Index
27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Nach strafgerichtlicher Verurteilung gem. §§146, 147 Abs3 StGB Verhängung einer Disziplinarstrafe (Streichung von der Liste der Rechtsanwälte); zwei- oder mehrmalige Verurteilung wegen ein und desselben Fehlverhaltens bei unveränderter Sach- und Rechtslage ist mit dem Gleichheitsgebot unvereinbar; keine Gleichheitsbedenken gegen §19 bei verfasysungskonformer Interpretation; Verletzung im Gleichheitsrecht dadurch, daß der Bf. wegen ein und derselben Tat (wenn sie auch unter verschiedenen Gesichtspunkten zu Recht zweimal geprüft wurde) insofern zweimal verurteilt wurde, als die Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für 3 Monate nicht in die dreijährige Frist des §14 eingerechnet wurde, und durch zweimalige Verurteilung zum KostenersatzRechtssatz
Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß eine zwei- oder mehrmalige Verurteilung wegen ein und desselben Fehlverhaltens bei unveränderter Sach- und Rechtslage mit dem Gleichheitsgebot unvereinbar ist. Der Verfassungsgerichtshof hält daher auch eine gesetzliche Regelung, die ohne Hinzutreten zusätzlicher Umstände eine Doppelbestrafung erlauben würde, für gleichheitswidrig, wenn sich eine sachliche Rechtfertigung für eine solche gesetzliche Anordnung nicht findet. Die belangte Behörde (OBDK) unterstellt §19 DSt idF BGBl. 1974/497, wonach gegen Rechtsanwälte oder Rechtsanwaltsanwärter, die wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung durch ein inländisches Gericht zu einer Strafe verurteilt worden sind, nach §29 vorzugehen ist, den Inhalt, daß der Disziplinarrat verpflichtet sei, ohne Rücksicht darauf, ob bereits wegen des Verhaltens, das zur strafgerichtlichen Verurteilung führte, "ein Disziplinarverfahren anhängig ist oder war, bzw ob sogar schon eine disziplinäre Verurteilung erfolgt ist" - gegebenenfalls - ein zweites Disziplinarverfahren durchzuführen. Diese Anordnung hält die belangte Behörde für zwingend, zumal §19 DSt in seiner neuen Fassung nicht einmal davon spreche, daß etwa auf eine bereits erfolgte disziplinäre Verurteilung Bedacht zu nehmen ist. Dies würde aber gegen das Gleichheitsgebot verstoßen. Der alleinige Umstand, daß zu einem an sich disziplinär zu ahndenden Fehlverhalten eine strafgerichtliche Verurteilung wegen dieses Fehlverhaltens hinzutritt, kann sachlich nicht rechtfertigen, für ein und dasselbe Fehlverhalten eine zweimalige disziplinäre Bestrafung - einmal vor einer strafgerichtlichen Verurteilung und ein zweites Mal nach derselben - vorzusehen ohne auf die bisherige Verurteilung Bedacht zu nehmen.
Keine Gleichheitsbedenken gegen §19 DSt bei verfassungskonformer Auslegung.
Bereits vor der Novellierung des §19 DSt entsprach es der herrschenden Auffassung (Lohsing 1925, S 386, Lohsing-Braun 1950, S 369), daß der dem Disziplinarrat nach einer strafgerichtlichen Verurteilung vorliegende Tatbestand das Strafurteil und nicht die diesem zugrundeliegende Tat ist; ob diese vor oder nach dem Zeitpunkt begangen wurde, von dem an der Verurteilte unter die Disziplinarstrafgewalt getreten ist, ist im Falle des §19 DSt unerheblich. Dieser Rechtsauffassung tritt der Verfassungsgerichtshof bei, sie gilt auch für die nunmehrige Fassung des §19 DSt. Anlaß für ein Vorgehen nach §19 DSt ist also die strafgerichtliche Verurteilung.
