Index
L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Entscheidung der Landes-Grundverkehrskommission als zweitinstanzlicher Behörde über den Verfall einer Kaution anstelle der zuständigen erstinstanzlichen Bezirks-GrundverkehrskommissionSpruch
Die beschwerdeführenden Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit je € 2.142,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Folgende Sachverhalte sind gegeben:
1.1. Zu B992/03
Mit Bescheid des Landesgrundverkehrsreferenten wurde dem Beschwerdeführer die Erteilung einer Bieterbewilligung für die Zwangsversteigerung eines Hofes versagt. Die Landes-Grundverkehrskommission erteilte in Stattgabe der Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 20. November 2001 die Bieterbewilligung mit der Auflage, dass der Beschwerdeführer innerhalb eines Jahres ab Erteilung des Zuschlages auf den Hof aufzuziehen habe. Zur Sicherung der gem. §8 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im Folgenden: TGVG 1996) vorgeschriebenen Auflage wurde dem Beschwerdeführer gemäß §8 Abs2 TGVG 1996 eine Kaution in der Höhe von ATS 500.000,-- in Form einer auf drei Jahre befristeten Bankgarantie vorgeschrieben.
1.1.1. Mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission vom 18. Juni 2003 wurde die Kaution zugunsten des Landeskulturfonds für Tirol für verfallen erklärt, da die vorgeschriebene Auflage schuldhaft nicht erfüllt worden sei.
1.1.2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 B-VG) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
1.1.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Beschwerdeführer hat eine Replik erstattet.
1.2. zu B994/03
Mit Kaufvertrag vom 5.8./13.8.1998 hat HG eine Liegenschaft samt Hofstelle an den Beschwerdeführer verkauft.
Die bei der Bezirkshauptmannschaft Lienz eingerichtete Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde I. Instanz hinsichtlich land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke hat diesem Rechtsgeschäft die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt.
Die Landes-Grundverkehrskommission erteilte in Stattgabe der Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 25. Oktober 2000 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung mit der Auflage, dass der Beschwerdeführer binnen 12 Monaten auf die Hofstelle aufzuziehen und dort seinen Hauptwohnsitz zu nehmen habe. Zur Sicherung der gemäß §8 Abs1 TGVG 1996 vorgeschriebenen Auflage wurde dem Beschwerdeführer gemäß §8 Abs2 TGVG 1996 eine Kaution in der Höhe von S 200.000,- in Form einer auf drei Jahre befristeten Bankgarantie vorgeschrieben. Über Antrag des Beschwerdeführers wurde die Frist für den Aufzug auf den Hof bis 31. Dezember 2002 verlängert.
1.2.1. Mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission vom 20. Juni 2003 wurde die Kaution für verfallen erklärt, da die mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission vorgeschriebene Auflage schuldhaft nicht erfüllt worden sei.
1.2.2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG), auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 B-VG), auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) und in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
1.2.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Beschwerdeführer hat ein ergänzendes Vorbringen erstattet.
1.3. zu B1481/03:
Mit Kaufvertrag vom 16.10./2.11.2000 hat FJE einen geschlossenen Hof erworben. Bereits im Kaufvertrag verpflichtete sich der Beschwerdeführer auf dem Hof seinen ständigen Wohnsitz zu nehmen und ihn selbst bzw. vorerst mit der Pächterin gemeinsam zu bewirtschaften.
Mit Bescheid der bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel eingerichteten Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde erster Instanz wurde dem Rechtserwerb die Genehmigung erteilt. Über die dagegen erhobene Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten entschied die Bezirks-Grundverkehrskommission mit Berufungsvorentscheidung, die über Vorlageantrag des Landesgrundverkehrsreferenten außer Kraft trat.
Die Landes-Grundverkehrskommission hat mit Bescheid vom 20. August 2001 die Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten als unbegründet abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid durch die Vorschreibung der Auflage, dass der Beschwerdeführer binnen eines Jahres auf den Hof aufzuziehen und binnen zwei Jahren die ordentliche Selbstbewirtschaftung der Liegenschaft durchzuführen habe, ergänzt. Zur Sicherung der gemäß §8 Abs1 TGVG 1996 vor geschriebenen Auflagen wurde dem Beschwerdeführer gemäß §8 Abs2 TGV 1996 eine Kaution in der Höhe von jeweils S 500.000,-, sohin insgesamt von S 1.000.000,-, in Form einer auf drei Jahre befristeten Bankgarantie vorgeschrieben.
