TE Vfgh Erkenntnis 2004/6/8 B557/02

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Veröffentlicht am 08.06.2004
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7200 Beschaffung, Vergabe

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
Wr LandesvergabeG §96
Wr LandesvergabeG §101

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch den Ausspruch über das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung und durch Abweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist schuldig, der mitbeteiligten Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 1.962,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Wienstrom GmbH hat die Vergabe von Reinigungsleistungen in verschiedenen ihrer Objekte nach den Bestimmungen des Wiener Landesvergabegesetzes (WLVergG), LGBl. 36/1995 idF 50/2000, in Form eines zweistufigen Verhandlungsverfahrens ausgeschrieben. Die Ausschreibung wurde sowohl im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften als auch im Amtsblatt der Stadt Wien bekannt gemacht. Die beschwerdeführende Gesellschaft, die sich um die Teilnahme am Vergabeverfahren beworben hatte, wurde, wie acht weitere geeignete Bewerber, zur Angebotserstellung eingeladen. In den Ausschreibungsunterlagen war vorgesehen, dass jedenfalls mit jenen Bietern Verhandlungen geführt würden, deren Angebot nach einer ersten Bewertung in aussichtsreicher Position ("bis ca. 115% des günstigsten Bewertungspreises") liegen würden.

Der beschwerdeführenden Gesellschaft wurde schließlich mitgeteilt, dass ihr Angebot "in der weiteren Vergabeüberlegung nicht weiter berücksichtigt" werde, da es wesentlich über dem günstigsten Bewertungspreis, gemessen an diesem nämlich an bloß siebenter Stelle ("über 135%"), zu liegen gekommen sei. Der Zuschlag werde einem namentlich genannten Mitbieter erteilt.

Die beschwerdeführende Gesellschaft beantragte in der Folge beim Wiener Vergabekontrollsenat (VKS) die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens und die Feststellung der Nichtigkeit der Zuschlagsentscheidung sowie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Mit Bescheid vom 18. Jänner 2002 wurde den Anträgen "nicht stattgegeben"; der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde abgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der beschwerdeführenden Gesellschaft in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den Beschwerdebehauptungen im Einzelnen entgegentritt und beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Auch die auftraggebende Wienstrom GmbH hat als mitbeteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der sie den Beschwerdebehauptungen entgegentritt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung wie folgt begründet:

"Voraussetzung für eine Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung auf Grund. des Nachprüfungsantrages der Antragstellerin ist, dass diese bei Stattgebung richtigerweise als Bestbieterin anzusehen ist (vgl. §101 Z4 leg. cit. 'der Zuschlag ... nicht dem Antragsteller als Bestbieter erteilt würde').

Dass die Antragstellerin Bestbieterin wäre, hat sie selbst nicht behauptet. Sie ist in ihrem Nachprüfungsantrag insbesondere der Feststellung der Antragsgegnerin nicht entgegen getreten, dass ihr Angebot an siebenter Stelle gelegen sei. Diese Feststellung wird durch den Inhalt des Vergabeaktes, insbesondere die Ergebnisse der Angebotseröffnung und Angebotsprüfung vom 9. Oktober 2001 sowie vom 6. November 2001, bestätigt.

Soweit die Antragstellerin die angeführten Zuschlagskriterien in Frage stellen will, verkennt sie, dass sie diese nicht fristgerecht und unter Einhaltung des vorgesehenen Vorverfahrens (vgl. §96 WLVergG) angefochten hat. Sie hat insbesondere in Kenntnis der Zuschlagsbedingungen ihr Angebot vom 8. Oktober 2001 der Antragsgegnerin übermittelt. Nunmehr kann sie diese Zuschlagskriterien nicht mehr in Frage stellen, da diese Kriterien zur Ermittlung des Bestbieters grundsätzlich geeignet sind.

Sie widersprechen auch nicht der Sachlichkeit und Transparenz, da es nicht sinnvoll sein kann, mit einem Bieter zu verhandeln, dessen Preisvorstellungen sich von jenen seiner Mitbewerber nach oben erheblich abheben. Eine andere Vorgangsweise würde im Verhandlungsverfahren zu 'Bazarmethoden' führen, die den in §16 Abs1 WLVergG normierten Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes widersprechen. Es kann dahingestellt bleiben, wie ein Auftraggeber vorzugehen hätte, wenn die Angebote aller sonstigen Mitbewerber sich außerhalb des angeführten Prüfbandes bewegt hätten, da es ist nicht Aufgabe des Vergabekontrollsenates ist, theoretische Fälle zu erörtern.

