Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art141 Abs1 litaLeitsatz
Zurückweisung einer Anfechtung der Bundespräsidentenwahl 2004 mangels Legitimation; rechtmäßige Wertung des Wahlvorschlags als nicht eingebracht mangels erforderlicher Anzahl von Unterstützungserklärungen; keine Bedenken gegen das BundespräsidentenwahlgesetzSpruch
Die Wahlanfechtung wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1.1. Mit Verordnung der Bundesregierung, BGBl. II 2004/71 (ausgegeben am 9. Februar 2004), wurde für den 25. April 2004 die Wahl des Bundespräsidenten ausgeschrieben.
1.2. Für diese Wahl legte der - nunmehrige - Zweitanfechtungswerber der Bundeswahlbehörde beim Bundesministerium für Inneres am 26. März 2004 einen auf ihn selbst lautenden Wahlvorschlag vor, dem 170 Unterstützungserklärungen, eine Bestätigung über die Einzahlung von EUR 3.600,-- sowie die Zustimmungserklärung des Wahlwerbers angeschlossen waren. Zudem wurde in diesem Schriftsatz der nunmehrige Erstanfechtungswerber als zustellungsbevollmächtigter Vertreter des Wahlvorschlages bezeichnet.
1.3. Mit Schreiben der Bundeswahlbehörde vom 27. März 2004 wurde der Erstanfechtungswerber als zustellungsbevollmächtigter Vertreter dieses Wahlvorschlages aufgefordert, binnen drei Tagen
5.832 gültige Unterstützungserklärungen - die Bundeswahlbehörde hatte nur 168 der vorgelegten 170 Unterstützungserklärungen als gültig gewertet - nachzureichen, andernfalls der Wahlvorschlag gemäß §8 Abs3 Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 (BPWG) als nicht eingebracht gelte.
1.4. In der Folge wurde innerhalb dieser Frist eine weitere Unterstützungserklärung nachgereicht.
1.5. Daraufhin beschloss die Bundeswahlbehörde in ihrer Sitzung am 31. März 2004, dass der Wahlvorschlag iSd. §8 Abs3 BPWG als nicht eingebracht zu gelten habe. Davon wurde der Erstanfechtungswerber schriftlich verständigt. Der Wahlvorschlag schien folglich auch nicht in der Veröffentlichung der Wahlvorschläge (§9 BPWG) am 1. April 2004 (im Amtsblatt zur Wiener Zeitung) auf und lag auch der Wahl des Bundespräsidenten am 25. April 2004 nicht zu Grunde.
2. Mit der vorliegenden, auf Art141 Abs1 lita B-VG gestützten Wahlanfechtung vom 11. Mai 2004 (beim Verfassungsgerichtshof eingebracht am 13. Mai 2004) begehren die Anfechtungswerber, das "Vorwahlverfahren und das Wahlverfahren zum Bundespräsidenten vom 25.4.2004 als nichtig zu erklären".
Begründend bringen die Anfechtungswerber dazu - auf das Wesentliche zusammengefasst - Folgendes vor:
2.1. Die die Unterstützungserklärungen betreffenden Bestimmungen des §7 Abs1, 2 und 5 BPWG seien verfassungswidrig. Zu Folge dieser Vorschriften sei den Bewerbern bei der Bundespräsidentenwahl 2004 nämlich nur eine Frist von drei Wochen zur Verfügung gestanden, um die erforderliche Anzahl von 6.000 Unterstützungserklärungen zu erhalten. In "einer derart kurzen Frist" sei es aber ohne Parteiunterstützung "faktisch unmöglich, die Unterstützungserklärung[en] von 6.000 Personen einzuholen, die bereit sind, zur Unterzeichnung der Unterstützungserklärung auf das für sie zuständige Gemeindeamt zu gehen". Mindestens 6.000 Personen hätten gegenüber dem Zweitanfechtungswerber erklärt, "dass sie für ihn die Unterstützungserklärung unterzeichnet hätten, dies jedoch nicht getan haben, weil die Unterstützungserklärung nur vor dem Wohnortgemeindeamt unter Ausweisvorlage und Bekanntgabe des Wahlwerbers unter großem Zeitaufwand durchgeführt werden kann. Es wollte fast niemand einsehen, dass man dafür Urlaub nehmen muss, nur um zum Gemeindeamt zu fahren".
