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10 VerfassungsrechtNorm
StGG Art8Leitsatz
Ausweisleistung mittels Führerschein ohne Nennen der Wohnadresse; Beruf des Bf. (Rechtsanwalt) den Polizisten bekannt; Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch die ausdrücklich auf §35 lita und b VStG 1950 gestützte Festnahme und darauffolgende Anhaltung; der Ersatz der Kosten nach §88 VerfGG 1953 ist dem Bund und dem Land Salzburg je zur Hälfte aufzuerlegen, da die Organe der unterlegenen Bundespolizeidirektion Salzburg im Kompetenzbereich sowohl des Bundes als auch des Landes Salzburg eingeschritten sindRechtssatz
Gesetzwidrige Festnahme; keine mangelnde Indentifizierbarkeit (Führerschein).
Nach der Aktenlage - und von der belangten Behörde unbestritten - hatte der Beschwerdeführer am 27.10.1986 einen gültigen inländischen Führerschein, also ein behördliches Lichtbilddokument, zunächst mehreren amtshandelnden Gendarmen übergeben, die diese Urkunde den später hinzukommenden und die Amtshandlung fortsetzenden Sicherheitswachebeamten aushändigten:
Als der Beschwerdeführer im weiteren Verlauf (wegen des Verdachts einiger Verwaltungsübertretungen) festgenommen wurde, konnten die Beamten - allein schon auf Grund des ihnen zur Verfügung stehenden Führerscheines (vgl. dazu: VfSlg. 8041/1977, 9266/1981 und 10229/1984) - über die Identität des Festgenommenen keineswegs in Zweifel gewesen sein. Ob der Beschwerdeführer, zusätzlich zur Vorweisung des Dokuments, (auch) die daraus nicht ersichtliche Wohnanschrift nannte, spielt - ungeachtet des Umstandes, daß seine Haltung objektive Schwierigkeiten bei der Strafverfolgung mit sich bringen mochte (s. VfSlg. 3154/1957, 7060/1973, 8041/1977) - keine entscheidende Rolle. Genug daran, daß er jedenfalls seine "Identität" nachwies; dient doch die - eine Festnahme nach §35 lita VStG 1950 ausschließende - Ausweisleistung eben dieser Identitätsfeststellung, wie der Gesetzeswortlaut unmißverständlich zeigt (: "... und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist ...").
Es bestanden keine hinlänglich konkreten Anhaltspunkte dafür, daß der Beschwerdeführer sich der Strafverfolgung zu entziehen trachten, insbesondere sich - sei es im Inland, sei es im Ausland - verborgen halten werde: Der Verfassungsgerichtshof nimmt in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt ein, daß (im allgemeinen) nicht einmal das Fehlen eines inländischen Wohnsitzes einen derartigen (Flucht-)Verdacht rechtfertige (VfSlg. 3154/1957, 7060/1973, 8041/1977, 8127/1977, 9916/1984). Ebensowenig können hier die Voraussetzungen des §35 litb VStG 1950 nur deswegen bejaht werden, weil der Beschwerdeführer - laut Inhalt der Administrativakten - keine Wohnadresse nannte (vgl. VfSlg. 4555/1963), wenn (mit-)bedacht wird, daß er seine Identität nachwies und die Polizisten um seinen - im Inland ausgeübten - Beruf als Rechtsanwalt wußten. Daß er sich damals "äußerst fragwürdig" verhalten habe, wie es in einem Polizeibericht (vom 17.12.1986) heißt, konnte darauf keinen Einfluß üben (vgl. dazu zB VfSlg. 3154/1957, 7060/1973).
Die von der Behörde ausdrücklich herangezogenen (siehe Anzeige) und allein in Betracht kommenden (s. VfSlg. 5232/1966, 10229/1984; VfGH 8.6.1984 B288/80 (= VfSlg. 10019/1984 mit hier nicht relevantem Rechtssatz), 27.9.1985 B643/82; vgl. auch VfSlg. 9393/1982 und VfGH 26.9.1986 B468/85) Festnehmungsgründe des §35 lita und b VStG 1950 sind nicht gegeben).
Der Bund (BMöWuV) und das Land Salzburg sind schuldig, dem Beschwerdeführer die mit S 11.000,-- bestimmten Verfahrenskosten je zur Hälfte binnen vierzehn Tagen bei sonstigemäß Zwang zu ersetzen.
Die Kostenentscheidung fußt auf §88 VfGG. Dabei war zu beachten, daß die Organe der belangten Behörde (BPD Salzburg) im Kompetenzbereich sowohl des Bundes als auch des Landes Salzburg einschritten (vgl. VfGH 24.9.1983 B632/82, 20.9.1984 B649/83).
Schlagworte
Verwaltungsstrafrecht, Festnehmung, Identitätsfeststellung, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B1143.1986Dokumentnummer
JFR_10129388_86B01143_01