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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags einer Sektion des Österreichischen Alpenvereins auf Aufhebung einer Verordnung betreffend Auflassung eines Wanderweges mangels Legitimation; kein Rechtsanspruch auf Fortbestand von Wanderwegen oder auf bestimmte Widmungen; Rechtssphäre des Antragstellers nicht aktuell betroffenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. Der Bürgermeister der Gemeinde Au in Vorarlberg erließ am 28. März 2001 unter dem "Betreff: Auflassung des Wanderweges 'Klettersteig Mittagsfluh'" folgende, laut Aktenvermerk auf der vorgelegten Ausfertigung durch Anschlag an der Amtstafel vom 28. März bis 10. Mai 2001 kundgemachte Verordnung:
"Im gegenständlichen Fall handelt es sich um einen Wanderweg gemäß §23 des Straßengesetzes, LGBl. Nr. 8/1969. Wanderwege gemäß §20 Abs1 sind öffentliche Privatstraßen. In Anwendung von §21 Abs3 des Straßengesetzes und im Einvernehmen mit den Grundbesitzern wird die Auflassung des Wanderweges 'Klettersteig Mittagsfluh' verordnet.
Die Verordnung tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft.
Ergeht zur Kenntnisnahme an:
1.
Österreichischer Alpenverein - Sektion Vorarlberg
...
2.
Bezirkshauptmannschaft Bregenz
..."
Der Österreichische Alpenverein, Sektion Vorarlberg, hat diese Verordnung bereits mit Antrag vom 13. Juli 2001 beim Verfassungsgerichtshof angefochten; sein Antrag wurde indes mit Beschluss vom 11. Juni 2002 wegen unklaren Aufhebungsbegehrens zurückgewiesen.
Mit dem vorliegenden Antrag ficht der Verein die Verordnung abermals und diesmal zur Gänze an. Seine Antragslegitimation leitet er aus §23 Vbg. StraßenG ab, wonach die Eigentümer von Wanderwegen zu dulden haben, dass Gemeinden oder in Vorarlberg bestehende Organisationen, deren satzungsgemäßer Zweck auch die Förderung des Wanderns ist, diese Wege im bisherigen Umfang erhalten und an solchen Wegen Wegweiser und Markierungszeichen anbringen.
II. Nach §20 Abs1 Satz 1 des Vorarlberger Straßengesetzes, LGBl. 8/1969, sind alle dem Gemeingebrauch gewidmeten Straßen, die nicht Bundes-, Landes-, Gemeinde- oder Genossenschaftsstraßen sind, öffentliche Privatstraßen. Straßenerhalter ist der Eigentümer des Straßengrundes (§21 Abs1), der die Widmung ausdrücklich oder stillschweigend durch mindestens 20-jährige Duldung vornehmen kann (§20 Abs1 Satz 2 und 3). Öffentliche Privatstraßen dürfen nur mit Bewilligung der Behörde aufgelassen werden; diese ist zu erteilen, wenn durch die Auflassung der Straße bedeutende öffentliche Verkehrsinteressen nicht beeinträchtigt werden (§21 Abs3). Nach §23 haben die Eigentümer von "öffentlichen Privatstraßen, die nach ihrer Art nur für den Verkehr von Fußgängern oder Tieren benützbar sind und vorwiegend dem Wandern dienen (Wanderwege)" zu dulden, dass Gemeinden oder die oben erwähnten Organisationen "diese Wege im bisherigen Umfang erhalten und an solchen Wegen Wegweiser und Markierungszeichen anbringen". Die zuletzt genannte Befugnis steht ihnen auf unproduktiven Grundstücken, die von Fußgängern auch ohne Einverständnis des Grundeigentümers jederzeit betreten werden dürfen (soweit sie nicht zulässigerweise abgesperrt sind; §24), gleichfalls zu.
