RS Vfgh 1987/10/1 G142/87

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Veröffentlicht am 01.10.1987
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
Stmk BauO 1968 idF der Nov LGBl 130/1974 §6a Abs1 und Abs2

Leitsatz

Bei verfassungskonformer Auslegung des §6a Stmk. BauO 1968 (betreffend Aufschließungsbeiträge) kein Widerspruch dieser Regelung wegen unterschiedlicher Behandlung einzelner Gruppen von Grundstückseigentümern zum Gleichheitsgebot

Rechtssatz

Die Absätze 2 bis 9 des §6a Stmk. BauO ergeben für sich allein keinen Sinn und sind für das Verständnis des Abs1 unentbehrlich, bilden also mit diesem eine untrennbare Einheit, die nur zusammen in Prüfung gezogen werden kann.

Keine Gleichheitsbedenken gegen §6a Stmk. BauO 1968 idF der Novelle LGBl. 1974/130.

Der Verfassungsgerichtshof kann keinen Grund finden, warum für längst bebaute Grundstücke ein Aufschließungsbeitrag gezahlt werden muß, wenn bisher keine Widmungsbewilligung (im weiteren Sinn) erteilt wurde, wogegen die Zahlungspflicht dann entfällt, wenn irgendwann eine Widmungsbewilligung erteilt wurde. Verfassungskonform ausgelegt müßte das Gesetz einen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegengesetzten Inhalt haben: als "erstmalige Widmungsbewilligung" iSd Abs1 wäre nur eine Bauplatzschaffung nach Inkrafttreten der BauO-Novelle 1974 ins Auge zu fassen und als Widmungsbewilligung iSd Abs2 (auch) eine solche vor ihrem Inkrafttreten, wenn sie noch nicht durch eine Baubewilligung aktualisiert wurde (weshalb dann statt einer solchen Widmungsbewilligung die nach Inkrafttreten der Novelle erteilte Baubewilligung die Abgabepflicht auslöst). Für Bauplätze hingegen, die schon vor Inkrafttreten der Novelle geschaffen und durch eine Baubewilligung aktualisiert oder durch Errichtung des Bauwerks ausgenützt wurden, könnte dann kein Aufschließungsbeitrag anfallen. Die Nachforschung nach einer "erstmaligen Widmungsbewilligung" für damals schon bebaut gewesene Grundstücke wäre überflüssig. Selbst für Bauplätze, für die eine Widmungsbewilligung nicht mehr auffindbar ist oder niemals erteilt wurde, könnte im Hinblick auf den Bestand eines Bauwerks bei Inkrafttreten der Novelle eine Abgabe nicht mehr vorgeschrieben werden. So käme es zu keiner unterschiedlichen Behandlung verschiedener Gruppen von Eigentümern bebauter Grundstücke.

Verfassungskonforme Auslegung des §6a Stmk. BauO 1968 idF der Novelle LGBl. 1974/130: "Erstmalige Widmungsbewilligung" iSd Abs1 ist nur Bauplatzschaffung nach Novelle 1974, Widmungsbewilligung iSd Abs2 (auch) eine noch nicht durch Baubewilligung aktualisierte Bauplatzschaffung vor Novelle.

Daß der Wortlaut des Gesetzes diese Auslegung zuläßt, ist offenkundig. Unter einer "erstmaligen Widmungsbewilligung" kann offenbar - im Gegensatz zu späteren Widmungsänderungen - die Schaffung eines Bauplatzes verstanden werden. Auch der Zusammenhang der Vorschrift spricht nicht dagegen: Die "erstmalige" Widmungsbewilligung nach Abs1 ist nichts anderes als die "Widmungsbewilligung" des Abs2, nur daß sie eben - anders als die nach Abs2 - erst nach Inkrafttreten der Novelle erteilt wird; der vom Gesetzgeber verwendete Begriff ist derselbe. Sinn dieses Abs1 ist es, anzuordnen, daß schon die Schaffung eines Bauplatzes nach Inkrafttreten der BauO-Novelle die Abgabepflicht auslöst. Weil dann aber für die schon vor Inkrafttreten der Novelle geschaffenen Bauplätze niemals ein Aufschließungsbeitrag anfiele, knüpft der Gesetzgeber für den Fall, daß eine solche Widmungsbewilligung noch keine Baubewilligung (und daher regelmäßig auch keine Bebauung) zur Folge hatte, die Abgabepflicht an die dem Inkrafttreten der Novelle nachfolgende Baubewilligung.

