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L4 Innere VerwaltungNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerordnungLeitsatz
Individualantrag auf Aufhebung der ProstitutionsV Linz-Graben vom 30.3.1987; belangte Behörden sind der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz (V-erlassende Behörde) und die oö. Landesregierung (zuständige oberste Verwaltungsbehörde des Landes iS des §58 Abs1 VerfGG); von Beamten des Amtes der Landesregierung gefertigten Äußerungen liegen keine Beschlüsse des Kollegiums Landesregierung zugrunde; zur Vertretung eines angefochtenen Landesgesetzes ist die Landesregierung als Kollegium berufen, auch Verordnungen der Landesregierung sind von ihr als Kollegium vor dem VfGH zu verantorten; hier hat die oö. Landesregierung iS des Art19 Abs1 und 101 Abs1 B-VG als oberste (Aufsichts-)Behörde neben der V-erlassenden Behörde die V mitzuverantworten; wer hier für die Landesregierung auftreten kann, richtet sich nach dem BVG über die Ämter der Landesregierungen, BGBl. 289/1925 und den landesgesetzlichen Vorschriften; Übertragung der Abgabe einer Äußerung im Wege der GO der Landesregierung an eine einzelnes Landesregierungsmitglied oder im Wege der GO des Amtes der Landesregierung an einen einzelnen Beamten zulässig Untätigkeit der Behörde - keine Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Individualantrag auf Aufhebung des §2 Abs1 und 5 Oö PolizeistrafG; Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerinnen nicht durch die bekämpfte Gesetzesstelle, sondern erst durch die Erlassung einer V nach §2 Abs2 - Mangel der Antragslegitimation PrositutionsV Linz-Graben vom 30.3.1987; Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerinnen durch die V, die die weitere Ausübung der Prostitution in der gemieteten Wohnung untersagt; Provokation eines Verwaltungsstrafverfahrens nach §2 der V iVm §2 Abs3 und §10 Abs1 litb Oö PolizeistrafG nicht zumutbar; Zulässigkeit des Antrages; Qualifikation als V; Unbedenklichkeit der in §2 Abs2 Oö PolizeistrafG angeordneten Rechtsform der V; sich aus dem unterschiedlichen Wesen der Rechtssatztypen der Verordnung und der Bescheide ergebende Differenzierungen sind nicht unsachlich, sondern unvermeidbar; kein Verstoß gegen Art83 Abs2 B-VG durch die V-Ermächtigung in §2 Abs2 leg. cit.; kein Widerspruch dieser Bestimmung zu Art18 Abs2 B-VG; Voraussetzungen für die V-Erlassung waren gegeben; keine Bedenken gegen die VRechtssatz
§63 Abs1 VfGG ordnet explizit an, daß zur Vertretung eines angefochtenen Landesgesetzes die Landesregierung berufen ist. Diese - aufgrund des Art148 B-VG erlassene, das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof regelnde - Bestimmung ist (wie schon im Erk. VfSlg. 5573/1967 ausgeführt wurde) dahin auszulegen, daß die damit der Landesregierung übertragene Zuständigkeit vom Kollegium zu handhaben ist und nicht etwa von einem einzelnen Landesregierungsmitglied wahrgenommen werden kann (vgl. auch VfGH 3.10.1985 G131/85).
Individualantrag auf Prüfung einer Verordnung des Linzer Stadtsenates.
Zu den von einem Beamten des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung gefertigten Äußerungen ist zu bemerken, daß ihnen keine Beschlüsse des Kollegiums Landesregierung zugrundeliegen.