Eine "ausreichende Identifikation der unterzeichnenden Personen" könnte auch durch die Vorlage eines Ausweisdokumentes und die notarielle Beglaubigung der Unterschrift erreicht werden. Dazu komme, dass jeder österreichische Staatsbürger nur eine Unterstützungserklärung unterzeichnen dürfe und dabei öffentlich bekannt geben müsse, welchen Bewerber er unterstützt, was "einer Deklaration dahingehend gleich[komme], dass [er] in der Folge diesen Bewerber auch wählen" wird. Dieses Erfordernis verstoße gegen das Prinzip des geheimen Wahlrechtes.
2.2. Das Wahlverfahren sei überdies insbesondere deshalb rechtswidrig gewesen, weil
a) die Bundeswahlbehörde den Gemeindebehörden erst einen Tag "nach Beginn der offiziellen Eintragungsfrist" mitgeteilt habe, dass die - von einem anderen Wahlwerber versendeten - "Unterstützungserklärung[en] nach dem Muster des Jahres 1998" nicht gültig seien, wodurch "zahlreiche Unterstützungswerber verunsichert und behindert" worden seien;
b) bei "diversen Gemeindeämtern keine Unterstützungserklärungen" aufgelegen seien sowie bei "zahlreichen Gemeindeämtern eine unfaire Vorgangsweise praktiziert" worden sei;
c) die Frist zur Nachreichung von Unterstützungserklärungen rechtswidriger Weise an einem Sonntag zu laufen begonnen habe und zudem
d) die "Bundespräsidentenwahlbewerber Dr. Benita Ferrero-Waldner und Dr. Heinz Fischer ... bei der Wahl bevorzugt" worden seien, weil bei einer Wahlkampfveranstaltung sowie bei Bürgerversammlungen Unterstützungserklärungen für die auf diese Bewerber lautenden Wahlvorschläge entgegengenommen und durch anwesende Gemeindebedienstete bestätigt worden seien. Diese - wenn auch rechtswidrige - Möglichkeit sei den Anfechtungswerbern nicht offen gestanden.
2.3. Zusammenfassend machen die Anfechtungswerber geltend, der Zweitanfechtungswerber wäre bei rechtskonformer Durchführung der Wahl in der Lage gewesen, einen dem Gesetz entsprechenden Wahlvorschlag gemäß §9 Abs1 BPWG einzubringen. Daher sei der Erstanfechtungswerber als zustellungsbevollmächtigter Vertreter des Wahlvorschlages auch berechtigt, die Wahl des Bundespräsidenten am 25. April 2004 samt dem Vorwahlverfahren gemäß §21 Abs2 BPWG anzufechten. In diesem Zusammenhang wird weiters vorgebracht, dass §21 Abs2 BPWG insoweit verfassungswidrig sei, als diese Bestimmung die Anfechtungslegitimation von der Einbringung eines dem Gesetz entsprechenden Wahlvorschlages abhängig mache, weil damit "einem Bundespräsidentenwahlbewerber, welcher durch Rechtswidrigkeiten im Vorwahlverfahren die entsprechenden Unterstützungserklärungen nicht erreichen kann, die Möglichkeit genommen wird, die Wahl trotz der aufgetretenen Rechtswidrigkeiten anzufechten".
3. Die Bundeswahlbehörde legte die Wahlakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Ausführungen der Anfechtungswerber entgegentritt und die Abweisung bzw. Zurückweisung der Wahlanfechtung begehrt.
II. Die Wahlanfechtung ist unzulässig.
1. Gemäß §21 Abs2 BPWG kann die Wahlentscheidung der Bundeswahlbehörde beim Verfassungsgerichtshof nur "vom zustellungsbevollmächtigten Vertreter eines dem Gesetz entsprechenden Wahlvorschlages (§9) angefochten werden".
