über die von der beschwerdeführenden Gesellschaft gestellten Nachprüfungsanträge zu befinden, gründet sich auf §1 Abs1 Z2 WLVergG, wonach Bauaufträge einen bestimmten Schwellenwert überschreiten müssen, damit ihre Vergabe dem Wiener Landesvergabegesetz unterliegt. Nur bei Erreichen des diesbezüglich normierten Schwellenwertes hat die Vergabe eines Bauauftrages nach den Bestimmungen des WLVergG zu erfolgen und ist der VKS zur Überprüfung der korrekten Vorgangsweise hinsichtlich dieser Vergabe zuständig.

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde u.a. dann verletzt, wenn diese ihre gesetzliche Zuständigkeit nicht in Anspruch nimmt. Da die als verfassungswidrig erkannte Bestimmung der Z2 des §1 Abs1 WLVergG gemäß Art140 Abs7 B-VG in den Anlassfällen nicht mehr anzuwenden ist und deshalb einer meritorischen Entscheidung des VKS über die zu vergebenden Aufträge nicht mehr im Wege steht, verletzen die angefochtenen Zurückweisungsbescheide das Recht der beschwerdeführenden Gesellschaft auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von insgesamt € 981,-- sowie der Ersatz der Eingabengebühren gemäß §17a VfGG in der Höhe von insgesamt € 540,-- enthalten.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B1336.2002

Dokumentnummer

JFT_09959689_02B01336_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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