Fest steht, dass die Antragstellerin, entsprechend der Ausschreibungsbedingungen mit fünf Bietern das Verhandlungsverfahren fortgesetzt hat und damit im Rahmen des Wiener Landesvergabegesetzes vorgegangen ist.

Weiters steht fest, dass das Angebot der Antragstellerin sich weit außerhalb jenes Bereiches (135 %) bewegt hat, der in den Zuschlagsbedingungen für die Fortführung des Verhandlungsverfahrens vorgesehen war, sodass die Vorgangsweise der Antragstellerin konform mit den mangels fristgerechter Anfechtung verbindlich gewordenen Zuschlagsbedingungen erfolgt ist.

Da die Antragstellerin weder nach ihrem Vorbringen noch nach der Aktenlage Bestbieterin ist, konnte der Vergabekontrollsenat auf Grund ihres Nachprüfungsantrages die Zuschlagsentscheidung der Antragsgegnerin nicht für nichtig erklären. Die Zuschlagsentscheidung ist der der Zuschlagserteilung unmittelbar vorausgehende Verfahrensabschnitt im Vergabeverfahren. Kann dieser nicht durch eine Nichtigerklärung beseitigt werden, ist es dem Vergabekontrollsenat verwehrt, Verfahrensschritte, die für die Bestbieterermittlung relevant waren, einer abgesonderten Prüfung zu unterziehen. Dies ergibt sich insbesondere aus §99 Abs2 WLVergG, wonach Anträge gemäß Abs1 abzuweisen sind, wenn die Entscheidung, deren Rechtswidrigkeit behauptet wird, keinen wesentlichen Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens haben kann bzw. konnte. Somit waren auch jene Anträge, die nicht auf die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung gerichtet waren, abzuweisen.

Da die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens ergehen kann und dieses mit der Entscheidung des Vergabekontrollsenates abgeschlossen ist, war der diesbezügliche Antrag der Antragstellerin - der im übrigen den Voraussetzungen des §100 Abs1 und 4 WLVergG mangels näherer Ausführungen nicht entsprochen hat - abzuweisen (§100 WLVergG)."

2. Die beschwerdeführende Gesellschaft behauptet unter dem Vorwurf der Verletzung ihres verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit vor dem Gesetz, dass der VKS die Rechtslage gehäuft verkannt habe und ihr Vorbringen "vollständig ignoriert" habe. Der beschwerdeführenden Gesellschaft wären zudem die ihre Nichtberücksichtigung tragenden Ausschreibungsbedingungen nicht bekannt gegeben worden. Es könne ihr deshalb auch nicht vorgeworfen werden, dass sie es unterlassen habe, ein Vorverfahren iSd §96 WLVergG einzuleiten. Unzutreffend sei auch die Rechtsansicht des VKS, wonach gemäß §101 Z4 WLVergG eine Voraussetzung für eine Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sei, dass der Antragsteller bei Stattgabe richtigerweise als Bestbieter anzusehen wäre. Eine solche Rechtsauffassung würde bedeuten, dass jeweils nur der Zweitgereihte anfechtungsberechtigt wäre.

In ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter erachtet sich die beschwerdeführende Gesellschaft dadurch verletzt, dass der VKS die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unterlassen, insbesondere ihr nicht Gelegenheit gegeben habe, zu einzelnen Beweisergebnissen Stellung zu nehmen.

3. Die belangte Behörde verweist in ihrer Gegenschrift neuerlich darauf, dass der beschwerdeführenden Gesellschaft entgegen ihrem Vorbringen die Ausschreibungsbestimmungen bekannt gewesen, aber nicht innerhalb der gemäß §98 Z2 WLVergG vorgesehenen Frist bekämpft worden seien. Dass der Angebotspreis der beschwerdeführenden Gesellschaft "135%" des günstigsten Bewertungspreises betragen habe, sei von der beschwerdeführenden Gesellschaft weder im Nachprüfungsverfahren noch in ihrer Beschwerde widerlegt worden. Jenes Bewertungskriterium entspreche auch den Erfordernissen der Sachlichkeit und Transparenz. §101 Z4 WLVergG sehe eine Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung nur dann vor, wenn der Zuschlag entgegen den §§47 und 48 Abs2 WLVergG nicht dem Antragsteller als Bestbieter erteilt wurde. Die beschwerdeführende Gesellschaft sei nach der Aktenlage an siebenter Stelle gereiht gewesen und habe auch im Nachprüfungsverfahren nicht behauptet, Bestbieterin zu sein.