1.3.1. Mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission vom 24. September 2003 wurde über die Anträge des Beschwerdeführers betreffend die Erstreckung der Frist für die Erfüllung der mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission vom 20. August 2001 vorgeschriebenen Auflagen entschieden; der Antrag auf Aufhebung der mit Bescheid vom 20. August 2001 vorgeschriebenen Auflagen wurde gemäß §8 Abs3 TGVG 1996 abgewiesen. Der Antrag auf Verlängerung der Frist für die Erfüllung der vorgeschriebenen Auflagen wurde als unzulässig zurückgewiesen. Gemäß §8 Abs2 TGVG 1996 wurde festgestellt, dass die vorgeschriebene Kaution in Höhe von € 36.336,417 zur Sicherung der Erfüllung der Auflage binnen eines Jahres auf den Hof B aufzuziehen, zugunsten des Landeskulturfonds für Tirol verfallen sei.
Ausdrücklich wurde noch darauf hingewiesen, dass mit dem vorliegenden Bescheid lediglich über den Verfall der Kaution betreffend die Auflage auf den Hof B aufzuziehen, abgesprochen worden sei.
1.3.2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG), auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
1.3.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
2. In den unter sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 Abs2 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden wird in den zu B992/03 und B1481/03 protokollierten Beschwerden, der Sache nach auch in der zu B994/03 protokollierten Beschwerde die Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter damit begründet, dass die belangte Behörde als Grundverkehrsbehörde zweiter Instanz eine Zuständigkeit in Anspruch genommen habe, die ihr nach dem Gesetz nicht zukomme. Gemäß §8 Abs2 TGVG 1996 habe die Grundverkehrsbehörde den Verfall der Kaution festzustellen. In Verbindung mit §26 TGVG 1996 könne nur die Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde erster Instanz dafür zuständig sein.
Die Landes-Grundverkehrskommission als belangte Behörde verteidigt ihre Zuständigkeit unter Hinweis auf §7 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983 LGBl. 69 (im folgenden: TGVG 1983), die entsprechende Vorgängerbestimmung, die folgenden Wortlaut hatte:
"Der Eintritt des Verfalls ist durch die Grundverkehrsbehörde, die die Auflage in letzter Instanz verfügt hat, mit Bescheid festzustellen."
Der Verfassungsgerichtshof habe keine Bedenken hinsichtlich der Verfassungskonformität dieser Regelung geäußert (vgl. VfSlg. 15139/1998). Die Nachfolgebestimmung sei §8 Abs2 TGVG 1996, die nur insofern abgeändert worden sei, als dass der Halbsatz "die Auflage in letzter Instanz verfügt hat" entfallen sei. Diese Änderung sei erstmals im Tiroler Grundverkehrsgesetz 1993 erfolgt. In den Erläuternden Bemerkungen zum Tiroler Grundverkehrsgesetz 1993 heiße es zu §8 lediglich: "Dieser Paragraph entspricht weitgehend dem §7 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983." Daraus sei zu schließen, dass der Gesetzgeber mit dem Entfall des Halbsatzes keine gravierende Änderung dieser Verfahrensbestimmung bewirken wollte, sodass davon auszugehen sei, dass jene Grundverkehrsbehörde für den Ausspruch des Verfalls der Kaution zuständig sei, die die Auflage in letzter Instanz verfügt habe.
3. Die Beschwerdeführer der zu B994/03 und B1481/03 protokollierten Beschwerden behaupten unter Hinweis auf das Urteil EuGH 23.9.2003, Rs. C-452/01, Ospelt eine gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßende Inländerdiskriminierung.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:
1. Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen lauten:
§7 Abs2 TGVG 1983 lautete:
"(2) Für die Erfüllung einer Auflage nach Abs1 kann eine angemessene Frist gesetzt und zur Sicherstellung der Erfüllung einer solchen Auflage eine Kaution in einer der wirtschaftlichen Bedeutung des Rechtserwerbes im Hinblick auf die Verwendung des Grundstückes angemessenen Höhe bis zu 500.000,- Schilling vorgeschrieben werden. Die Kaution verfällt zugunsten des Landeskulturfonds für Tirol, wenn der Rechtserwerber die Auflage schuldhaft nicht erfüllt. Der Eintritt des Verfalls ist durch die Grundverkehrsbehörde, die die Auflage in letzter Instanz verfügt hat, mit Bescheid festzustellen. Die Kaution wird frei, sobald die Auflage erfüllt ist."
