RS Vfgh 1987/2/27 B297/85

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Veröffentlicht am 27.02.1987
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Index

10 Verfassungsrecht
10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
StGG Art9
HausRSchG §2 Abs2
MRK Art3
StPO §141 Abs2

Leitsatz

Erlassung eines Haftbefehls gegen den Ehemann der Bf. erst nach Durchsuchung der Wohnung - Verletzung des Hausrechtes durch die von Sicherheitsorganen aus eigener Macht vorgenommene Hausdurchsuchung; kein Verstoß gegen Art3 MRK durch (als Modalität der Hausdurchsuchungen bekämpftes) Beiseitestoßen, um sich Zutritt zu verschaffen

Rechtssatz

Die Einschreiterin ist, da sie unbestrittenermaßen Inhaberin der durchsuchten Wohnung ist, beschwerdelegitimiert (siehe VfGH 5.6.1986 B 226,232,233/85 mit weiteren Entscheidungshinweisen). Auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen sind gegeben, wobei bereits in diesem Zusammenhang hervorzuheben ist, daß ein zur Durchsuchung der Wohnung ermächtigender gerichtlicher Hausdurchsuchungsbefehl nicht erlassen worden war.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes lassen §2 Abs2 des Gesetzes zum Schutz des Hausrechts und §141 Abs2 StPO eine Hausdurchsuchung durch Sicherheitsorgane aus eigener Macht ausschließlich dann zu, wenn a) gegen jemanden ein Vorführungs- oder Verhaftbefehl erlassen, oder wenn b) jemand auf der Tat betreten, c) durch öffentliche Nacheile oder öffentlichen Ruf einer strafbaren Handlung verdächtig bezeichnet oder d) im Besitz von Gegenständen betreten wird, welche auf die Beteiligung an einer solchen (Tat) hinweisen (siehe auch dazu VfSlg. 10327/1985 mit Bezugnahme auf die Vorjudikatur). Der hier allein in Betracht zu ziehende Anwendungsfall a) liegt jedoch nicht vor. Ein Haftbefehl gegen den Ehemann der Beschwerdeführerin wurde nämlich erst nach der Durchsuchung der Wohnung und dessen Festnahme beantragt und erlassen; die einschreitenden Gendarmeriebeamten selbst hatten keine Kenntnis davon, ob gegen den Ehegatten der Beschwerdeführerin überhaupt ein Haftbefehl erlassen worden war.

Der Gerichtshof nimmt an, daß das behauptete Beiseitestoßen der Beschwerdeführerin von ihr nicht als Akt verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gesondert angefochten, sondern bloß als Modalität der von ihr bekämpften Hausdurchsuchung angeführt wird, zumal eine Verletzung des Art3 MRK gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 8146/1977 S 165) hier überhaupt nicht in Betracht kommt. Denn eine solche liegt bei physischen Zwangsakten von Exekutivorganen nur dann vor, wenn qualifizierend hinzutritt, daß sie nicht maßhaltend sind bzw ihnen eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person zu eigen ist; bei einem bloßen Beiseitestoßen, um sich Zutritt zu verschaffen, trifft dies aber keineswegs zu.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Hausrecht, Hausdurchsuchung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B297.1985

Dokumentnummer

JFR_10129773_85B00297_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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