RS Vfgh 1987/6/19 V40/86

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Veröffentlicht am 19.06.1987
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Güssing vom 17.06.1985 über die Änderung des Flächenwidmungsplanes
Bgld RaumplanungsG §19 Abs2
VfGG §61a

Leitsatz

Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Güssing vom 17.6.1985 betreffend Änderung des Flächenwidmungsplanes (Widmungsänderung); restriktive Beurteilung der dem Verordnungsgeber zustehenden Änderungsmöglichkeiten, va. auch aus dem Grunde der Rechtssicherheit; hier keine wesentliche Änderung der Planungsgrundlagen iS des §19 Bgld. RaumplanungsG - Gesetzwidrigkeit der vom Aufhebungsantrag betreffenden Verordnungsstellen; kein Kostenersatz für einen Schriftsatz an den Beteiligten - nach §61a VerfGG Kostenersatz nur für den obsiegenden Individualantragsteller iS des Art139 B-VG

Rechtssatz

Nach §19 des Gesetzes vom 20.3.1969, LGBl. 18, über die Raumplanung im Burgenland (Bgld. RaumplanungsG) ist der Flächenwidmungsplan abzuändern, wenn dies infolge der Aufstellung oder Abänderung des Entwicklungsprogrammes oder der Vollziehung anderer LG oder von BG notwendig wird (Abs1); der Flächenwidmungsplan darf im übrigen nur abgeändert werden, wenn sich die Planungsgrundlagen infolge Auftretens neuer Tatsachen oder Planungsabsichten in der Gemeinde wesentlich geändert haben (Abs2).

Der Verfassungsgerichtshof ist im Erk. VfSlg. 9361/1982 (betreffend eine Änderung des Flächenwidmungsplanes Illmitz) von dem Grundgedanken ausgegangen, daß unter einer neuen Planungsabsicht iSd §19 Abs2 des Bgld. RaumplanungsG nicht jede Änderungsabsicht schlechthin, sondern vielmehr nur neue Zielsetzungen allg Art zu verstehen sind, welche eine Änderung der Planungsgrundlagen mit sich bringen. Eine darüber hinausgehende Auslegung würde bedeuten, daß die Änderung von Flächenwidmungsplänen bereits dann zulässig wäre, wenn der Gemeinderat zur Auffassung gelangt, eine andere Widmung als die von ihm seinerzeit festgelegte wäre die bessere, vernünftigere und zweckmäßigere. Derartige oder ähnliche Motive des Verordnungsgebers liegen aber wohl jeder Änderung einer Verordnung zugrunde; die dem Verordnungsgeber in §19 Abs2 des Bgld. RaumplanungsG auferlegten Beschränkungen wären dann weitgehend sinnlos.

Aufhebung der Änderung des Flächenwidmungsplanes Güssing auf Antrag des Verwaltungsgerichtshofes, soweit sich die Verordnung auf die Grundstücke der Antragsteller im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bezieht, wegen Verstoßes gegen §19 Abs2 Bgld. RaumplanungsG.

In den Äußerungen der Stadtgemeinde Güssing und der Burgenländischen Landesregierung wird nicht in Abrede gestellt, daß die topographische Situation, insbesondere die ungünstige Grundstücksstruktur und der Mangel an entsprechenden Zufahrtsmöglichkeiten bereits zu dem Zeitpunkt gegeben waren, als (ua.) die Grundstücke Nr. 264 und 265 anläßlich der zweiten Änderung des Flächenwidmungsplanes am 26.2.1980 zu Bauland-Dorfgebiet gewidmet worden sind. Als einziger Grund für die bekämpfte Widmungsänderung wird angeführt, die "Erwartungen" des Gemeinderates auf eine sinnvolle Gestaltung des Baulandes hätten sich nicht erfüllt.

Damit wird schon deshalb keine Änderung, geschweige denn die in §19 Abs2 des Bgld. RaumplanungsG geforderte wesentliche Änderung der Planungsgrundlagen dargetan, weil die Stadtgemeinde Güssing in ihrer Äußerung selbst darauf hinweist, daß dann, wenn eine zufriedenstellende Einigung erreicht werden sollte, der Gemeinderat mittels Verordnung nach §20 Abs2 des Bgld. RaumplanungsG die Verwendung dieses Gebietes als Bauland zulassen werde. Nach den Planungsgrundlagen der Gemeinde ist somit eine Bebauung des hier maßgeblichen Gebietes an sich nach wie vor vorgesehen. Dem Argument der Stadtgemeinde Güssing, "derzeit" sei jedenfalls aufgrund der topographischen Situation, des Mangels einer Zufahrt und der Besitzverhältnisse eine Bebauung dieses Gebietes nicht möglich, ist entgegenzuhalten, daß genau diese Situation bereits im Jahre 1980 anläßlich der Widmung zu Bauland-Dorfgebiet gegeben war.

Der bekämpften Umwidmung lag nicht die Änderung von allgemeinen Zielsetzungen des Gemeinderates, sondern offenkundig lediglich die Auffassung zugrunde, die im Jahre 1980 festgelegte Widmung sei - vielleicht vorschnell ausgesprochen - nicht zweckentsprechend gewesen. Wenn aber der Gemeinderat - bei mehr als einer ihm im Rahmen seines Planungsermessens offenstehenden Möglichkeit - sich für eine bestimmte Lösung entschlossen hat, dann genügt es für eine Änderung des Planes im Sinne der schon im Erk. VfSlg. 9361/1982 wiedergegebenen Interpretation des §19 Abs2 Bgld. RaumplanungsG nicht, wenn sich in der Folge herausstellt, eine andere Widmung wäre die bessere und sinnvollere (gewesen). Für eine solche restriktive Beurteilung der dem Verordnungsgeber zustehenden Änderungsmöglichkeiten sprechen vor allem auch Aspekte der Rechtssicherheit:

Es fällt hiebei nämlich entscheidend ins Gewicht, daß mit der verbindlichen Festlegung der Widmung durch den Verordnungsgeber auch jenes Maß an Rechtssicherheit einzutreten hat, welches es dem Rechtsunterworfenen ermöglichen soll, im Vertrauen auf die Rechtslage seine individuellen Planungsabsichten zu gestalten und mit der Rechtslage zu koordinieren (s. Fröhler-Oberndorfer, Österreichisches Raumordnungsrecht II, Linz 1986, S 122). Gerade das Verwaltungsgeschehen im vorliegenden Fall beleuchtet dies treffend: Als die beim Verwaltungsgerichtshof beschwerdeführenden Grundeigentümer ihre Anträge auf der Basis des geltenden Flächenwidmungsplanes eingebracht hatten, änderte der Gemeinderat die Widmung.

So gesehen liegen unter den hier gegebenen Umständen die Voraussetzungen für eine Planänderung iSd §19 Abs2 leg.cit. nicht vor.

Der von den Beteiligten gestellte Antrag auf Kostenzuspruch für einen eingebrachten Schriftsatz ist abzuweisen, weil ein solcher nach §61a VfGG nur für den obsiegenden Individualantragsteller iSd Art139 Abs1 B-VG vorgesehen ist.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, VfGH / Kosten, Planungsakte Verfahren, Rechtssicherheit, Verordnungserlassung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:V40.1986

Dokumentnummer

JFR_10129381_86V00040_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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