Dennoch sind sie der Landesregierung zuzurechnen: Der Verfassungsgerichtshof hat zwar in den Erk. vom 26.11.1985, G128-130/85-8, S 6 f, vom 12.12.1985, V58/85-10, S 4, sowie vom 6.10.1986, G129/86-6, S 5, dargetan, daß Landesgesetze und von der Landesregierung als Kollegium beschlossene Verordnungen im verfassungsgerichtlichen Normenprüfungsverfahren (Art139 und 140 B-VG) von der Landesregierung als Kollegium zu vertreten sind; er sieht sich nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Sie kann aber nicht auf Normenprüfungsverfahren übertragen werden, deren Gegenstand die von einer Gemeindebehörde (hier vom Stadtsenat Linz) erlassene Verordnung ist:
Der das Verordnungsprüfungsverfahren regelnde §58 Abs1 VfGG spricht zum einen von der "Verwaltungsbehörde, die die Verordnung erlassen hat". Das VfGG ordnet also zwingend an, daß Verordnungen der Landesregierung auch von ihr als Kollegium vor dem Verfassungsgerichtshof zu verantworten sind. Zum anderen spricht die zitierte Bestimmung des VfGG von der "zuständigen obersten Verwaltungsbehörde des Bundes oder des Landes, die zur Vertretung der angefochtenen Verordnung berufen ist"; diese Behörde hat neben der verordnungserlassenen Behörde als Oberbehörde oder als Aufsichtsbehörde (vgl. zB VfSlg. 8283/1978) die Verordnung mitzuverantworten. Die erwähnte Wendung verweist auf die Organisationsnormen, aus denen sich ergibt, wer die zuständige oberste Verwaltungsbehörde ist und wer sie im Verordnungsprüfungsverfahren zu vertreten hat.
Im vorliegenden Verfahren hat den Art19 Abs1 und 101 Abs1 B-VG zufolge die Oberösterreichische Landesregierung als oberste (Aufsichts-)Behörde einzuschreiten. Wer hier für die Landesregierung auftreten kann, richtet sich nach dem BVG vom 30.7.1925, BGBl. 289, betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierung außer Wien und den auf der Grundlage dieses BVG ergangenen maßgebenden landesrechtlichen Vorschriften. Es ist also zulässig, hier die Abgabe einer Äußerung im Wege der GO der Landesregierung einem einzelnen Landesregierungsmitglied oder aufgrund der GO des Amtes der Landesregierung einem Beamten zu übertragen.
Nichterteilung einer Bestätigung über amtsärztliche Untersuchung iSd Verordnung des BMfGU vom 9.4.1974, BGBl. 314.
Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 6470/1971, 9025/1981, 9503/1982) liegt ein gemäß Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG beim Verfassungsgerichtshof anfechtbarer, in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ergangener Verwaltungsakt dann nicht vor, wenn - wie auch hier - die Behörde bloß untätig blieb, weil sie in dieser Beziehung nicht von ihrer Befehls- und Zwangsgewalt Gebrauch gemacht hat.
Eingriff in die Rechtssphäre wird erst durch die Erlassung einer Verordnung nach §2 Abs2 Oö. PolStG aktualisiert.
Zurückweisung des Individualantrages auf Aufhebung von §2 Abs2 und 5 Oö. PolStG.
Zulässigkeit der Individualanträge auf Prüfung der ProstitutionsV Linz-Graben.
Den Antragstellerinnen wird durch die angefochtene Verordnung untersagt, in der von ihnen gemieteten Wohnung weiterhin die Prostitution auszuüben. Dieser Eingriff in ihre Rechtssphäre bedarf keines weiteren rechtskonkretisierenden Aktes und beeinträchtigt aktuell die Rechtsposition der Antragstellerinnen. Unter den Umständen des vorliegenden Falles kann der Verfassungsgerichtshof nicht finden, daß den Antragstellerinnen ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung stünde, um die durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Verordnung bewirkte Rechtsverletzung abzuwehren. Es wäre bei der Lage des Falles den Antragstellerinnen nicht zumutbar, durch Verstoß gegen die Verordnungsbestimmung des §1 PrV Linz-Graben ein Verwaltungsstrafverfahren nach §2 PrV Linz-Graben iVm §2 Abs3 und §10 Abs1 litb PolStG, zu provozieren, um auf diese Art einen der Anfechtung zugänglichen Bescheid zu erwirken (vgl. VfSlg. 8396/1978, 9253/1981, 10.185/1984).
Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 9254/1981, 10.184/1984, 10.185/1984, 10.186/1984, 10.187/1984; VfGH 15.3.1986 B115/86) sind Beschlüsse nach §2 Oö PolStG Verordnungen; der angefochtene Beschluß ist seinem Inhalt nach eine (nicht in Gesetzesform) ergangene generelle Rechtsnorm; sie wendet sich nicht an individuell bezeichnete Personen, sondern an einen unbestimmten Personenkreis (vgl. zB VfSlg. 2465/1953, 3142/1957, 7585/1975, 8119/1977, 9061/1981); die Verordnungsform entspricht der ausdrücklichen Anordnung des §2 Abs2 PolStG.
