Index
16 MedienrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung der Berufung einer übergangenen Partei gegen einen Bescheid der Privatrundfunkbehörde betreffend lokale Privatradiolizenzen durch den Bundeskommunikationssenat (BKS); Zuständigkeit des Bundeskommunikationssenates als Berufungsbehörde auch hinsichtlich der Privatrundfunkbehörde gegeben; andernfalls Aufrechterhaltung des als verfassungswidrig erkannten Zustands der Privatrundfunkbehörde als erster und letzter InstanzSpruch
Der beschwerdeführende Verein ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem beschwerdeführenden Verein zuhanden seiner Rechtsvertreter die mit € 2142,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Bescheid der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde vom 2. Dezember 1997, GZ. 611.200/21-RRB/97, wurde der "V M & Partner OEG" (die sich damals erst in Gründung befand), die Zulassung zur Veranstaltung eines lokalen Hörfunkprogramms für das Versorgungsgebiet nördliches und mittleres Burgenland - Bezirk Oberwart und Teile des Bezirkes Güssing - erteilt.
Dieser OEG in Gründung gehörten der beschwerdeführende Verein, die S KEG und die L GmbH an. Mit Gesellschaftsvertrag vom 17. Februar 1998 gründeten die Gesellschafter der OEG in Gründung die "V M & Partner GmbH". Gesellschafter dieser GmbH waren erneut der beschwerdeführende Verein, die S KEG und die L GmbH. Die Errichtung der GmbH wurde der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde am 7. Mai 1998 bekanntgegeben.
1.2. Mit Bescheid der Privatrundfunkbehörde vom 19. Juli 1999, GZ 611.200/5-PRB/99, wurde der Bescheid der Regional- und Kabelrundfunkbehörde vom 2. Dezember 1997 insofern abgeändert, als nunmehr der "V M & Partner GmbH" die Zulassung für die im Frequenznutzungsplan, BGBl. II Nr. 211/1999 ausgewiesene Sendelizenz "nördliches und mittleres Burgenland, Bezirk Oberwart und Teile des Bezirkes Güssing für die Zeit bis 31. März 2005" übertragen wurde.
Adressat dieses Bescheides war die "V M & Partner GmbH", nicht jedoch auch der beschwerdeführende Verein als ehemaliger Gesellschafter der M & Partner OEG in Gründung, welchem der Bescheid der Privatrundfunkbehörde erstmals am 20. Dezember 2001 übermittelt wurde und der davor nach seinem Vorbringen vom Inhalt dieses Bescheides keine Kenntnis hatte.
1.3. Mit Schreiben vom 2. Jänner 2002 erhob der beschwerdeführende Verein, der sich als eine von der Privatrundfunkbehörde "übergangene Partei" erachtet, Berufung an den Bundeskommunikationssenat (BKS). Dieser wies das Rechtsmittel mit Bescheid vom 6. September 2002 zurück und begründete diese Entscheidung wie folgt:
"Gemäß §11 Abs2 KommAustria-Gesetz, BGBl. I Nr. 32/2001, entscheidet der Bundeskommunikationssenat über Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria), mit Ausnahme von Rechtsmitteln in Verwaltungsstrafsachen.
Gemäß §32 Abs4 des Bundesgesetzes, mit dem Bestimmungen für privaten Hörfunk erlassen werden (Privatradiogesetz - PrR-G), BGBl. I Nr. 20/2001 idgF, welches an die Stelle des Regionalradiogesetzes trat, sind zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des PrR-G anhängige Verfahren zur Erlassung einer fernmelderechtlichen Bewilligung - soweit sie in Zusammenhang mit einer bereits rechtskräftig erteilten Zulassung stehen - nach dem PrR-G mit der Maßgabe fortzuführen, dass die §§12 und 13 nicht zur Anwendung kommen. Die Abs3 und 5 des §32 PrR-G sehen Übergangsregelungen für anhängige Anträge auf Erteilung einer Zulassung vor.
Gemäß §32 Abs6 PrR-G werden die Aufgaben der Regulierungsbehörde nach dem PrR-G von der KommAustria wahrgenommen. Die KommAustria ist damit an die Stelle der früheren Privatrundfunkbehörde getreten und hat Verfahren nach dem früheren Regionalradiogesetz nach Maßgabe der zitierten Übergangsregelungen fortzuführen.
Für den Bundeskommunikationssenat gibt es jedoch im PrR-G keine Übergangsregelung, die eine Zuständigkeit zur Entscheidung über Rechtsmittel gegen Bescheide der früheren Regionalradiobehörde begründen würde. Die Anordnung in §32 Abs4 PrR-G, dass Verfahren, die im Zusammenhang mit einer bereits rechtskräftig erteilten Zulassung stehen, nach dem PrR-G fortzuführen sind, begründet keine Zuständigkeit des Bundeskommunikationssenates, weil das PrR-G überhaupt keine Zuständigkeitsregelung für den Bundeskommunikationssenat enthält. Die Zuständigkeit des Bundeskommunikationssenates ergibt sich ausschließlich aus dem KommAustria-Gesetz. Danach ist der Bundeskommunikationssenat zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der KommAustria generell zuständig. Hätte der Gesetzgeber auch eine Zuständigkeit des Bundeskommunikationssenates für Berufungen gegen Entscheidungen der früheren Regionalradiobehörde schaffen wollen, hätte es einer eigenen Übergangsbestimmung im PrR-G bedurft.
