RS Vfgh 1987/9/30 V4/87

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Veröffentlicht am 30.09.1987
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art139 Abs4
Bebauungsplan Deutsch-Wagram vom 27.11.1980
Nö BauO 1976 §3 Abs1

Leitsatz

Bebauungsplan Deutsch-Wagram vom 27.11.1980; Präjudizialität der V in der für die Erlassung des bekämpften Vorstellungsbescheides geltenden Fassung; keine Rechtswirkungen von nachfolgenden (vom Gemeinderat nicht beschlossenen) "Berichtigungen"; Widerspruch der Nutzungsart "Wohngebiet" zur Widmung als "Kerngebiet" im Flächenwidmungsplan - Feststellung des Verstosses gegen §3 Abs1 Nö. BauO

Rechtssatz

Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblich für Rechtslage.

Die Niederösterreichische Landesregierung als Vorstellungsbehörde war verpflichtet, bei ihrer Kontrolle des letztinstanzlichen Gemeindebescheides jene Rechtslage heranzuziehen, die für dessen Erlassung maßgeblich war. Daher muß auch der Verfassungsgerichtshof bei der Überprüfung des bei ihm zu B495/83 angefochtenen Vorstellungsbescheides von dieser rechtlichen Situation ausgehen. Der Verfassungsgerichtshof hat somit den eine Rechtsgrundlage des vom Gemeinderat erlassenen Baubewilligungsbescheides vom 4.8.1982 bildenden Bebauungsplan der Gemeinde Deutsch-Wagram in seiner zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides geltenden Fassung bei der Überprüfung des angefochtenen Vorstellungsbescheides der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8.6.1983 anzuwenden. Änderungen des Bebauungsplanes, die mit Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Deutsch-Wagram vom 9.4.1984 bzw. vom 20.11.1984 beschlossen wurden, sind daher im anhängigen Verordnungsprüfungsverfahren für den Verfassungsgerichtshof unbeachtlich. Der Bebauungsplan ist in seiner Fassung vom 27.11.1980 präjudiziell.

Eine (jedenfalls nicht vom Gemeinderat beschlossene) nachfolgende "Berichtigung" dieses Bebauungsplanes, also im vorliegenden Fall die auf die Niederschrift über die Besprechung vom 30.1.1981 zurückgehende Eintragung von "Bauland-Kerngebiet" anstelle von "Bauland-Wohngebiet" und von "Altortsgebiet" für das Grundstück Nr. 1410, vermochte keine Rechtswirkungen zu entfalten.

Die Rechtslage ist insoweit nicht anders zu beurteilen, als ob im Text einer beschlossenen und kundgemachten Verordnung nachträglich von dazu rechtlich nicht kompetenter Stelle Änderungen unter dem Titel der "Berichtigung" vorgenommen werden. In einem derartigen ebenso wie im vorliegenden Fall ist die faktisch vorgenommene "Berichtigung" einer von einem Verwaltungsorgan beschlossenen und in dieser Gestalt kundgemachten Verordnung rechtlich unerheblich und die Verordnung vom Verfassungsgerichtshof in ihrer rechtlichen Wirksamkeit so zu beurteilen, als ob keine "Berichtigung" vorgenommen worden wäre.

Anlaß für die sogenannte "Berichtigung" waren erst die Feststellungen im Zuge des aufsichtsbehördlichen Verordnungsprüfungsverfahrens. Da dieses Verfahren eine kundgemachte, daher geltende Verordnung zum Gegenstand hatte und nicht zur Aufhebung des Bebauungsplanes durch die Aufsichtsbehörde führte, geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß der Bebauungsplan in seiner am 27.11.1980 beschlossenen Fassung zum Zeitpunkt der Erlassung des Baubewilligungsbescheides vom 4.8.1982 noch in Geltung stand.

Der Bebauungsplan der Gemeinde Deutsch-Wagram vom 27.11.1980 war, soweit er für das Grundstück Nr. 1410 KG Deutsch-Wagram galt, gesetzwidrig.

Im örtlichen Raumordnungsprogramm (Flächenwidmungsplan) der Gemeinde Deutsch-Wagram vom 9.4.1979 wurde das Grundstück Nr. 1410 als Kerngebiet iSd §16 Abs1 Z2 ROG ausgewiesen. In Widerspruch dazu hat der Gemeinderat am 27.11. 1980 im Bebauungsplan für das Grundstück Nr. 1410 die Nutzungsart "Wohngebiet" beschlossen. Es erübrigt sich für den Verfassungsgerichtshof darauf einzugehen, ob dieser vom Flächenwidmungsplan abweichenden Nutzungsart im Bebauungsplan "konstitutive Wirkung" zukommt. Ein Bebauungsplan ist jedenfalls auch dann rechtswidrig, wenn er gegen gesetzliche Vorschriften über die "Kenntlichmachung" verstößt. (So für Flächenwidmungspläne Fröhler-Oberndorfer, Österreichisches Raumordnungsrecht, 1975, S 92) Die Ausweisung der Nutzungsart "Wohngebiet" statt "Kerngebiet" im Bebauungsplan vom 27.11.1980 verstößt gegen die Gesetzesvorschrift des §3 Abs1 NÖ. BO, wonach der Bebauungsplan "nur auf Grund eines Flächenwidmungsplanes" zu erlassen ist und "dem örtlichen Raumordnungsprogramm nicht widersprechen" darf.

Der Gemeinderat hat durch Beschluß vom 9.4.1984 sowie neuerlich durch Beschluß vom 20.11.1984 den Bebauungsplan hinsichtlich der aufgezeigten Gesetzwidrigkeit saniert und für das Grundstück Nr. 1410 in Übereinstimmung mit dem örtlichen Raumordnungsprogramm (Flächenwidmungsplan) die Widmungs- und Nutzungsart "Wohngebiet-Kerngebiet" kenntlich gemacht. Der Verfassungsgerichtshof hatte sich daher gemäß Art139 Abs4 B-VG auf den Ausspruch zu beschränken, daß der Bebauungsplan in seiner Fassung vom 27.11.1980 gesetzwidrig war.

Entscheidungstexte

  • V 4/87
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 30.09.1987 V 4/87

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan, Bescheiderlassung, VfGH / Prüfungsgegenstand, Flächenwidmungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:V4.1987

Dokumentnummer

JFR_10129070_87V00004_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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