Die Antragstellerinnen meinen, diese gesetzliche Anordnung sei verfassungswidrig. Der Verfassungsgerichtshof teilt diese Bedenken nicht:
Durchführungsverordnungen und Bescheide stellen gleicherweise Verwaltungsakte dar, die ein Gesetz näher konkretisieren und iwS "vollziehen"; die Prämisse, nur eine Verordnung präzisiere das Gesetz, nur ein Bescheid vollziehe es, ist daher verfehlt.
Das Verbot, in bestimmten Gebäuden oder auch in einem einzigen Haus die Prostitution auszuüben, wendet sich typischerweise nicht an eine (mehrere) individuell bestimmte Person(en), sondern an einen unbestimmten Personenkreis, nämlich an jede Person, die derzeit oder in Zukunft in diesem (diesen) Gebäude(n) der Prostitution nachgehen will und die der Behörde gar nicht bekannt sein muß oder gar nicht bekannt sein kann. An einen unbestimmten Personenkreis gerichtete generelle Normen unterhalb der Gesetzesstufe sind nun Verordnungen iSd Art18 Abs2 B-VG.
Die ProstitutionsV Linz-Graben ist keine den Gleichheitsgrundsatz verletzende verschleierte Verfügung in Verordnungsform.
Die Antragstellerinnen meinen, daß die von einer Verordnung nach §2 Abs2 Oö. PolStG betroffenen Personen gegenüber jenen Personen, gegen die sich ein Bescheid nach §2 Abs1 leg.cit. richtet, unsachlich - und damit gleichheitswidrig - benachteiligt würden; im Verfahren zur Erlassung einer Verordnung habe nämlich der Betroffene - anders als im Verfahren zur Erlassung eines Bescheides - keine Parteistellung; diese mangelnde Parteistellung verletze auch das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.
Die Bundesverfassung unterscheidet ausdrücklich zwischen Verordnungen und Bescheiden (s. etwa Art139 und Art144 B-VG). Diese Rechtssatztypen setzen einen unterschiedlichen Adressatenkreis voraus, was wiederum ein unterschiedliches Verfahren, insbesondere auch in Ansehung der Mitwirkung der Betroffenen, bedingt. Derartige, sich aus dem unterschiedlichen Wesen der Rechtssatztypen ergebende Differenzierungen sind nicht unsachlich, sondern geradezu unvermeidbar. Das Gesetz läßt keinen Zweifel offen, wer zur Verordnungserlassung kompetent ist; Art83 Abs2 B-VG wurde also nicht verletzt.
§2 Abs2 Oö. PolStG bestimmt - entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen - auch den Inhalt der Verordnung auf eine dem Art18 Abs2 B-VG ausreichende Weise voraus. So ist es dem Verfassungsgerichtshof durchaus möglich, die inhaltliche Übereinstimmung einer auf diese Gesetzesstelle gegründeten DurchführungsV mit dem Gesetz zu überprüfen.
Abweisung der Individualanträge auf Aufhebung der ProstitutionsV Linz-Graben.
Aus dem Bericht der BPD Linz vom 16.12.1986 ergibt sich, daß durch die Begleitumstände, die mit der Ausübung der Prostitution in Linz, im Haus Graben Nr. 5 verbunden sind - unabhängig davon, wer dort der Prostitution nachgeht -, die Nachbarschaft in unzumutbarer Weise belästigt und das örtliche Gemeinwesen gestört wird (dies insbesondere wegen der Nähe der Stadtpfarrkirche und des Seniorenclubs der Stadt Linz) sowie auch Interessen des Jugendschutzes verletzt werden (insbesondere wegen des nahe gelegenen Kindergartens und Jugendzentrums).
Die Voraussetzungen nach §2 Abs2 Oö. PolStG für die Verordnungserlassung waren also gegeben (vgl. die ähnlich gelagerte Fälle betreffende Vorjudikatur, zB VfSlg. 9252/1981, 9253/1981, 9254/1981, 10.184/1984, 10.185/1984, 10.186/1984, 10.187/1984).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Landesregierung, VfGH / Zuständigkeit, Partei, VfGH / Individualantrag, Prostitution, Verordnung, RechtsV, VerwaltungsV, verschleierte Verfügung, Bescheidbegriff, VerwaltungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B357.1987Dokumentnummer
JFR_10129070_87B00357_01