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80 Land-und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art2 Abs1Leitsatz
§37 Abs1 WeinG 1985 ist die entscheidende Zurechnungsregel dafür, daß die Bundeskellereiinspektoren ausschließlich für den BMLF (als ihm direkt unterstellte, relativ selbständige Hilfsorgane) handeln - keine "Übertretung" von hoheitlichen Aufgaben an die Bundeskellereiinspektoren; systematische und den Werdegang des Gesetzes sowie den Willen des Gesetzgebers bedenkende Gesetzesauslegung - keine Behördenqualität der Bundeskellereiinspektoren; jedoch verfassungswidrige Beeinträchtigung des Systems der mittelbaren Bundesverwaltung (Art102 B-VG) durch die Ausschaltung des Landeshauptmannes; dem bundesstaatlichen Baugesetz konforme Auslegung der Verfassungs geboten; mittelbare Bundesverwaltung - tragendes Element des bundesstaatlichen Prinzips; Aufhebung des §37 Abs1 als verfassungswidrig; Einstellung des Verfahrens hinsichtlich §40 Abs1Rechtssatz
Bundeskellereiinspektoren iSd WeinG 1985 sind nicht als selbständige Bundesbehörden zu qualifizieren, sondern als Teil des dem BM zugeordneten Hilfsapparates "Bundesministerium".
Der Verfassungsgerichtshof ging im Einleitungsbeschluß zunächst davon aus, daß die mit den Agenden der Weinaufsicht betrauten Bundeskellereiinspektoren der Sache nach als selbständige Bundesbehörden zu qualifizieren seien, die in Unterordnung unter den BMfLF in unmittelbarer Bundesverwaltung (also unter Ausschaltung des Landeshauptmannes als Träger der mittelbaren Bundesverwaltung) bestimmte Aufgaben zu besorgen hätten. Zwar sei es die Intention des §37 Abs1 WeinG gewesen, die Bundeskellereiinspektoren nicht als selbständige Bundesbehörden, sondern bloß als interne Organisationseinheiten des Bundesministeriums einzurichten, doch scheine es - wie der Verfassungsgerichtshof aus mehreren Bestimmungen des WeinG abzuleiten suchte - dem Gesetzgeber nicht gelungen zu sein, diese Absicht zu verwirklichen.
Dieser Qualifikation des Verfassungsgerichtshofes ist die Bundesregierung im Ergebnis zu Recht entgegengetreten. Sie erblickt in §37 Abs1 WeinG die entscheidende Zurechnungsregel, aus der zu entnehmen ist, daß die Bundeskellereiinspektoren ausschließlich für den BMfLF handeln. Der Bundesregierung ist zuzustimmen, daß eben wegen der Existenz dieser Zurechnungsregel von einer "Übertragung" von hoheitlichen Aufgaben an die Bundeskellereiinspektoren als solche nicht gesprochen werden kann, da diese nur als Teil des dem BM zugeordneten Hilfsapparates "Bundesministerium" handeln. Zwar lassen die vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluß hervorgehobenen Bestimmungen des WeinG (insbesondere §§31 Abs4, 55 Abs6, 38 Abs2, 41 Abs3 und 57 Abs3 Z2) für sich allein betrachtet tatsächlich auf eine Behördenqualität der Kellereiinspektoren schließen und stehen somit in einem Spannungsverhältnis zur Regel des §37 Abs1 leg.cit., doch läßt sich dieses Spannungsverhältnis im Sinne systematischer und den Werdegang des Gesetzes und Willen des parlamentarischen Gesetzgebers bedenkender Interpretation (vgl. den Ausschußbericht 694 BlgNR 16. GP) zugunsten der von der Bundesregierung dargelegten Ansicht auflösen.
Es ist verfassungsrechtlich an sich nicht ausgeschlossen, im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung in einem bestimmten Ausmaß und unter Einhaltung sonstiger verfassungsrechtlicher Grenzen dem BM auch Agenden zur Besorgung in erster Instanz zu übertragen. Auch ist es an sich zulässig, vorzusehen, daß sich der BM zur Besorgung solcher Aufgaben ihm direkt zugeordneter Hilfsorgane bedient. Diese Ermächtigung ist aber von Verfassungs wegen beschränkt. Insbesondere darf sie nicht dazu führen, das System der mittelbaren Bundesverwaltung, das zu den wesentlichen Elementen der Realisierung des bundesstaatlichen BauG der österreichischen Bundesverfassung zählt (vgl. etwa VfSlg. 1030/1928; Ermacora, Österreich als kooperativer Bundesstaat, in:
Klecatsky (Hrsg), Die Republik Österreich, 1968, 219 ff, insbesondere 225 ff; Funk, Einführung in das österreichische Verfassungs- und Verwaltungsrecht, 4. Aufl, 1984, 78 f; Öhlinger,
Zur Entstehung, Begründung und zu Entwicklungsmöglichkeiten des österreichischen Föderalismus, in: FS Hellbling, 1981, 313 ff, insbesondere 321), zu unterlaufen.
Wie Adamovich-Funk (Österreichisches Verfassungsrecht, 3. Aufl, 1985, 127) zu Recht betonen, vermittelt die Einrichtung der mittelbaren Bundesverwaltung "den Ländern eine weitreichende Trägerschaft und damit bedeutende Einflußmöglichkeiten im Bereich der Vollziehung von Bundesaufgaben". Die relative Stärke der Länder auf diesem Gebiet ist Ausdruck des im B-VG verwirklichten verfassungspolitischen Konzepts. Es wäre verfassungswidrig, wollte man dieses tragende Element des bundesstaatlichen Prinzips durch rechtstechnische Konstruktionen aushöhlen wollen. Zu Recht weisen daher Raschauer (Die obersten Organe der Landesverwaltung, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, FS Antoniolli, 1979, 386) und Antoniolli-Koja (Allgemeines Verwaltungsrecht, 1986, 385) darauf hin, daß das Prinzip der mittelbaren Bundesverwaltung es verbietet, "Vollzugskonstruktionen zu erfinden, die den Landeshauptmann schlechthin 'umgehen'".
