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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art137 / Klage zw GebietskLeitsatz
Klage einer Gemeinde wegen vermögensrechtlicher Ansprüche aus dem Finanzausgleich; ausschließlich auf die (behauptete) Verfassungswidrigkeit der Gemeindezusammenlegung von St. Pölten mit einer anderen Gemeinde gestütztes Klagebegehren; hier mangelnde Präjudizialität der die Gemeindestruktur regelnden Vorschriften; Abweisung der KlageRechtssatz
Zulässigkeit einer Klage, die zwar einen vermögensrechtlichen Anspruch iSd Art137 B-VG geltend macht, aber keine ziffernmäßig bestimmte Summe einklagt.
Klage der Gemeinde Alberndorf gegen das Bundesland Niederösterreich auf Überweisung zusätzlicher (nach der Berechnungsmethode der Klägerin zustehender) Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben.
Die Gemeinde Alberndorf macht mit ihrer Klage einen vermögensrechtlichen Anspruch iSd Art137 B-VG geltend, weil für den Zeitraum ab 1.10.1986 die Überweisung eines nach ihrer Berechnungsmethode zu ermittelnden Geldbetrages begehrt wurde, der die ihr bereits überwiesenen Ertragsanteile übersteigt. Ein solcher gegen ein Bundesland gerichteter Anspruch ist weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch verwaltungsbehördlichen Bescheid zu erledigen (vgl. VfSlg. 7644/1975; VfGH 5.12.1985 A42/85) und entspricht somit den von Art137 B-VG verlangten Voraussetzungen.
Die Klage ist daher zulässig.
Präjudizialität gemeindeorganisatorischer Vorschriften.
Die wesentliche Frage, die es zu lösen gilt, ist, ob der Verfassungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Klage die gemeindeorganisatorischen Vorschriften (§3 Abs17 Nö. KStVG; §1 und §3 Abs1 Z3 des Nö. GliederungsG) iSd Art140 Abs1 B-VG anzuwenden hätte; nur dann käme nämlich die Einleitung eines amtswegigen Gesetzesprüfungsverfahrens - wie es die klagende Gemeinde anregt - in Betracht.
Der Verfassungsgerichtshof hat im Erk. VfSlg. 9751/1983 folgendes ausgeführt:
"Es ist offenkundig, daß die Art139 Abs1 und 140 Abs1 B-VG den Verfassungsgerichtshof nicht dazu ermächtigen, jede generelle Norm von Amts wegen zu prüfen, die für seine Entscheidung auch nur irgendwie von Bedeutung sein kann; denn irgendwie bedeutsam kann letztlich jede Norm, dh. die gesamte Rechtsordnung sein. Der Sinn dieser bundesverfassungsgesetzlichen Vorschriften ist es vielmehr, den Umfang jener genereller Normen, die zu prüfen der Verfassungsgerichtshof befugt ist, einzugrenzen.
Diese Schranken lassen sich nicht allgemein umschreiben. Vielmehr hat der Verfassungsgerichtshof unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten des jeweiligen Falles zu entscheiden, wo die Grenze zu ziehen ist (vgl. Kelsen-Fröhlich-Merkl, Die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920, Wien und Leipzig 1922, S 254)."
Der Verfassungsgerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, von dieser Judikatur - an der er im E v 11.3.1986, B495/85 festgehalten hat - abzurücken.
Unter den besonderen Umständen dieses Falles hat somit der Verfassungsgerichtshof der Frage, weshalb die Gemeinde Pottenbrunn nun nicht mehr rechtlich existent ist, nicht weiter nachzugehen. Er hat daher die in Betracht kommenden, die Gemeindestruktur regelnden Vorschriften nicht iSd Art140 Abs1 B-VG "anzuwenden". Sie sind demnach in diesem Klageverfahren, das auf den Finanzausgleich gegründete Ansprüche zum Gegenstand hat, nicht präjudiziell.
Das Klagebegehren wird ausschließlich damit begründet, daß sich die im Jahre 1971 durch das KStVG verfügte und in der Folge durch das GliederungsG perpetuierte Zusammenlegung der Stadt St. Pölten und der Gemeinde Pottenbrunn für die klagende Gemeinde bei Zuteilung ihrer Ertragsanteile nachteilig auswirke und daß die Gemeindevereinigung verfassungswidrig sei.
Gemäß §8 Abs3 erster und zweiter Satz FAG 1985 bestimmt sich die - für die Ermittlung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels nach §8 Abs3 dritter Satz dieses Gesetzes und in weiterer Folge für die Verteilung der Ertragsanteile auf die Gemeinden des Landes gemäß §10 Abs2 leg.cit. maßgebende - Volkszahl nach dem vom Österreichischen Statistischen Zentralamt aufgrund der letzten Volkszählung festgestellten Ergebnis; dieses Ergebnis wirkt mit dem Beginn des dem Stichtag der Volkszählung nächstfolgenden Kalenderjahres.
Für den hier in Betracht zu ziehenden Zeitraum ab 1.10.1986 sind die Ergebnisse der Volkszählung 1981 von Bedeutung. Gegen die Gesetzmäßigkeit der Feststellung dieser Ergebnisse werden in der Klage keine Bedenken vorgebracht; solche sind auch sonst im Verfahren nicht entstanden (zur Frage der Überprüfung von Volkszählungsergebnissen vgl. etwa VfSlg. 10044/1984 und die dort zitierte weitere Judikatur).
Die Volkszahl der klagenden Gemeinde ist nicht strittig, ebensowenig wie jene der Stadt St. Pölten und jene der anderen niederösterreichischen Gemeinden. Das FAG 1985 knüpft bei Regelung der Verteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben nicht an ein Gesetz, sondern an einen Sachverhalt an, nämlich an die bestehende Gemeindestruktur - ein verfassungsrechtlich unbedenklicher, von der Sache geradezu gebotener Umstand. Die die Unterverteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben auf die Gemeinden vornehmenden Organe des Landes sind nicht genötigt, hiebei irgendwelche Überlegungen über die rechtlichen Grundlagen der Gemeindestruktur anzustellen, insbesondere nicht, wie und weshalb sich diese so entwickelt hat, wie sie klar und eindeutig für die Landes- und die Gemeindeorgane erkennbar ist.
Sämtliche Klagsbehauptungen beruhen aber auf der gegenteiligen Ansicht. Auf diese - von einer verfehlten Prämisse ausgehenden - Vorwürfe ist nicht einzugehen.
Das Klagebegehren erweist sich sohin als unbegründet. Es war daher abzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Klagen, Finanzverfassung, Finanzausgleich, Gemeinden, VfGH / Präjudizialität, Gemeinderecht ZusammenlegungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:A2.1987Dokumentnummer
JFR_10129376_87A00002_01