4. Auch die dem Verfahren als mitbeteiligte Partei hinzugezogene auftraggebende Gesellschaft tritt in ihrer Äußerung den Beschwerdebehauptungen im Einzelnen entgegen: Sie verweist insbesondere darauf, dass die von der beschwerdeführenden Gesellschaft geltend gemachten Verfahrensverstöße keine Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten begründen könnten, vielmehr werfe die Beschwerde nur einfachgesetzliche Fragen auf. Der beschwerdeführenden Gesellschaft seien die Ausschreibungsbestimmungen bekannt gewesen; sie habe es aber unterlassen, allfällige Rechtswidrigkeiten zeitgerecht und unter Einhaltung der Bestimmungen des WLVergG (§96 Abs1 WLVergG) zu rügen. Auch die Festlegung eines "Preisbandes" zur Auswahl jener Bieter, die "einen Anspruch auf Verhandlungen mit der Auftraggeberin" erwerben sollten, sei von der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht bekämpft worden. Im Übrigen wäre einer solchen Festlegung - wie die auftraggebende Gesellschaft näher ausführt - vergaberechtlich auch nicht entgegen zu treten.

5. a) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10.337/1985, 11.436/1987).

Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10.374/1985, 11.405/1987, 13.280/1992).

b) Die Beschwerde ist nicht begründet:

Eine Verletzung der beschwerdeführenden Gesellschaft in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt schon deshalb nicht vor, als der VKS im vorliegenden Fall nicht eine Sachentscheidung verweigert, sondern vielmehr ausgesprochen hat, dass die Voraussetzungen für eine Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung nicht vorliegen würden. Die von der beschwerdeführenden Gesellschaft behaupteten Verfahrensmängel können eine solche in die Verfassungssphäre reichende Rechtsverletzung ebensowenig begründen.

Auch mit den weiters erhobenen Vorwürfen werden keine in die Verfassungssphäre reichenden Fehler geltend gemacht: eine verfassungswidrige Gesetzesanwendung kann dem VKS diesbezüglich nicht vorgeworfen werden; er hat seine Entscheidung - wie auch die Verwaltungsakten erweisen - plausibel und nachvollziehbar begründet. Ob der VKS die aufgeworfenen Fragen im Einzelnen rechtsrichtig beurteilt hat, obliegt zur Prüfung nicht dem Verfassungsgerichtshof; und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen einen Bescheid des VKS (einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG) richtet, der beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 10.565/1985, 10.659/1985, 12.697/1991). Insbesondere hegt der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken dagegen, dass der VKS anhand der bekannt gegebenen Kriterien die Entscheidung der auftraggebenden Gesellschaft als rechtskonform gewertet hat, die beschwerdeführende Gesellschaft auf Grund des erheblichen Preisabstandes zum günstigsten Angebot zur zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens nicht zuzulassen. Auch ist der Rechtsauffassung des VKS nicht entgegenzutreten, wonach ein Bieter, der an bloß siebenter Stelle gereiht wird, im Ergebnis nur dann erfolgreich die Zuschlagsentscheidung gemäß §101 Z4 WLVergG bekämpfen kann, wenn er in seinem Antrag zumindest plausibel darlegt, dass er entgegen jener Reihung tatsächlich Bestbieter gewesen wäre. Unbedenklich ist auch die Auffassung des VKS, dass die in Rede stehenden Teilnahmekriterien für die zweite Stufe des Verhandlungsverfahrens mangels Durchführung eines Vorverfahrens gemäß §96 WLVergG einer Nichtigerklärung nicht zugänglich waren (vgl. idZ auch VfSlg. 15.810/2000).

Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob die beschwerdeführende Gesellschaft, indem sie beantragt hat, dass die Zuschlagsentscheidung "als nichtig festgestellt" werden möge, überhaupt einen zulässigen Antrag iSd §99 Abs1 Z1 WLVergG gestellt hat.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG, im zugesprochenen Betrag ist USt in der Höhe von € 327,-- enthalten.

Schlagworte

Vergabewesen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B557.2002

Dokumentnummer

JFT_09959392_02B00557_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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