RS Vfgh 1987/3/7 G101/86, G102/86, G103/86, G104/86, G105/86, G106/86, G107/86, G108/86, G268/86

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Veröffentlicht am 07.03.1987
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Staatsangehörigkeit
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art139 Abs1
B-VG Art140 Abs1
Sbg GVG 1974 §20 Abs1 erster Satz

Leitsatz

Prüfung der Verfassungsmäßigkeit genereller Normen (im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz) ist unabhängig davon, ob der Bf. als Ausländer das Gleichheitsrecht für sich in Anspruch nehmen kann; keine Bedenken dagegen, daß ein Mitglied der Grundverkehrsbehörde Fachmann auf dem Gebiet der Land- und Forstwirtschaft sein muß; Gleichheitsgebot erfordert nicht, bei Verfahren im Rahmen des Ausländergrundverkehrs eine verschiedene Zusammensetzung ein und derselben Behörde je nachdem vorzusehen, was jeweils Gegenstand des zu beurteilenden Rechtsgeschäftes ist; §20 Abs1 wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben

Rechtssatz

Prüfung des §20 Abs1 des Sbg GrundverkehrsG 1974, LGBl. 8, auf Antrag des Verwaltungsgerichtshofes unter dem Gesichtspunkt der Gleichheitsverletzung - Beschwerdeführer der Anlaßfälle vor dem Verwaltungsgerichtshof sind Ausländer.

Die Salzburger Landesregierung vermeint zwar in ihrer Äußerung, der Verwaltungsgerichtshof sei nicht befugt, die angefochtene Bestimmung wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz zu bekämpfen, weil sämtliche Beschwerdeführer Ausländer seien, auf welche sich das Gleichheitsrecht nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht erstrecke. Die Landesregierung übersieht hiebei die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit genereller Normen unabhängig davon zu erfolgen hat, ob der Beschwerdeführer als Ausländer das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz für sich in Anspruch nehmen kann (siehe VfSlg. 9758/1983, S 618).

Den Anträgen des Verwaltungsgerichtshofes, den ersten Satz des §20 Abs1 des Sbg GrundverkehrsG 1974, LGBl. Nr. 8, als verfassungswidrig aufzuheben, wird keine Folge gegeben.

Der Vorwurf des Verwaltungsgerichtshofes gegen die bekämpfte Regelung geht im Ergebnis dahin, der Gesetzgeber habe einerseits Ungleiches gleich behandelt, indem er ohne Rücksicht auf die rechtliche Qualität eines Grundstückes jedenfalls zwei land- oder forstwirtschaftliche Fachmänner als Beisitzer vorsehe; andererseits behandle der Gesetzgeber Gleiches ungleich, indem er an einzelne Beisitzer fachliche Anforderungen stelle, sich aber bei anderen mit der formalen Nominierung durch bestimmte Stellen ohne weitere fachliche Qualifikation begnüge.

Der Verfassungsgerichtshof hält in ständiger Rechtsprechung (vgl. zB VfSlg. 8544/1979, 8828/1980) den Umstand, daß ein Mitglied der Grundverkehrsbehörde Fachmann auf dem Gebiet der Land- und Forstwirtschaft sein muß, für verfassungsrechtlich unbedenklich, da die besondere Sachkunde wenigstens eines Mitgliedes gerade bei den Angelegenheiten des Grundverkehrs nahezu unentbehrlich ist. Es ist dem Verwaltungsgerichtshof einzuräumen, daß die besondere Sachkunde auf diesen Gebieten beim Ausländergrundverkehr angesichts der Zustimmungskriterien nach §13 des Sbg GrundverkehrsG 1974 mitunter entbehrlich sein wird.

Diese Sachkunde ist aber - was der Verwaltungsgerichtshof nicht in Abrede stellt - auch beim Grunderwerb durch Ausländer dann erforderlich, wenn es sich um ein Rechtsgeschäft über ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück handelt oder wenn die Qualifikation des Grundstückes als land- oder forstwirtschaftlich strittig ist. Das (zusätzliche) Fachwissen von zwei Mitgliedern der Grundverkehrslandeskommission ist nur bei einem Teil der von dieser Behörde im Rahmen der ihr zukommenden Zuständigkeit zu treffenden Entscheidungen nicht von Nutzen. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes erfordert es das Gleichheitsgebot aber nicht, bei Verfahren im Rahmen des Ausländergrundverkehrs eine verschiedene Zusammensetzung ein und derselben Behörde (der Grundverkehrslandeskommission) je nachdem vorzusehen, was jeweils Gegenstand des zu beurteilenden Rechtsgeschäftes ist. Gerade diese Frage kann umstritten sein; dies würde aber - wenn man der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes folgt - dann die Konsequenz mit sich bringen, daß die Zusammensetzung der Behörde vom Ergebnis einer erst zu treffenden Entscheidung abhängt.

Weder aus dem Sachlichkeitsgebot noch sonst aus Bestimmungen der Verfassung ist ableitbar, daß Mitglieder von Kollegialbehörden (hier: die von Interessenvertretungen vorgeschlagenen Mitglieder der Salzburger Grundverkehrslandeskommission) schlechthin eine besondere Sachkunde aufweisen müssen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Sachentscheidung, VfGH / Prüfungsmaßstab, Ausländergrunderwerbsrecht, Behörden, Grundverkehrsrecht,

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:G101.1986

Dokumentnummer

JFR_10129693_86G00101_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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