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19 Völkerrechtliche VerträgeNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelbLeitsatz
gewaltsames Einbringen von Polizeiorganen in die Wohnung des Bf. - Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördicher Befehls- und Zwangsgewalt; keine Hausdurchsuchung iSd Art9 StGG; Annahme einer Gefahr für die Sicherheit der Wohnungsbenützer - Schutzbehauptung; Verwaltungsakt weder in ArtII §4 Abs2 V-ÜG 1929 noch in einer anderen gesetzlichen Bestimmung gedeckt; Verstoß gegen Art8 MRKRechtssatz
Der Beschwerdeführer bekämpft das gewaltsame Eindringen von Polizeiorganen in seine Wohnung. Diese Maßnahme ist ein in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ergangener Verwaltungsakt, der nach Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG beim Verfassungsgerichtshof bekämpfbar ist (vgl. zB VfSlg. 10272/1984).
Unter Unverletzlichkeit des Hausrechts iSd vom Beschwerdeführer relevierten Grundrechts des Art9 StGG ist (nur) der Schutz gegen willkürliche Hausdurchsuchungen zu verstehen.
Für das Wesen einer Hausdurchsuchung charakteristisch, daß nach Personen oder Sachen, von denen unbekannt ist, wo sie sich befinden, gesucht wird. Ein bloßes Betreten einer Wohnung, etwa um zu sehen, von wem sie bewohnt wird oder zur Feststellung der Räume nach Größe, Zahl und Beschaffenheit ist nicht als Hausdurchsuchung zu beurteilen.
Die einschreitenden SWB konnten unter den gegebenen Umständen mit Sicherheit annehmen, daß sich der Beschwerdeführer in seiner Wohnung aufhalte.
Nach dem (gewaltsamen) Öffnen der Wohnungstüre suchten die Beamten weder nach Personen noch nach Sachen.
Da also keine "Suche", wie sie nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes für eine Hausdurchsuchung unerläßlich ist, stattfand, kann eine Verletzung des Art9 StGG keinesfalls vorliegen.
Das Grundrecht nach Art8 MRK greift - jedenfalls im hier allein maßgebenden Zusammenhang - über den Schutzbereich des Art9 StGG hinaus, indem es unabhängig von den Bedingungen einer behördlichen Hausdurchsuchung "jedermann ... (den) Anspruch auf Achtung ... seiner Wohnung (des Hausrechts - siehe VfSlg. 8461/1978) ..."
gewährleistet (Abs1 des Art8 MRK) und den "Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts" nur unter taxativ umschriebenen Voraussetzungen gestattet (Abs2 des Art8 MRK).
Eine gesetzliche Grundlage für den hier beschwerdeverfangenen Eingriff schon iS der ersten Voraussetzung des Art8 Abs2 MRK besteht aber nicht.
Der Beschwerdeführer wurde als Wohnungsberechtigter durch den bekämpften, nach Art und Zweckbestimmung sein Hausrecht mißachtenden behördlichen Zwangsakt, nämlich das gewaltsame Eindringen in seine versperrte Wohnung gegen seinen erkennbaren Willen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art8 MRK verletzt (vgl. dazu die ähnliche Fälle betreffenden Erk. VfSlg. 10272/1984 sowie VfGH 29.9.1985 B643/82).
Im Bericht der Sicherheitsorgane hatte es, anscheinend im Blick auf ArtII §4 Abs2 V-ÜG 1929, BGBl. 393, geheißen, zur Zeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sei die Gefahr eines Unfalles (in der Wohnung) zu befürchten gewesen.
Die belangte Behörde hielt die Behauptung der Unfallsgefahr in der Gegenschrift aufrecht.
Nach dem in der Wachemeldung geschilderten Sachverhalt konnten die SWB nicht ernstlich eine konkrete Gefahr für die Sicherheit der Wohnungsbenützer annehmen; vielmehr konnten sie (nur) darauf schließen, daß sich in der Wohnung tatsächlich die verdächtige Person aufhalte, die sich offenbar vor den nachforschenden Polizeiorganen verbergen wollte. Das Ziel der SWB war von Anfang an offenkundig, mit dieser Person in Kontakt zu kommen; um es zu erreichen, schien ihnen das Eindringen in die Wohnung erforderlich, sodaß sich die Angaben, es sei eine Gefahr für die Wohnungsbenützer zu vermuten gewesen, als bloße Schutzbehauptung herausstellt.
Auch die in der Gegenschrift verwendeten Argumente allein - ohne Hinzutreten weiterer konkreter Hinweise auf das Vorliegen einer Gefahr iS des V-ÜG 1929 - reichen jedenfalls für die Begründung eines derart schwerwiegenden Eingriffs in die Privatsphäre nicht hin.
Schon deshalb scheidet ArtII §4 Abs2 V-ÜG 1929 als Rechtsgrundlage des hier bekämpften Verwaltungsaktes von vornherein aus.
Eine andere gesetzliche Bestimmuug, die das Vorgehen der SWB decken würde, gibt es - auch nach den Behauptungen der belangten Behörde - nicht.
Schlagworte
Hausrecht, HausdurchsuchungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B877.1986Dokumentnummer
JFR_10129696_86B00877_01