§8 Abs2 TGVG 1996 LGBl. 61 lautet:
"Für die Erfüllung einer Auflage nach Abs1 ist eine angemessene Frist festzusetzen. Weiters kann zur Sicherung der Erfüllung einer solchen Auflage eine Kaution in einer der wirtschaftlichen Bedeutung des Rechtserwerbes im Hinblick auf die Verwendung des Grundstückes angemessenen Höhe, höchstens jedoch in der Höhe der Gegenleistung oder des höheren Wertes des Gegenstandes des Rechtserwerbes, vorgeschrieben werden. Die Kaution verfällt zugunsten des Landeskulturfonds, wenn der Rechtserwerber die Auflage schuldhaft nicht erfüllt. Den Eintritt des Verfalls hat die Grundverkehrsbehörde mit Bescheid festzustellen. Die Kaution wird frei, sobald die Auflage erfüllt ist oder wenn die Auflage nach Abs3 aufgehoben wird."
§26 TGVG 1996 LGBl. 61 lautet:
"§26. (1) Grundverkehrsbehörde erster Instanz ist hinsichtlich der land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke die Bezirks-Grundverkehrskommission (§27), hinsichtlich der Baugrundstücke und der sonstigen Grundstücke die Bezirksverwaltungsbehörde.
(2) Grundverkehrsbehörde zweiter Instanz ist die Landes-Grundverkehrskommission."
1.1. §7 Abs2 TGVG 1983 regelte, dass der Eintritt des Verfalls durch die Grundverkehrsbehörde, die die Auflage in letzter Instanz verfügt hat, mit Bescheid festzustellen war. Bereits im Tiroler Grundverkehrsgesetz 1993, das in seinem §8 Abs2 eine vergleichbare Bestimmung enthielt, entfiel der Halbsatz "die die Auflage in letzter Instanz verfügt hat". Die Erläuternden Bemerkungen schweigen über die Motive hiefür. §8 Abs2 TGVG 1996, der von der belangten Behörde angewandt wurde, ist §8 Abs2 TGVG 1993 wortgleich.
1.2. Die belangte Behörde als Grundverkehrsbehörde zweiter Instanz verteidigt jeweils ihre Zuständigkeit, den Eintritt des Verfalls der Kaution festzustellen damit, dass sie die Auflage in letzter Instanz verfügt habe. Nach ihrer Ansicht ändere der Entfall des Halbsatzes "die die Auflage in letzter Instanz verfügt hat" nichts an ihrer Zuständigkeit. Sie begründet dies damit, dass die Erläuternden Bemerkungen zum Tiroler Grundverkehrsgesetz 1993 zu §8 besagen würden, dieser Paragraph entspreche weitgehend den §7 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983. Die übrigen Erläuterungen zu §8 TGVG 1993 beträfen die neue Möglichkeit eine Auflage nach §8 Abs1 litd, den Entfall einer betragsmäßigen Obergrenze für die Kaution und die Möglichkeit der bescheidmäßigen Aufhebung der Kaution.
2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985, 11405/1987, 13280/1992).
Der belangten Behörde ist vorzuwerfen, dass sie eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt.
Aus der allgemeinen Aussage §8 TGVG 1996 entspreche weitgehend dem §7 TGVG 1983 kann nicht geschlossen werden, dass der Entfall des Halbsatzes am Inhalt der Zuständigkeitsbestimmung welche Instanz dazu berufen ist, den Eintritt des Verfalls der Kaution festzustellen, nichts geändert hat. Ein solches Verständnis, wie es die belangte Behörde vertritt, würde auch auf Grund des Wortlautes des §8 Abs2 TGVG 1996 zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit betreffend die Zuständigkeit führen. Der Satz "Den Eintritt des Verfalls hat die Grundverkehrsbehörde mit Bescheid festzustellen." in §8 Abs2 TGVG 1996 kann in Zusammenschau mit §26 leg.cit. nur so verstanden werden, dass die Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde erster Instanz hinsichtlich land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke den Eintritt des Verfalls der Kaution mit Bescheid festzustellen hat. Für diese Auslegung spricht nicht zuletzt auch der Umstand, dass der dadurch bewirkte Instanzenzug zu einer Verbesserung des Rechtsschutzes führt.
Die angefochtenen Bescheide waren sohin wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufzuheben.
Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich auf die weiteren Beschwerdevorbringen einzugehen.
3. Die Kostenzusprüche gründen sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist jeweils Umsatzsteuer in der Höhe von je € 327,- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG von je € 180,-
enthalten.
4. Diese Entscheidungen konnten gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Behördenzuständigkeit, Grundverkehrsrecht, RechtsschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2004:B992.2003Dokumentnummer
JFT_09959389_03B00992_2_00