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16 MedienrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
von der Kommission zur Wahrung des RFG festgestellte Verletzung des §2 Abs1 Z1 lita RFG durch die unwidersprochene Meldung der Absicht eines Rechtsanwaltes, gegen einen Richter Disziplinaranzeige zu erstatten; Erschöpfung des Instanzenzuges; Eingriff in subjektive Rechte der Bf. möglich; Zulassigkeit der Beschwerde; keine Gleichheitsbedenken gegen §2 Abs1 Z1 nicht jede wahrheitsgemäße Berichterstattung muß dem umfassenden Objektivitätsgebot des §2 notwendig entsprechen; kein Anhaltspunkt für Verstoß gegen das Zensurverbot des §13 StGG; keine Willkür; vertretbare Auslegung des §2 RFG - keine Verletzung im Recht auf freie Meinungsäußerung (Art10 Abs1 MRK); ArtI BVG-Rundfunk schafft kein spezifisches Grundrecht des ORF gegen staatliche EingriffeRechtssatz
Bescheid der Rundfunkkommission - Feststellung eines Verstoßes gegen das Objektivitätsgebot des §2 Abs1 Z1 lita RFG.
Nach Auffassung der Beschwerdeführer unterstellte die belangte Behörde dem RFG insofern einen gleichheitswidrigen Inhalt, als sie den Standpunkt einnahm, daß kraft geltender Rechtslage auch wahre Mitteilungen unobjektiv sein können. Diese Einrede ist jedoch von Grund auf verfehlt: Nicht jede wahrheitsgemäße Berichterstattung muß dem umfassenden Objektivitätsgebot des §2 RFG - notwendig - entsprechen. Denn es ist - zum Beispiel - wohl offenkundig, daß etwa von subjektiver Vorliebe geprägte Auswahlpräferenzen für gewisse, wenngleich wahre Meldungen oder Meldungsteile den Anforderungen objektiver - und damit unvoreingenommener - Reportagen nicht unbedingt genügen müssen. §114 StGB, auf den die Beschwerdeführer verweisen, steht zu §2 (Abs1 Z1 lita) RFG in keiner wie immer gearteten Beziehung, kann hier also auch keinen tauglichen Vergleichsmaßstab abgeben, um eine gleichheitswidrige Handhabung des §2 RFG darzutun.
Vertretbare Annahme der Rundfunkkommission, daß auch wahre Mitteilungen dem Objektivitätsgebot des §2 RFG widersprechen können.
Wenn die Beschwerdeführer der Ansicht anhängen, die belangte Rundfunkkommission vermeine, daß das RFG ein verfassungswidriges Zensurgebot festlege, indem sie dafürhalte, die Sendung einer (Rundfunk-)Meldung sei im Sinne des Objektivitätsgebotes erst nach Einholung einer Stellungnahme des Betroffenen zulässig, so wird hier der Begriff der "Zensur" vollkommen mißverstanden: Das Zensurverbot des §13 StGG bedeutet nämlich, daß ein zur Verlautbarung bestimmter Inhalt von Presseerzeugnissen nicht einer vorgängigen behördlichen Prüfung unterworfen werden darf. Die Bescheidbegründung liefert nun nicht den geringsten Anhaltspunkt für die Annahme, daß die Rundfunkkommission dem RFG einen Inhalt beigemessen habe, der dieser Verfassungsbestimmung zuwiderlaufe.
Interpretation des §2 RFG dahin, daß die Sendung einer Meldung erst nach Einholung einer Stellungnahme des Betroffenen zulässig sei, widerspricht nicht dem Zensurverbot.
Das Unterlassen jedweder Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder das Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt ebenso wie ein leichtfertiges Abgehen vom Inhalt der Akten oder das Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes reichen - als besonders gravierende Verfahrensmängel - in die Verfassungssphäre (zB VfSlg. 7328/1974 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg. 7732/1975): Daß ein derartiger Verfahrensfehler (auch) das Gleichheitsgebot verletzen kann, ergibt sich vor allem aus den Erkenntnissen VfSlg. 5139/1965 und 5848/1968.
Kein in die Verfassungssphäre reichender Verfahrensmangel.
Ausgehend von ihrer immerhin vertretbaren Auslegung des §2 RFG (daß die Sendung einer Meldung erst nach tatsächlicher Einholung einer Stellungnahme des Betroffenen zulässig sei) unterließ die Rundfunkkommission zu der von den Beschwerdeführern aufgeworfenen Frage, ob ein Versuch zur Anhörung des Betroffenen noch vor Ausstrahlung der Meldungen unternommen wurde, ersichtlich nur deshalb weitere Ermittlungen, weil alle relevant erachteten Tatsachen - für sie - bereits offen zu Tage lagen, wie aus der Bescheidbegründung deutlich genug hervorgeht.
Der die "Rechte anderer" iSd Art10 Abs2 MRK sichernde §2 RFG fand eine zumindest vertretbare Auslegung (vgl. VfGH 11.10.1986 B193/86).
ArtI des BundesverfassungsG vom 10.7.1974 über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, BGBl. 1974/396, (BVG-Rundfunk) schafft kein spezifisches Grundrecht des ORF gegen staatliche Eingriffe, weil ArtI Abs2 BVG-Rundfunk nur den Bundesgesetzgeber verpflichtet, durch seine Normierungen die Unabhängigkeit des ORF zu gewährleisten, nicht aber selbst jemandem derartige Rechte unmittelbar einräumt.
Schlagworte
Rundfunk, Meinungsäußerungsfreiheit, Beschwerdeverfahren, Rechte verfassungsgesetzlich gewährleisteteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B474.1986Dokumentnummer
JFR_10129774_86B00474_01