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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art140 Abs7 zweiter SatzLeitsatz
Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist rechtzeitig und begründet - minderer Grad des Versehens Einem Anlaßfall gleichzuhaltender Fall; Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nach Aufhebung des §1 Abs1 Z1 GrEStG als verfassungswidrig) - Anwendung dieser Gesetzesstelle offenkundig nachteiligRechtssatz
Nach dem glaubhaften Vorbringen des Beschwerdevertreters kann nicht angenommen werden, daß die Beschwerdeführer oder Bevollmächtigte der Beschwerdeführer ein leichte Fahrlässigkeit übersteigender Verschuldensgrad trifft. Angesichts der keineswegs alltäglichen Zahl (63) von gleichartigen Verfassungsgerichtshofbeschwerden erscheint es dem Verfassungsgerichtshof verständlich, daß sich die Beschwerdeführer und der Beschwerdevertreter einer Hilfs- und Koordinationsstelle, in concreto des Gemeindeamtes bedienten. Der Gerichtshof sieht keinen Grund, das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in Zweifel zu ziehen, daß vermutlich die Namensgleichheit von Beschwerdeführern zu einem Verlust von Unterlagen bei der Übermittlung an die Rechtsanwaltskanzlei geführt habe, was in weiterer Folge die Fristversäumung bewirkt habe. Bei der besonderen Konstellation des Falles kann nicht davon gesprochen werden, daß nicht auch einem sorgfältig arbeitenden Menschen eine derartige Fehlleistung gelegentlich unterlaufen kann.
Infolge der bewilligten Wiedereinsetzung sind die Rechtsfolgen der Säumnis der Beschwerdeführer beseitigt. Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt nämlich der Rechtsstreit in die Lage zurück, in welcher er sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat (§150 Abs1 ZPO). Die - gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag gesetzte - Prozeßhandlung ist als rechtzeitig gesetzt anzusehen (vgl. Fasching, Lehrbuch des Österreichischen Zivilprozeßrechts, 1984, 273). Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, daß die Beschwerden als innerhalb der am 4.12.1986 endenden sechswöchigen Beschwerdefrist eingebracht anzusehen sind.
Gemäß Art140 Abs7 B-VG ist ein vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenes Gesetz im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind einem Anlaßfall (im engeren Sinne) jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung über eine für das anhängige Verfahren präjudizielle Gesetzesstelle bereits beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind (vgl. zB VfGH 9.10.1985, B168/85 und VfGH 10.12.1986, G167/86 ua).
Die mündliche Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof im Verfahren G167/86 ua. hat am 5.12.1986 stattgefunden.
Für die Qualifikation der Rechtssachen als Anlaßfälle iS der wiedergegebenen Judikatur bewirkt die bewilligte Wiedereinsetzung, daß die Beschwerden als am letzten Tag der sechswöchigen Beschwerdefrist, das war nach der Aktenlage in concreto der 4.12.1986, eingebracht anzusehen sind. Es wirkt die Gesetzesaufhebung daher auch für diese Rechtssachen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / FristenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B1193.1986Dokumentnummer
JFR_10128997_86B01193_01