Index
19 Völkerrechtliche VerträgeNorm
StGG Art8Leitsatz
Verstoß gegen Art3 MRK durch Schlag auf den Kopf mit einem Funkgerät keine vertretbare Annahme des Verdachtes eines Vergehens nach §296 StGB; Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch Festnahme und Anhaltung unter Heranziehung des Haftgrundes nach §175 Abs1 Z1 iVm. §177 Abs1 StPO keine Zuständigkeit des VfGH zur Zuerkennung einer HaftentschädigungRechtssatz
Der Verfassungsgerichtshof sprach schon wiederholt aus (vgl. ua. VfSlg. 8146/1977), daß eine (iSd WaffengebrauchsG) unzulässige Anwendung von Körperkraft dann gegen das in Art3 MRK statuierte Verbot erniedrigender Behandlung verstößt, wenn darin eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person zum Ausdruck kommt. Das ist hier zufolge der Beschaffenheit und Begleitumstände des bekämpften Gewaltakts (Kriminalbeamter schlug der Beschwerdeführerin in offenbarer Mißhandlungsabsicht mit einem Funkgerät auf den Kopf) - unbestrittenermaßen - der Fall. Durch diese Mißhandlung wurde die Beschwerdeführerin darum im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art3 MRK verletzt (vgl. VfSlg. 8296/1978, 10250/1984).
Gemäß §177 Abs1 (§10 Z1) StPO können Organe der Sicherheitsbehörden die vorläufige Verwahrung einer Person, die eines Verbrechens oder eines - nicht den Bezirksgerichten zur Aburteilung zugewiesenen - Vergehens verdächtig ist, in dem laut Anzeige herangezogenen und damit (siehe VfSlg. 5232/1966; vgl. auch VfSlg. 9393/1982, VfGH 8.6.1984 B288/80) allein in Betracht kommenden Fall des Haftgrundes nach §175 Abs1 Z1 StPO - so ua. bei Betretung auf frischer Tat - zum Zweck der Vorführung vor den Untersuchungsrichter ausnahmsweise auch ohne schriftliche Anordnung verfügen, sofern sie - nach Lage des Falles - mit gutem Grund (di. vertretbar) der Auffassung sein durften, daß die in Rede stehende Tat wirklich verübt worden sei (vgl. zB VfGH 8.6.1984 B288/80, 21.2.1985 B381/81).
Bloßer Vorwand, es bestehe der Verdacht des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §269 StGB; Fehlen der Voraussetzungen des §177 Abs1 StPO.
Das bedeutet, daß die Beschwerdeführerin durch ihre Festnahme und Anhaltung in Polizeihaft (bis 17.3.1985, 19 Uhr) im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit (Art8 StGG iVm Art5 MRK) verletzt wurde.
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung einer Entschädigung für rechtswidrige Haftanhaltung war schon deswegen zurückzuweisen, weil der Verfassungsgerichtshof zu einer solchen Maßnahme nicht zuständig ist.
Schlagworte
VfGH / Zuständigkeit, VfGH / SachentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B270.1985Dokumentnummer
JFR_10129774_85B00270_01