Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art9 Abs1Leitsatz
Betreten eines der Allgemeinheit nicht zugänglichen Parkplatzes durch Gendarmerieorgane - Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt; hier nur Betreten eines nicht für die Vereinsmitglieder reservierten Parkplatzes und Notierung der Nummern der dort befindlichen Kfz - keine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt; Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit; StGG Art8, Art12; MRK Art3, Art5, Art11; Beschl. der Prov. Nationalversammlung vom 30.10.1918; (mißlungener) Versuch einer Verhaftung, - keine Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit; hiebei maßgehaltende Anwendung von Gewalt - keine Verletzung des Art3 MRK; keine Willkür; keine Verletzung im Eigentumsrecht durch Beschädigung der Kleidung als unvermeidliche, sekundäre Folge der Amtshandlung, auch nicht durch die Sicherstellung eines Tonbandgerätes sowie durch das Abhandenkommen von Schlüsseln im Zuge der Auseinandersetzung; kein Eingriff in das Recht auf Vereinsfreiheit durch die Vorgänge - kein Vereinslokal, sondern ein für jedermann zugängliches Vergnügungslokal; weder Art12 MRK noch das (1.) ZP MRK vom 20.3.1952 gewährleisten verfassungsgesetzlich die Unverletzlichkeit des guten Rufes; durch die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes werden Rechte einzelner keinesfalls unmittelbar begründet; keine Abtretung der Beschwerde an den VwGH insoweit sie die Verhaftung bzw. das Recht, Vereine zu bilden, betrifftRechtssatz
Zurückweisung der Beschwerde.
Gemäß Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF BGBl. 1975/302 erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Unter diese Maßnahmen fällt auch das Betreten eines der Allgemeinheit nicht zugänglichen Parkplatzes.
Der Parkplatz ist vom zweitbeschwerdeführenden Verein in Bestand genommen worden; er war jedoch nach den eigenen Behauptungen der Beschwerde nicht für die Vereinsmitglieder reserviert. Er stand vielmehr jedem Besucher des Vereinslokals zur Benützung frei zur Verfügung. Die Gendarmerieorgane haben den Parkplatz ohne Ausübung irgendeines Zwanges betreten und haben nur die Nummern der dort befindlichen Kraftfahrzeuge notiert. Dieser Vorgang ist jedoch nicht als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren.
Die Gendarmeriebeamten haben versucht, den Erstbeschwerdeführer zu verhaften. Dieser Versuch ist jedoch mißlungen. Der Erstbeschwerdeführer ist daher nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden.
Der Erstbeschwerdeführer hat die Beamten an der Fortsetzung ihrer Dienstfahrt mit dem Kraftwagen durch Versperren des Eingangstores zum Parkplatz mit Gewalt gehindert. Als die Beamten versuchten, ihn dazu zu bewegen, das Tor aufzusperren, hat er sich dem Versuch einer Verhaftung durch Gewalt entzogen. Die Beamten waren daher gezwungen, auch ihm gegenüber Gewalt anzuwenden, wobei sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch zwei Beamte verletzt wurden. Der Gerichtshof nimmt hiebei als erwiesen an, daß der Erstbeschwerdeführer mit der Dienstpistole unbeabsichtigt auf den Kopf anstatt auf die Schulter getroffen wurde und daß vom Gummiknüppel maßhaltend Gebrauch gemacht wurde. Die Beamten haben Gewalt in Anbetracht der gegebenen Sachlage demnach maßhaltend angewendet. Eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Erstbeschwerdeführer als Person war nach Lage des Falles nicht gegeben.
Die Beschwerdeführer sind durch die Beschädigung des Hemdes des Erstbeschwerdeführer und die "Abnahme" des Tonbandgerätes und der Schlüssel nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden, da weder die Beschädigung noch die "Abnahme" Ziele der Amtshandlung, sondern nur deren unvermeidliche, sekundäre Folgen waren.
Soweit die Beschwerde eine Verletzung des Vereinsrechtes durch das Betreten und Befahren des Grundstückes (Parkplatz) sowie das Notieren der Kraftwagenkennzeichen behauptet, ist dem zu entgegnen, daß hiemit weder Befehls- noch Zwangsgewalt ausgeübt wurde. Eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieses Verhaltens kommt daher schon aus diesem Grund nicht in Betracht.
Aber auch im übrigen hat ein Eingriff in die Vereinsfreiheit des zweitbeschwerdeführenden Vereines nicht stattgefunden. Das Klublokal des zweitbeschwerdeführenden Vereines war - wie sich dem Behördenakt und insbesondere den darin protokollierten Aussagen von Gästen zweifelsfrei entnehmen läßt - in Wahrheit kein Vereinslokal, sondern ein für jedermann zugängliches Vergnügungslokal. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Vereinsfreiheit wurde demnach durch die Maßnahmen der Beamten unter den gegebenen Umständen nicht verletzt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes werden Rechte einzelner durch die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes keinesfalls unmittelbar begründet (vgl. VfSlg. 7608/1975).
Schlagworte
Waffengebrauch, Vereinsrecht, Völkerrecht, Rechte subjektiveEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B750.1986Dokumentnummer
JFR_10128985_86B00750_01