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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Willkür durch begründungslose (mit dem klaren Wortlaut in Widerspruch stehende) Annahme, daß gesicherte Ansprüche durch Abtretung ihre Sicherung verlieren; Unterstellen eines verfassungswidrigen Gesetzesinhaltes durch die Annahme einer derart unterschiedlichen, grob unsachlichen Behandlung von Arbeitnehmern; Verletzung im GleichheitsrechtRechtssatz
Abweisung von Anträgen der Beschwerdeführer auf Zuerkennung von Ausfallgeld nach dem Insovenz-EntgeltsicherungsG und auf Auszahlung (unter Vorlage der Zessionsurkunde) an den Zessionar (der nach Abtretung der Bezügeforderungen der Beschwerdeführer gegen ihren Dienstgeber diese Forderungen der Beschwerdeführer bezahlt hatte).
Nach §1 Abs1 IESG, BGBl. 324/1977 idF BGBl. 580/1980, haben Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld Arbeitnehmer, ehemalige Arbeitnehmer und ihre Hinterbliebenen sowie die Rechtsnachfolger von Todes wegen dieser Personen (Anspruchsberechtigte) für die nach Abs2 gesicherten Ansprüche.
§8 bestimmt, daß der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld in gleicher Weise wie der gesicherte Anspruch pfändbar, verpfändbar und übertragbar ist. Nach §7 Abs6 sind im Falle der Pfändung, Verpfändung oder Übertragung der gesicherten Ansprüche oder der Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld (§8) die entsprechenden Teilbeträge dem Berechtigten zu zahlen. Durch die IESG-Novelle BGBl. 613/1983 wurde diesem Satz der Halbsatz angefügt: "..., sofern die diesbezüglichen Urkunden oder gerichtlichen Entscheidungen dem Arbeitsamt vor der Erlassung des Bescheides ... vorgelegt wurden" (ArtI Z2 litb). Nach den Erläuterungen der RV dieser Novelle (96 BlgNR XVI. GP, 4) sollte dadurch klargestellt werden, daß eine Auszahlung von Insolvenz-Ausfallgeld für gepfändete oder übertragene gesicherte Ansprüche nur dann erfolgen kann, wenn das Arbeitsamt hievon vor Bescheiderlassung durch Vorlage der entsprechenden Nachweise Kenntnis hat.
Aus den genannten Vorschriften folgt nach Meinung des
Verfassungsgerichtshofes mit unüberbietbarer Deutlichkeit, daß
gesicherte Ansprüche durch Abtretung ("... übertragen worden sind
...", §1 Abs2) ihre Sicherung nicht verlieren, sondern vielmehr
das Ausfallgeld an den Zessionar auszuzahlen ist ("... im Falle der
Übertragung ... dem Berechtigten zu zahlen", §7 Abs6). Dieses
Ergebnis wird durch Wortlaut und Absicht der Novelle 1983 nur bestätigt. Ihm trägt auch das von den Beschwerdeführern bei ihrer Antragstellung benutzte vorgedruckte Formular (BMS-Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld - Juli 1981 S VIII 3 37) durch Frage 13 (über Pfändungen, Verpfändungen oder Übertragungen und Name und Adresse des Gläubigers) Rechnung.
Abweisung von Anträgen der Beschwerdeführer (Dienstnehmer eines insolventen Betriebes) auf Zuerkennung von Ausfallgeld nach dem Insolvenz-EntgeltsicherungsG und auf Auszahlung ihrer (zwischenzeitig abgetreten) Bezügeforderungen aus dem Dienstverhältnis an den Zessionar.
Eine dem klaren Gesetzeswortlaut des §7 Abs6 IESG ohne den leisesten Versuch einer Begründung der abweichenden Meinung entgegenlaufende Vorgangsweise ist geradezu ein Akt der Willkür. Die Behörde unterstellt dem Gesetz damit außerdem einen verfassungswidrigen Inhalt: Da sie nicht etwa annimmt, daß der Zessionar Ausfallgeld begehren kann, läuft ihre Ansicht darauf hinaus, daß eine Abtretung die Sicherung eines Anpruchs überhaupt verloren gehen läßt. Bei Uneinbringlichkeit der abgetretenen Forderung - und diese Uneinbringlichkeit ist für den Fall der Insolvenz des Arbeitgebers gerade typisch - bliebe daher der Zedent dem Rückgriff des Zessionars (§1397 ABGB) ausgesetzt, ohne gegen dessen Ansprüche gesichert zu sein. Eine derart unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern, welche die Auszahlung von Ausfallgeld abwarten können, und solchen, die gezwungen sind, sich durch Verkauf der offenen Forderung die Mittel zum Unterhalt zu beschaffen, wäre grob unsachlich. Die (entgeltliche) Abtretung eines nicht ohne weiteres durchsetzbaren Anspruchs ändert das Sicherungsbedürfnis des Arbeitnehmers nicht. Meist wird sie sogar ein besonderes Sicherungsbedürfnis anzeigen. Der Gesetzgeber muß unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes dem Arbeitnehmer zumindest den Anspruch auf Sicherung durch Zahlung an den Zessionar wahren (wobei es eine andere, hier nicht zu prüfende Frage rechtspolitischer Zweckmäßigkeit ist, ob - auch - der Zessionar selbst Ausfallgeld begehren kann).
Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Verletzung im Gleichheitsrecht.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Arbeitsrecht, Entgeltfortzahlung, ZivilrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B247.1985Dokumentnummer
JFR_10129689_85B00247_01