Die Legitimation zur Anfechtung der Wahl des Bundespräsidenten ist allein auf Grund dieser - speziellen - Regelung (lex specialis) des §21 Abs2 BPWG zu beurteilen (s. VfSlg. 10.951/1986; vgl. ferner auch VfSlg. 9032/1981, wonach unter einer "Wahlanfechtung" iSd. §68 Abs1 VfGG jede Wahlanfechtung zu verstehen ist, für die nicht Sonderbestimmungen bestehen). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die allgemein die Anfechtung von Wahlen beim Verfassungsgerichtshof regelnde Bestimmung des §67 VfGG mit dem Kundmachungsreformgesetz 2004, BGBl. I 2003/100, dahingehend ergänzt wurde, dass in dieser Bestimmung nunmehr auch die Wahl des Bundespräsidenten ausdrücklich genannt wird. Es ist auszuschließen, dass mit dieser gesetzlichen Regelung - die ausweislich der Gesetzesmaterialien (vgl. 93 BlgNR 22. GP, 14) allein eine Vervollständigung der in §67 Abs1 erster Satz VfGG enthaltenen Aufzählung jener Wahlen intendierte, die beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden können - eine Änderung der speziellen Regelung des BPWG über die Voraussetzungen für die (zulässige) Anfechtung der Wahl des Bundespräsidenten bewirkt worden wäre.
§21 Abs2 BPWG ist dahin zu verstehen, dass den dem Gesetz entsprechenden Wahlvorschlägen jene gleichzuhalten sind, die bei rechtskonformer Durchführung des Wahlverfahrens dem Gesetz entsprochen hätten; dieser Norminhalt ergibt sich nicht nur aus dem Sinn des Gesetzes, sondern ist auch aus dem Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung abzuleiten; nur diese (extensive) Interpretation gewährleistet nämlich die von Art141 Abs1 B-VG auch für die Wahl des Bundespräsidenten vorgesehene umfassende Kontrolle des Wahlverfahrens (vgl. VfSlg. 10.951/1986).
2. Ausgehend davon ergibt sich für die Anfechtungslegitimation des Erstanfechtungswerbers aber Folgendes:
2.1.1. Gemäß §7 Abs1 BPWG müssen die Wahlvorschläge für die Wahl des Bundespräsidenten von 6.000 Personen, die am Stichtag in die Wählerevidenz eingetragen und wahlberechtigt waren, unterstützt sein. Weist ein Wahlvorschlag nicht die erforderliche Anzahl von Unterstützungserklärungen auf, so gilt er - der Vorschrift des §8 Abs3 letzter Satz zu Folge - dann als nicht eingebracht, wenn die Aufforderung an den zustellungsbevollmächtigten Vertreter, diesen Mangel binnen drei Tagen zu beheben, fruchtlos geblieben ist.
Wie sich aus den Wahlakten ergibt, waren dem bei der Bundeswahlbehörde eingereichten Wahlvorschlag (lautend auf den Zweitanfechtungswerber) zunächst nur 168 gültige und nicht - wie es §7 Abs1 zweiter Satz BPWG vorschreibt -
6.000 Unterstützungserklärungen angeschlossen. Auch kam der Erstanfechtungswerber - was von ihm gar nicht bestritten wird - der Aufforderung der Bundeswahlbehörde gemäß §8 Abs3 letzter Satz BPWG, binnen drei Tagen die für einen dem Gesetz entsprechenden Wahlvorschlag noch fehlende Anzahl von Unterstützungserklärungen nachzureichen, nicht (vollständig) nach. (Anders als die Anfechtungswerber meinen, führt es auch nicht zur Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens, wenn der erste Tag dieser Frist zur Nachreichung der Unterstützungserklärungen auf einen Sonntag fällt; gemäß §24 Abs1 BPWG iVm. §123 Abs1 erster Satz Nationalrats-Wahlordnung 1992 wird nämlich der Beginn und Lauf einer im BPWG vorgesehenen Frist durch Sonntage nicht behindert.)
2.1.2. Die Bundeswahlbehörde handelte demgemäß rechtmäßig, wenn sie den in Rede stehenden Wahlvorschlag, gestützt auf §8 Abs3 letzter Satz BPWG, als nicht eingebracht wertete und in der Folge auch nicht veröffentlichte.