III. Der in formeller Hinsicht einer geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zugängliche neuerliche Antrag ist gleichwohl mangels rechtlicher Betroffenheit des antragstellenden Vereins unzulässig:
1. Die Vorarlberger Landesregierung als Aufsichtsbehörde bestreitet seine Antragslegitimation, weil er in der Ausübung seiner satzungsgemäßen Tätigkeit durch die angefochtene Verordnung nicht gehindert werde. Die in §23 Abs1 Vbg. StraßenG ausgesprochene Duldungspflicht setze voraus, dass es sich um eine öffentliche Privatstraße handle; Straßen seien jedoch nach §1 Abs3 des Gesetzes nur bauliche Anlagen in fester Verbindung mit einem Grundstück (für den Verkehr von Fußgängern, Tieren und Fahrzeugen). Durch das bloße Begehen oder Befahren werde ein Grundstück noch nicht zur "Straße" im Sinne des Gesetzes. Der "Klettersteig Mittagsfluh" sei ein in der freien Natur benützter Pfad, der baulich nie angelegt wurde, als sichtbarer Weg nur durch das tatsächliche Gehen entstanden sei und "in erster Linie" durch land- und forstwirtschaftliches Gebiet im Sinne des §25 Vbg. StraßenG führe, sodass §23 gar nicht anzuwenden sei.
Dieser schon im Verfahren V72/01 vertretenen Auffassung der Landesregierung hat sich - entgegen dem Selbstverständnis der Verordnung - nunmehr auch der Bürgermeister der Gemeinde Au angeschlossen.
(In der Sache verteidigt der Bürgermeister die Verordnung mit dem Hinweis auf jagdwirtschaftliche Erfordernisse, während die Landesregierung das Vorliegen bedeutender öffentlicher Verkehrsinteressen verneint).
2. Der antragstellende Verein sieht sich in seiner Rechtssphäre deshalb berührt - und durch die behauptete Gesetzwidrigkeit der Verordnung verletzt -, weil ihm §23 Vbg. StraßenG das Recht zur Pflege (Erhaltung und Markierung) von Wanderwegen verleihe. Ein solches Recht ist freilich nur an bestehenden Wanderwegen im Sinne dieser Gesetzesstelle eingeräumt. Anspruch auf den Fortbestand eines Wanderweges kommt den Gemeinden und Organisationen zur Förderung des Wanderns ebenso wenig zu wie das Recht auf Widmung eines Weges als öffentliche Privatstraße. Dass der Straßenerhalter zur Auflassung eines Wanderweges als öffentliche Privatstraße der Bewilligung der Behörde nach Maßgabe des §21 Abs3 Vbg. StraßenG bedarf, erweitert die Rechtssphäre der genannten Organisationen nicht.
Wie immer man die Wirkung einer Verordnung der Gemeinde - "im Einvernehmen mit den Grundbesitzern" - über die Auflassung einer (öffentlichen) Privatstraße beurteilen mag, kann sie jedenfalls die Rechtssphäre des antragstellenden Vereins nicht berühren. Die Frage, ob der in Rede stehende Klettersteig überhaupt eine der Auflassung zugängliche "Straße" im Sinne des Gesetzes ist, muss daher auf sich beruhen.
3. Soweit der Klettersteig über unproduktive Grundstücke führt, die von Fußgängern auch ohne Einverständnis des Grundeigentümers jederzeit betreten werden dürfen (§24 Vbg. StraßenG), lässt die angefochtene Verordnung die Rechtssphäre des antragstellenden Vereins gleichfalls unberührt, weil sein - ohne weitere Voraussetzung gewährleistetes - Recht, auf solchen Grundstücken Wegweiser und Markierungszeichen anzulegen, durch den Wegfall des Gemeingebrauches nicht beseitigt würde. (Dass ihm auf land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken, die gemäß §25 Vbg. StraßenG gleichfalls in näher bezeichnetem Rahmen von Fußgängern betreten werden dürfen, ein solches Recht zustehe, behauptet der antragstellende Verein selbst nicht).
Da der Antrag somit mangels Betroffenheit des ihn stellenden Vereins als unzulässig zurückzuweisen ist (was in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nicht öffentlicher Sitzung geschehen kann), bleibt es dem Verfassungsgerichtshof verwehrt, die angefochtene Verordnung auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.
Schlagworte
Straßenverwaltung, Widmung, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:V76.2002Dokumentnummer
JFT_09959392_02V00076_00