Mangels einer die Zuständigkeit des Bundeskommunikationssenates begründenden Rechtsvorschrift ist dieser für die gegenständliche Berufung unzuständig."
2. Dagegen richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
4. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst nahm zur Frage, ob die Übergangsbestimmungen des §32 des Bundesgesetzes, mit dem Bestimmungen für privaten Hörfunk erlassen werden (Privatradiogesetz - PrR-G), BGBl. I Nr. 20/2001, auf den vorliegenden Fall anwendbar sind, Stellung und verneinte darin die konkrete Anwendbarkeit.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983).
1.2 Im Erkenntnis VfSlg. 15886/2000 erachtete der Verfassungsgerichtshof die Einrichtung der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde, die nach §13 Regionalradiogesetz, BGBl. Nr. 506/1993 idF BGBl. I Nr. 41/1997 und BGBl. I Nr. 2/1999, als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag als einzige Instanz zur Verwaltungsführung und Verwaltungskontrolle im Bereich der Rundfunkregulierung vorgesehen war, sowohl wegen Überschreitung der - wegen des Charakters der Republik Österreich als rechtsstaatlicher Demokratie mit parlamentarischem Regierungssystem bedingten und beschränkten - Ermächtigung nach Art133 Z4 B-VG für die Schaffung einer solchen Behörde als auch wegen des Ausschlusses der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes als verfassungswidrig. In VfSlg. 16189/2001 bekräftigte der Verfassungsgerichtshof für die - durch BGBl. I Nr. 160/1999 in ihrem Aufbau und Aufgabenbereich gegenüber der Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde unverändert gebliebene - Privatrundfunkbehörde die Auffassung, wonach - auch bei Anrufbarkeit des Verwaltungsgerichtshofs gegen Entscheidungen der Privatrundfunkbehörde - die gesetzliche Konstruktion als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag als einzige Instanz verfassungswidrig ist.
Der Gesetzgeber trug diesen Erkenntnissen durch das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Kommunikationsbehörde Austria und eines Bundeskommunikationssenates (KOG), BGBl. I Nr. 32/2001, insofern Rechnung, als - anders als die in §13 Regionalradiogesetz eingerichtete Privatrundfunkbehörde als erste und letzte Instanz - der Bundeskommunikationssenat als Berufungsbehörde gegen Bescheide der KommAustria (einer monokratisch eingerichteten und dem Bundeskanzler unterstellten Verwaltungsbehörde) entscheidet (vgl. VfGH 25.9.2002, B110/02ua). Zudem wurde die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich für zulässig erklärt (vgl. §11 Abs3 KOG).
1.3. Der beschwerdeführende Verein behauptet, im Verfahren vor der Privatrundfunkbehörde durch Zustellung des Bescheides vom 19. Juli 1999 (zunächst nur) an den Geschäftsführer der "V M & Partner GmbH" in diesem Verwaltungsverfahren so lange übergangen worden zu sein, bis er durch Übermittlung des zitierten Bescheides am 20. Dezember 2001 Kenntnis von diesem Bescheid erlangte. Innerhalb der Berufungsfrist (berechnet nach dem behaupteten Erhalt dieses Bescheides) erhob er Berufung an den BKS, weil seiner Auffassung zufolge der BKS nach dem zum (maßgeblichen) Zeitpunkt der Übermittlung des Bescheides geltenden Recht als Berufungsbehörde in Angelegenheiten der Rundfunkregulierung vorgesehen ist.
1.4. Es ist zwar weder im KOG noch in den dafür in Frage kommenden Übergangsbestimmungen des §32 PrR-G ausdrücklich ein von der Privatrundfunkbehörde an den BKS gehender Instanzenzug vorgesehen. Die Zuständigkeit des BKS als Berufungsbehörde ergibt sich im vorliegenden Fall jedoch schon aus der Bestimmung des §1 Abs2 KOG, wonach der BKS als zweite Instanz zur Kontrolle der Verwaltung in Angelegenheiten der Rundfunkregulierung eingerichtet wird - würde doch andernfalls durch die Zuständigkeit der Privatrundfunkbehörde in erster und letzter Instanz ein schon vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erkannter Rechtszustand für Fälle wie den vorliegenden aufrechterhalten werden.
Dieser - von Verfassungs wegen gebotenen - Auslegung steht auch nicht die gesetzliche Regelung des §11 Abs1 und 2 KOG entgegen, wonach der BKS in oberster Instanz über Rechtsmittel gegen Bescheide der KommAustria entscheidet (die nunmehr - dh. auch für das anhängige Verfahren im Fall einer Zurückverweisung - als Behörde erster Instanz an die Stelle der vormaligen Privatrundfunkbehörde tritt), weil im Lichte dieser Auslegung diese Bestimmung nur für den - hier nicht vorliegenden - Regelfall anzuwenden ist, in dem die KommAustria tatsächlich in erster Instanz eingeschritten ist.
1.5. Durch die Zurückweisung der Berufung durch den BKS, hat diese Behörde in (verfassungs-)gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit abgelehnt und den beschwerdeführenden Verein im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,-
enthalten.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Auslegung verfassungskonforme, Behördenzuständigkeit, Rundfunk, KommAustria, Privatradio, ÜbergangsbestimmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B1486.2002Dokumentnummer
JFT_09959688_02B01486_00