Damit ist aber der Erstanfechtungswerber zur Anfechtung der Wahl des Bundespräsidenten nicht legitimiert.
2.2. An diesem Ergebnis ändern auch die in der Anfechtungsschrift vorgetragenen Rechtswidrigkeitsbehauptungen (s. Pkt. I.2.) nichts.
2.2.1. Zu der in der Anfechtungsschrift relevierten Verfassungswidrigkeit des §7 Abs1, 2 und 5 BPWG ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof weder - wie bereits in zahlreichen Erkenntnissen ausgesprochen (vgl. VfSlg. 2758/1954, 3653/1959, 6087/1969, 6201/1970, 6207/1970, 7387/1974, 7821/1976, 8694/1979, 10.065/1984, 10.217/1984, 11.256/1987, 13.068/1992, 15.169/1998) - gegen das auch in das BPWG eingeführte System der Unterstützungsunterschriften grundsätzlich Bedenken hegt, noch im Speziellen gegen die mit diesem System verbundene (notwendige) Deklarierung des vor der Gemeindewahlbehörde persönlich erscheinenden Unterstützungswilligen (etwa unter Aspekten des Sachlichkeitsgebotes oder des Prinzips des geheimen Wahlrechtes [s. insbes. VfSlg. 10.065/1984, 10.178/1984 und 10.217/1984]) oder auch gegen die Beschränkung der Gelegenheit zur Einholung des Bestätigungsvermerks auf die ortsüblichen Amtsstunden (s. VfSlg. 11.256/1987). Von dieser Rechtsprechung abzugehen, sieht sich der Verfassungsgerichtshof - auch aus Sicht der vorliegenden Rechtssache - nicht veranlasst.
2.2.2. Im Übrigen ist das Vorbringen, dass im "Rahmen des den Gemeindeämtern obliegenden Verfahrens betreffend die Bestätigung von Unterstützungserklärungen im Sinne des §7 Abs2 BPWG Rechtsverletzungen [unterliefen], die geeignet waren, eine Kandidatur [des Zweitanfechtungswerbers] zu verhindern oder zu erschweren", nicht hinreichend substantiiert (vgl. zB VfSlg. 6207/1970, 12.938/1991, 15.033/1997). Es erschöpft sich der Sache nach in Behauptungen, die - soweit es sich nicht überhaupt bloß um rechtspolitische Erwägungen handelt, die hier schon als solche irrelevant sind - als nicht näher konkretisierte Mutmaßungen den gesetzlichen Erfordernissen einer Wahlanfechtung nicht genügen. Den Auftrag des §21 Abs2 Satz 2 BPWG, die Wahlanfechtung zu begründen, erfüllt eine wahlanfechtende Partei nämlich nur dann, wenn sie einen Wahlanfechtungsgrund konkretisiert und glaubhaft macht (vgl. zB VfSlg. 10.217/1984, 12.938/1991).
3. Auf den Zweitanfechtungswerber treffen die Voraussetzungen des §21 Abs2 BPWG zur Anfechtung der Wahl des Bundespräsidenten schon deshalb nicht zu, weil er die Wahl im eigenen Namen und nicht als "zustellungsbevollmächtigte[r] Vertreter eines dem Gesetz entsprechenden Wahlvorschlages" anficht.
4. Die Wahlanfechtung war daher mangels Legitimation der Anfechtungswerber zurückzuweisen (§21 Abs2 BPWG), ohne dass auf das sonstige Vorbringen in der Wahlanfechtungsschrift - so insbesondere auf die auf die Beibringung von Unterstützungserklärungen für andere Wahlvorschläge Bezug nehmenden Ausführungen - eingegangen werden konnte (vgl. VfSlg. 15.169/1998).
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
Schlagworte
Auslegung verfassungskonforme, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Legitimation, VfGH / Wahlanfechtung, Wahlen, Bundespräsident, Mängelbehebung, ZustellungsbevollmächtigterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:WI7.2004Dokumentnummer
JFT_09959392_04W00I07_00