Ein Zusammenhalt der beiden Bestimmungen legt es folglich nahe, unter "erstmaliger Widmungsbewilligung" in Abs1 nur die Schaffung eines Bauplatzes nach Einführung der Abgabepflicht, unter "Widmungsbewilligung" in Abs2 eine solche vor Einführung dieser Rechtsfolge zu verstehen (wobei es dann gleichgültig bleibt, ob die vor Einführung der Abgabepflicht erteilte, noch unausgenützte Widmungsbewilligung die erste war oder nicht). Den die Abgabepflicht auslösenden Tatbeständen der Abs1 und 2 stünde dann die im Gesetz nicht erfaßte Fallgruppe der bei Inkrafttreten der Novelle schon bebauten Grundstücke mit der Folge gegenüber, daß sie der Abgabepflicht nicht unterliegen. Wenn sich der Gesetzgeber unter diesen Umständen nicht mit dem Fall der Bebauung ohne Baukonsens oder einer Baubewilligung ohne vorausgegangene Widmungsbewilligung beschäftigt hat, wäre das folgerichtig, weil ein solcher Fall im System des Gesetzes (in Zukunft) nicht vorkommen kann (und in der Vergangenheit keine Rolle spielt). Aus derselben Überlegung heraus, die den Verwaltungsgerichtshof zu der vom Verfassungsgerichtshof vorläufig geteilten Auffassung geführt hat, daß nämlich die "Widmungsbewilligung" des Abs2 nicht (nur) eine solche sein kann, die nach Inkrafttreten der BauO-Novelle erteilt (und rechtswidrigerweise nicht bereits mit einer Beitragsvorschreibung verbunden) wurde, wäre auch nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber Fallgruppen regeln will, die sich in Zukunft nur bei gesetzwidrigemäß Vollzug oder Mißachtung der Gesetze durch den Grundeigentümer ereignen könnten. Für die Vergangenheit wäre eine solche Regelung aber entbehrlich, weil schon bebaute Liegenschaften ohne Rücksicht auf die baurechtliche Behandlung nicht mit einem Aufschließungsbeitrag belastet werden könnten.

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nimmt Altbauten von der Abgabepflicht nur dann aus, wenn schon vor Inkrafttreten der Novelle eine (erstmalige) Widmungsbewilligung erteilt wurde oder die erteilte Baubewilligung inhaltlich einer solchen Widmungsbewilligung vergleichbar war. Derselbe Ansatz trüge aber auch eine Auslegung, für die eine "erstmalige Widmungsbewilligung" vor Inkrafttreten der Novelle 1974 weder als Abgabetatbestand iSd §6a Abs1 Stmk. BauO noch als ein die Abgabepflicht vermeidender (einer neuen Widmung das "Vorrecht" der erstmaligen nehmender) Sachverhalt in Betracht kommt, weil sie unter "erstmaliger Widmungsbewilligung" den entscheidenden Akt einer Bauplatzschaffung sieht, die eine Bebauung erst einleiten soll, und daher Altbauten von vornherein ausklammert.

Genau diese Absicht ergibt sich nun aber aus den von der Steiermärkischen Landesregierung aufgezeigten Bemerkungen zum Entwurf der BauO-Novelle 1974, wenn dort ausgeführt wird:

"Durch die Ausweisung als Bauland erfahren die in dieses Gebiet fallenden Grundstücke eine wesentliche Wertsteigerung. Gerade im Bauland fallen für die Gemeinden wesentliche finanzielle Aufwendungen für die erforderlichen Aufschließungen an. Es erscheint gerechtfertigt, daß diejenigen, denen die Wertsteigerung zugutekommt, auch an den Aufschließungskosten des Baulandes beteiligt werden. ...

Vom in Abs1 festgelegten Grundsatz, daß der Aufschließungsbeitrag gleichzeitig mit der Widmungsbewilligung vorzuschreiben ist, soll im Abs2 insoferne abgegangen werden, als der Aufschließungsbeitrag auch gleichzeitig mit der Baubewilligung vorgeschrieben werden kann, wenn für die Grundstücke nur eine Widmungsbewilligung vorliegt und ein Aufschließungsbeitrag noch nicht vorgeschrieben wurde. Diese Bestimmung soll jedoch nur für die Übergangszeit wirksam sein."

Eine solche abzuschöpfende Wertsteigerung bewirkt eben nach dem (für die Zukunft klar ausgesprochenen) Konzept des Gesetzes nur die Bauplatzschaffung, nicht eine sonstige, den bestehenden Zustand nur festschreibende oder abändernde nachträgliche Widmung. §6a Abs2 ist deshalb nur als Übergangsvorschrift verständlich, die jene kleine Gruppe von Grundeigentümern erfaßt, die aufgrund der früheren Widmung vielleicht erst jetzt (über die Baubewilligung) Vorteile schöpfen. Einen solchen Vorteil bietet eine für Altbauten notwendige nachträgliche Widmung nicht. Abgeschlossene Entwicklungen sollen unberührt bleiben.

Keine Gleichheitsbedenken gegen §6a Stmk. BauO 1968 idF der Novelle BGBl. 1974/130 bei verfassungskonformer Auslegung, durch welche vermieden wird, daß für längst bebaute Grundstücke ein Aufschließungsbeitrag gezahlt werden muß, wenn bisher keine Widmungsbewilligung (im weiteren Sinn) erteilt wurde, wogegen die Zahlungspflicht dann entfällt, wenn irgendwann eine Widmungsbewilligung erteilt wurde.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Trennbarkeit, Baurecht, Raumordnung, Widmungsbewilligung, Baubewilligung, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:G142.1987

Dokumentnummer

JFR_10128999_87G00142_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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