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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art141 Abs1 litaLeitsatz
Anfechtung der Wahl zum Nationalrat 1986; Verweisung in der Anfechtungsschrift auf eine frühere Eingabe unzulässig; maßgebender Zeitpunkt für den Beginn der Anfechtungsfrist; rechtswidrige Ungültigerklärung eines Stimmzettels könnte hier von keinem Einfluß auf das Wahlergebnis sein; im übrigen mangelnde Substantiierung der behaupteten Rechtswidrigkeiten; Abweisung der Wahlanfechtung als unbegründetRechtssatz
Anfechtung der Wahl zum Nationalrat vom 23.11.1986 durch die Wählergruppe "FPÖ" - Rechtzeitigkeit der Wahlanfechtung.
Vorliegend strebt die Anfechtungswerberin in ihrer Anfechtungsschrift nicht die - dem Einspruchsverfahren nach §105 NRWO 1971 vorbehaltene - Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an; sie rügt vielmehr die - in den Bereich sonstiger Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens fallende - Ungültigerklärung von Stimmzetteln (vgl. dazu zB VfGH 6.12.1986 WI-2/86), wofür die sofortige Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita B-VG eingeräumt ist.
Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Anfechtungsfrist ist die Beendigung des Wahlverfahrens (siehe VfSlg. 9085/1981, 9940/1984), das ist hier bei der Wahl zum Nationalrat - soweit es nicht um die Anfechtung ziffernmäßiger Ermittlungen geht - die der jeweiligen Verbandswahlbehörde obliegende Kundmachung (Verlautbarung) des Ergebnisses des zweiten Ermittlungsverfahrens durch Anschlag an der Amtstafel jenes Amtes, dem der Vorsitzende der betreffenden (Verbands-)Wahlbehörde angehört (§103 NRWO 1971; VfSlg. 9940/1984).
Aus den vorgelegten Wahlakten ergibt sich, daß die Verbandswahlbehörde des Wahlkreisverbandes I (für die Wahlkreise Burgenland, Niederösterreich und Wien) das (Wahl-)Ergebnis iS des §103 NRWO 1971 am 1.12.1986 an der Amtstafel des Magistrats der Stadt Wien anschlagen ließ.
Die am 24.12.1986 zur Post beförderte Wahlanfechtung wurde daher rechtzeitig erhoben.
Anfechtung der Wahl zum Nationalrat vom 23.11.1986 durch die Wählergruppe "FPÖ" ua wegen (nach Ansicht der Anfechtungswerberin) zu Unrecht erfolgter Wertung eines Stimmzettels als ungültig.
Nun ist einer Wahlanfechtung - wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung darlegt - nicht schon dann stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde; sie muß darüber hinaus auch auf das Wahlergebnis von Einfluß gewesen sein (Art141 Abs1 Satz 3 B-VG, §70 Abs1 VfGG 1953):
Dazu sprach der Verfassungsgerichtshof wiederholt aus, daß diese (zweite) Voraussetzung bereits erfüllt ist, wenn die Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis von Einfluß sein konnte (vgl. VfSlg. 6424/1971 und die dort angeführte Vorjudikatur, sowie VfSlg. 7392/1974, 7784/1976, 7850/1976, 8853/1980; VfGH 14.6.1986 WI-7/85, 6.12.1986 WI-2/86).
Da aber die behauptete rechtswidrige Ungültigerklärung eines Stimmzettels in der Gemeinde Gerasdorf auf das Wahlergebnis keinesfalls Einfluß üben könnte, ist die Wahlanfechtung in diesem Punkt - allein schon aus dieser Erwägung - unbegründet, ohne daß das dieser Frage gewidmete Anfechtungsvorbringen auf seine materielle Richtigkeit hin geprüft werden mußte.
Substantiierung der behaupteten Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens.
Das hauptsächliche Anfechtungsvorbringen - das sinngemäß darauf hinausläuft, daß sich Vorfälle wie in der Gemeinde Gerasdorf (Wertung eines Stimmzettels, der in der Spalte "FPÖ" bloß den Namen "Jörg Haider" aufwies, als ungültig) auch in anderen Gemeinden Niederösterreichs zugetragen haben sollen, ohne dafür Bescheinigungsmaterial welcher Art immer anzubieten - erfüllt nicht die unabdingbare formale Anfechtungsvoraussetzung einer Substantiierung der behaupteten Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens schon in der Anfechtungsschrift selbst, entzieht sich also einer näheren Untersuchung: Insoweit liegen der Wahlanfechtung in Wahrheit unbestimmt gehaltene Mutmaßungen ohne zureichendes sachliches Substrat zugrunde, die für eine Nachprüfung ungeeignet sind (vgl. VfSlg. 6207/1970, 9650/1983, 10226/1984).
Anfechtung der Nationalratswahl vom 23.11.1986 durch die Wählergruppe "FPÖ" - Nach dem Beschwerdevorbringen sei eine bestimmte (im einzelnen dargelegte) Rechtswidrigkeit "... auch bei anderen Gemeindewahlbehörden ..." vorgefallen.
Bemerkt sei, daß die FPÖ, eine im zuletzt gewählten Nationalrat durch mehr als drei Mitglieder vertretene Partei, in jede Wahlbehörde - zur Kontrollierung der Feststellung der Wahlergebnisse - zumindest Vertrauenspersonen entsenden durfte (§15 Abs3 und 4 NRWO 1971). Sie wäre darum kraft geltenden Rechts durchaus in der Lage gewesen, ihre Behauptung, daß sich bei der örtlichen Stimmzettelprüfung Wertungsfehler ergaben, entsprechend zu konkretisieren. Dabei kann es - der von der Anfechtungswerberin verfochtenen Rechtsmeinung zuwider - allerdings keine Rolle spielen, ob und in welchem Umfang die FPÖ ihre Entsendungsrechte iSd §15 NRWO 1971 tatsächlich in Anspruch genommen hatte.
Behauptete Rechtswidrigkeiten teils ohne Einfluß auf das Wahlergebnis (Wertungsfehler bei der Stimmzettelprüfung) teils mangelnd substantiiert.
Wahlanfechtungsschrift in unzulässiger Verweisung auf eine frühere Eingabe (siehe dazu: VfSlg. 9021/1981, 9887/1983).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Wahlen, VfGH / ParteienvorbringenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:WI14.1986Dokumentnummer
JFR_10129698_86W0I014_01