Wird in einem solchen Fall im Wege des §19 DSt nach §29 DSt vorgegangen und im Rahmen des Einleitungsbeschlusses durch Erkenntnis der Beschuldigte für schuldig erkannt, hat das Erkenntnis jedoch auf eine bereits erfolgte disziplinäre Verurteilung Bedacht zu nehmen und auszusprechen, welche Auswirkungen eine frühere Verurteilung, einschließlich des Kostenersatzes, auf die nunmehrige Verurteilung hat. In diesem Zusammenhang wird das Erkenntnis daher auch zu prüfen haben, ob das seinerzeitige Verfahren und Erkenntnis von dem gesamten Tatbild ausgegangen ist, welches sich auf Grund der strafgerichtlichen Verurteilung ergibt oder nicht. Hat das seinerzeitige Verfahren (Einleitungsbeschluß und nachfolgendes Erkenntnis) das Gesamtbild (in objektiver und subjektiver Hinsicht), wie es später im strafgerichtlichen Urteil zum Ausdruck kommt, bereits umfaßt, wäre eine weitere Verurteilung als neuerliche Verurteilung in der Tat unzulässig. Ist dies jedoch nicht der Fall, dann ist der Disziplinarrat bzw in der Folge die OBDK berechtigt und verpflichtet, auf Grund des gesamten Tatbildes, wie es sich nach dem strafgerichtlichen Urteil nunmehr ergibt - ein entsprechender Einleitungsbeschluß vorausgesetzt -, das Verhalten des Rechtsanwaltes zu prüfen und zu würdigen. Kommt es dabei zu einem Schuldspruch, dann ist ausgehend von der bindenden Wirkung des Strafurteiles - immer vorausgesetzt, daß es sich um dieselbe Tat, aber nur unter dem Gesichtspunkt eines anderen Tatbildes (sei es in objektiver, sei es in subjektiver Hinsicht), handelt - das Ergebnis der früheren Verurteilung (allenfalls unter gleichzeitiger Aufhebung oder Ergänzung der früheren Erkenntnisse) zu berücksichtigen.
§19 DSt 1872 idF BGBl. 1974/497, wonach gegen Rechtsanwälte oder Rechtsanwaltsanwärter, die wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung durch ein inländisches Gericht zu einer Strafe verurteilt worden sind, nach §29 vorzugehen ist, im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz.
Sowohl der ursprüngliche Einleitungsbeschluß, als auch das seinerzeitige Erkenntnis erster Instanz sind nicht davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer wegen bewußt gemeinsamen Zusammenwirkens mit anderen Personen, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, vorgegangen ist, sondern lediglich, daß er ihm bekannte Umstände verschwiegen hat, die zur Schädigung dritter Personen führten, wobei offen blieb, ob dies vorsätzlich oder fahrlässig geschah.
Die OBDK hat im Erkenntnis vom 11.7.1983 über die zeitliche Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von drei Monaten zwar von einer Bindung an das rechtskräftige Strafurteil gesprochen, aber nicht jenes Verhalten des Beschwerdeführers ihrer Beurteilung zugrundegelegt, das ihm das Strafurteil zur Last gelegt hat, sondern ausgeführt, daß der Beschwerdeführer "mindestens das ihm mit dem angefochtenen Erkenntnis des Disziplinarrates zur Last gelegte disziplinäre Verhalten begangen" hat. Die OBDK ist also (richtigerweise) bewußt nicht über den Einleitungsbeschluß bzw das Erkenntnis erster Instanz hinausgegangen.
In dem auf Grund des §19 DSt in Gang gesetzten neuerlichen Disziplinarverfahren ist der Disziplinarrat und ihm folgend die belangte Behörde nunmehr - dem Strafurteil folgend zu Recht - von der bewußten Schädigung dritter Personen durch den Beschwerdeführer ausgegangen. Die belangte Behörde hat jedoch in Verkennung der Rechtslage nicht die Frage der Auswirkung des Erkenntnisses des Disziplinarrates der Stmk RAK vom 18.10.1979, Z D 32/78, bzw der OBDK vom 11.7.1983, Z Bkd 55/82, und zwar sowohl hinsichtlich der Anrechnung der Strafe auf die Frist des §14 DSt, als auch hinsichtlich der Kosten geprüft. Zur Anrechnung war sie jedoch verpflichtet, weil letztlich nur eine Tat zu beurteilen war.
Verletzung im Gleichheitsrecht dadurch, daß die belangte Behörde den Beschwerdeführer wegen derselben Tat insoferne mehrmals verurteilt hat, als die erfolgte Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von drei Monaten nicht in die dreijährige Frist des §14 eingerechnet wurde und der Beschwerdeführer zweimal zum Kostenersatz verurteilt wurde.
Schlagworte
Disziplinarrecht Rechtsanwälte, Bescheid Rechtskraft, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B605.1985Dokumentnummer
JFR_10129691_85B00605_01