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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art10 Abs1 Z8Leitsatz
§2 Abs2 lite iVm §14 Abs6 bis 11 Vbg. RaumplanungsG idF LGBl. 31/1985 schaffen ein komplexes Zulassungssystem für "Einkaufszentren" nach alleiniger Maßgabe des gewerberechtlichen Lokalbedarfs - Widerspruch zu Art10 Abs1 Z8 B-VG; §2 Abs2 lite ist keine (an sich verfassungsrechtlich unbedenkliche) schlichte Bedachtnahmeregel - Raumplanungsziel "Sicherung der Nahversorgung" in dieser Bestimmung dient aussychließlich der wirksamen Steuerung der Zulassung der Errichtung und des Betriebes von Einkaufszentren; dieses Planungsziel überlagert und verdrängt andere Planungsziele; Aufhebung der Bestimmungen als kompetenzwidrigRechtssatz
Untrennbarer Zusammenhang zwischen jenen Vorschriften des Vbg. RaumplanungsG, die einerseits die "Sicherung der Nahversorgung" als (neues) Raumplanungsziel festlegen (§2 Abs2 lite) und andererseits den Bestimmungen, die ineinandergreifende Zulassungsbedingungen für die Errichtung von Einkaufszentren normieren (§14 Abs6 bis 11).
Normierung von Zulässigkeitskriterien für "Einkaufszentren" in landesgesetzlichen (Raumordnungs-)Vorschriften.
Der Verfassungsgerichtshof nahm in seinen beiden Erkenntnissen VfSlg. 9543/1982 (über die Aufhebung des 2. Satzes der Z3 des §2 Abs6 Oö. ROG, LGBl. 1972/18, idF der Novelle LGBl. 1977/15) und VfSlg. 10483/1985 (über die Aufhebung eines Teils des §51 Abs7 und des 2. Satzes der Z3 im §3 Abs7 Stmk. ROG 1974 idF der Novelle LGBl. 1980/51) den Rechtsstandpunkt ein, daß landesgesetzliche (Raumordnungs-)Vorschriften zur Standortplanung, welche die Errichtung sogenannter "Einkaufszentren" an Voraussetzungen knüpfen, die mit dem jeweiligen Lokalbedarf (nach derartigen Betrieben) identisch sind, "von keiner anderen als der gewerberechtlichen Betrachtungsweise" ausgehen: Normen dieses Regelungsinhalts, dh. über eine Bedarfsprüfung bzw. eine Prüfung der Wettbewerbsverhältnisse im Sinn des Gewerberechts, bevor ein neuer Betrieb entstehen darf, sind also - da die Erlassung solcher Vorschriften nach Art10 Abs1 Z8 B-VG in die ausschließliche Kompetenz des Bundesgesetzgebers fällt - verfassungswidrig. Der Verfassungsgerichtshof hält an dieser Rechtsauffassung - ungeachtet der daran von der Vorarlberger Landesregierung der Sache nach geübten Kritik - unverändert fest.
Raumplanungsziel des §2 Abs2 lite des Vbg. RPlG idF der Novelle LGBl. 1985/31 ("Sicherung der Nahversorgung") ist keine (bloße) Bedachtnahmeregel.
Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, daß die in Prüfung gezogenen landesgesetzlichen Vorschriften der Novelle (zum Vbg. RPlG) LGBl. 1985/31 insgesamt (: §2 Abs2 lite (teilweise) iVm §14 Abs6 bis 11) ein komplexes Zulassungssystem für "Einkaufszentren" nach alleiniger Maßgabe des gewerberechtlichen Lokalbedarfs schaffen, das mit der Kompetenzrechtslage des B-VG (Art10 Abs1 Z8) nicht im Einklang steht. Verglichen mit den aufgehobenen Regelungen der Bundesländer Oberösterreich und Steiermark (VfSlg. 9543/1982 (über die Aufhebung des 2. Satzes der Z3 des §2 Abs6 Oö. ROG, LGBl. 1972/18, idF der Novelle LGBl. 1977/15) und VfSlg. 10483/1985 (über die Aufhebung eines Teils des §51 Abs7 und des 2. Satzes der Z3 im §3 Abs7 Stmk. ROG 1974 idF der Novelle LGBl. 1980/51)), schlug der Vbg. Landesgesetzgeber dabei allerdings einen neuen legislativ-technischen Weg ein. Zunächst statuiert §2 Abs2 lite RPlG idF der Novelle LGBl. 1985/31 ein weiteres Raumplanungsziel, nämlich die "Sicherung der Nahversorgung", das neben das schon in der Stammfassung dieser Gesetzesstelle enthaltene Planungsziel (: "Vorsorge für geeignete Standortbereiche für Betriebe des Handels ... unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Entwicklung") gestellt wird. Die Rechtsmeinung des BKA-Verfassungsdienst, es handle sich hiebei nur um einen (zusätzlich eingeführten) Aspekt, auf den im Zusammenhang mit dem Planungsziel "Vorsorge für geeignete Standortbereiche ..." (bloß) Bedacht zu nehmen sei, vermag der Verfassungsgerichtshof nicht zu teilen. Der strittigen Wortfolge des novellierten §2 Abs2 lite RPlG den Inhalt einer verfassungsrechtlich (iSd Erk. VfSlg. 9543/1982) unbedenklichen schlichten Bedachtnahmeregel beizumessen, verbietet sich hier nämlich schon deswegen, weil ein derartiges Normverständnis dem Sprachgebrauch des Raumplanungsgesetzgebers zuwiderliefe, der (auch) im §2 Abs2 litd und g der Stammfassung die "Sicherung" bestimmter Bereiche und Umstände in vergleichbaren Formulierungen ganz unzweifelhaft als eigenständige Raumplanungsziele postuliert und festgelegt hatte. Damit stimmt letztlich auch der Bericht zur Regierungsvorlage über eine Änderung des RPlG aus dem Jahr 1985 (: 8. Beilage zu den Sitzungsberichten des XXIV. Vbg. Landtags) überein, der die "Sicherung der Nahversorgung" (nun in §2 Abs2 lite RPlG) expressis verbis als (neues) "Raumplanungsziel" kennzeichnet.
Die Worte "und Sicherung der Nahversorgung" im §2 Abs2 lite und §14 Abs6 bis 11 des (Vbg.) RaumplanungsG, LGBl. 1973/15, idF der Novelle LGBl. 1985/31 werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Es liegt nicht nur auf der Hand, daß das Raumplanungsziel "Sicherung der Nahversorgung" in §2 Abs2 lite RPlG igF - das als eines von mehreren Zielen dieser Art an sich durchaus "kompetenzneutral" sein könnte - hier ausschließlich der wirksamen Steuerung der Zulassung der Errichtung und des Betriebs von Einkaufszentren dienen soll und dient; es ist - so im Blick auf die unauflösbar enge Verflechtung (des §2 Abs2 lite RPlG igF) mit den auf das Phänomen der "Einkaufszentren" zugeschnittenen Vorschriften des §14 Abs6 bis 11 leg.cit. - offenkundig, daß dieses Ziel das für solche Handelsbetriebe entscheidende Zulassungskriterium (iS einer Prüfung des Lokalbedarfs) abgibt, das mögliche andere Planungsziele überlagert und verdrängt: Ist nämlich die Nahversorgung gesichert, dh. die Bevölkerung durch bestehende Betriebe bereits ausreichend versorgt, so kommt die Errichtung neuer Einkaufszentren keinesfalls (mehr) in Betracht.
Das Gesamtbild der geprüften ineinander verzahnten Vorschriften zeigt jedenfalls ein unter dem Mantel der Raumordnung geschaffenes - und solcherart verdecktes - gewerbliches Zulassungssystem für sogenannte Einkaufszentren (nach Maßgabe des Lokalbedarfs), das - im Hinblick auf das offenbar befürchtete Ausufern der Zahl dieser Betriebsstätten - gewerberechtspolitisch erwünscht sein mag, wofür jedoch der Landesgesetzgeber nach den Kompetenzregeln des B-VG nicht zuständig ist, wie schon im Prüfungsbeschluß herausgestellt wurde.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Prüfungsgegenstand, Baurecht, Raumordnung, Kompetenz Bund - Länder Raumplanung, GewerberechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:G137.1986Dokumentnummer
JFR_10129377_86G00137_01