Das Prinzip der mittelbaren Bundesverwaltung verbietet es, Vollzugskonstruktionen zu erfinden, die den Landeshauptmann schlechthin 'umgehen'. (vgl. Raschauer (Die obersten Organe der Landesverwaltung, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, FS Antoniolli, 1979, 386) und Antoniolli-Koja (Allgemeines Verwaltungsrecht, 1986, 385)).
Zu einer solchen - verfassungswidrigen - Aushöhlung des Prinzips der mittelbaren Bundesverwaltung durch Ausschaltung des Landeshauptmanns als Träger dieser Art der Besorgung von Verwaltungsaufgaben des Bundes (VfSlg. 2978/1956, 5681/1968; Adamovich-Funk, aaO 277) führt aber die im WeinG (§37 Abs1) für die Bundeskellereiinspektoren gewählte Konstruktion. Denn es werden bei dieser Konstruktion Verwaltungsaufgaben, die nach dem Verfassungskonzept in mittelbarer Bundesverwaltung wahrzunehmen wären, dem BM übertragen, der sie mit Hilfe der Bundeskellereiinspektoren als ihm direkt unterstellte, relativ selbständige Hilfseinrichtungen zu erfüllen hat. Damit werden einerseits dem BM unmittelbar wichtige Verwaltungsaufgaben übertragen, die - sofern er sie nicht in erster Instanz zu vollziehen hat - in mittelbarer Bundesverwaltung zu besorgen wären; andererseits werden im Effekt dem BM unmittelbar unterstellte Verwaltungseinrichtungen "im Bereich der Länder" zur dekonzentrierten Besorgung dieser Aufgaben berufen. In der hier vorliegenden Ausgestaltung führt diese Konstruktion insgesamt zu einer verfassungswidrigen Aushöhlung des Prinzips der mittelbaren Bundesverwaltung:
Bei der Wahrnehmung der Aufgaben der Weinaufsicht durch die Bundeskellereiinspektoren handelt es sich nämlich nicht um bloß fallweise Inspektionsreisen oder um bloß teilweise im Außendienst zu besorgende Aufgaben der Bundesverwaltung. Vielmehr wird ein Teilbereich der Vollziehung der Weinaufsicht insgesamt organisatorisch durch relativ selbständige, dekonzentrierte, im Bereich der Länder lokalisierte Einrichtungen besorgt, was durch die spezifische gesetzliche Regelung notwendig wird, die den Bundeskellereiinspektoren - wie im Prüfungsbeschluß näher ausgeführt - eigene Zuständigkeiten zuweist (vgl. etwa §§31 Abs4, 38 Abs2, 41 Abs3, 55 Abs6, 57 Abs3 Z2 und 67
Abs1 WeinG). Die Bundeskellereiinspektoren haben dabei in dem ihnen jeweils durch Dienstanweisung örtlich zugewiesenen Wirkungsbereich tätig zu werden und sind in ihrer Tätigkeit nicht dem Landeshauptmann, sondern dem BM direkt untergeordnet.
§37 Abs1 des WeinG 1985, BGBl. 444/1985, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Durch die im WeinG hinsichtlich der Kellereiinspektoren gewählte Konstruktion werden Verwaltungsaufgaben, die nach dem Verfassungskonzept in mittelbarer Bundesverwaltung wahrzunehmen wären, dem BMfLF übertragen, der sie mit Hilfe der Bundeskellereiinspektoren als ihm direkt unterstellte, relativ selbständige Hilfseinrichtungen zu erfüllen hat.
Die vom Gesetzgeber gewählte Konstruktion erweist sich somit als ein Eingriff in das System der mittelbaren Bundesverwaltung, das Art102 B-VG für die Besorgung von Bundesaufgaben im Bereich der Länder vorsieht. Ein solcher Eingriff ist aber - bei der gebotenen baugesetzkonformen Auslegung der Verfassung (vgl. zB VfSlg. 1030/1928, 2977/1956, 8891/1980; sowie insbesondere Merkl,
Die Baugesetze der österreichischen Bundesverfassung, in:
Klecatsky (Hrsg), Die Republik Österreich, 1968, 77 ff, hic: 101, und Antoniolli, Die rechtliche Tragweite der Baugesetze der Bundesverfassung, in: FS Merkl, 1970, 33 ff, insbesondere 36) - verfassungsrechtlich nicht zulässig und belastet jene Bestimmungen, die dieses System konstituieren, mit Verfassungswidrigkeit.
Da diese Verfassungswidrigkeit ihren Sitz ausschließlich in der in Prüfung gezogenen Bestimmung des §37 Abs1 WeinG hat, war diese Bestimmung - ihres untrennbaren Zusammenhanges willen insgesamt - als verfassungswidrig aufzuheben.
Schlagworte
Weinrecht, Behördenbegriff, Bundesminister, Hoheitsverwaltung, Bundesstaat, Bundesverwaltung mittelbare, Verwaltung, Zuständigkeit, BundesstaatsprinzipEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:G78.1987Dokumentnummer
JFR_10129299_87G00078_01