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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Zeitlich beschränkte Einstellung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft wegen Berufspflichtenverletzung und Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes; keine Bedenken gegen die Tribunalqualität der OBDK; keine Bedenken gegen §12 Abs1 litd DSt; keine denkunmögliche Gesetzesanwendung; keine Willkür; allfälliges gesetzwidriges Verhalten einer Behörde in anderen Fällen gibt einer Person kein Recht auf gleiches FehlverhaltenRechtssatz
Keine Bedenken gegen Tribunalqualität der OBDK.
Im E v 14.10.1987 G181/86 ua. (verweisend auf EGMR, Fall Öztürk, EuGRZ 1985, 67) hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß eine Disziplinarbehörde, die befugt ist, die zeitliche oder dauernde Entziehung des Rechtes zur Leitung einer Apotheke auszusprechen, als Tribunal organisiert sein muß. Gleiches ist für die OBDK als Oberste Disziplinarbehörde für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter zu folgern, weil §12 Abs1 litc DSt das Verbot der Ausübung der Rechtsanwaltschaft bis zur Dauer eines Jahres und litd leg.cit. die Streichung von der Liste und damit ein dauerndes Berufsverbot vorsieht (daran ändert nichts, daß nach §14 DSt ein Rechtsanwalt, der von der Liste gestrichen worden ist, nach Ablauf von drei Jahren neuerlich um Eintragung in die Liste ansuchen kann, was jedoch bei Vertrauensunwürdigkeit von jeder Kammer zu verweigern ist). Der Verfassungsgerichtshof hegt jedoch keinen Zweifel, daß es sich bei der OBDK um ein Tribunal iSd Art6 MRK handelt. Die OBDK setzt sich gemäß §55a DSt aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und aus mindestens acht und höchstens sechzehn beim OGH tätigen Richtern und aus sechzehn Rechtsanwälten (Anwaltsrichtern) zusammen; sie entscheidet gemäß §55d DSt in Senaten. Die (Berufs-)Richter werden vom BMfJ auf die Dauer von drei Jahren ernannt, die Anwaltsrichter von den RAK für drei Jahre gewählt. Die der OBDK angehörenden Rechtsanwälte unterstehen wegen Pflichtverletzungen, die ihnen in Ausübung dieser Tätigkeit zur Last fallen, (ausschließlich) der Disziplinargewalt der OBDK (§55e Abs4 DSt). Eine vorzeitige Abberufung von Mitgliedern der OBDK ist dem Gesetz fremd. Nach §55e Abs1 DSt sind die Mitglieder der OBDK in Ausübung dieser Tätigkeit an keine Weisungen gebunden. Die Entscheidungen der OBDK unterliegen auch nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der OBDK steht eine umfassende Prüfungsbefugnis zu, sie kann sowohl die Tat- und Rechtsfragen als auch die Beweiswürdigung überprüfen, aber auch in der Sache selbst Beweise erheben und entscheiden. Keine Umstände sprechen gegen die Unabhängigkeit ihrer Mitglieder; eine Versetzbarkeit kommt sowohl für die Anwaltsrichter als auch für die richterlichen Mitglieder der OBDK schon der Sache nach nicht in Frage. Auch die Begrenzung der Bestellungsdauer auf drei Jahre ist unbedenklich (vgl. VfSlg. 8317/1978, 8501/1979).
Was die vom Beschwerdeführer kritisierte Mitwirkung von Anwaltsrichtern betrifft, hat der Verfassungsgerichtshof bereits mit Erk. VfSlg. 7262/1974 unter Berufung auf Vorjudikatur dargelegt, daß er hiegegen verfassungsrechtliche Bedenken nicht hegt.
Keine Bedenken gegen §12 DSt 1872 (vgl. VfSlg. 5238/1966, 7494/1975, VfGH 27.9.1982 B648/81 und - sinngemäß - VfGH 17.3.1987 B402/86 und 13.6.1987 B889/86).
Wenn sich der Verfassungsgerichtshof auch bisher nur mit §12 Abs1 lita bis c DSt befaßt und ausgesagt hat, daß er verfassungsrechtliche Bedenken nicht hegt, gilt gleiches hinsichtlich der litd leg.cit. Soweit der Beschwerdeführer dieser Bestimmung entgegenhält, es finde sich keine Regelung, nach welchen objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen sei, wann mit einer Streichung von der Liste der Rechtsanwälte vorzugehen ist, übersieht er §12 Abs2 DSt, der festlegt, nach welchen Kriterien die Strafbemessung zu erfolgen hat.
Man braucht nur zu bedenken, daß die in den 92 UWG-Prozessen gemachten Vergleichsvorschläge, wenn sie angenommen worden wären, den im wirtschaftlichen Eigentum des Mandanten des Beschwerdeführers stehenden Firmen unberechtigte Vermögensvorteile in Höhe vieler Millionen Schilling (im Disziplinarerkenntnis erster Instanz wurde der potentielle Erlös mit S 64,400.000,-- errechnet) eingebracht hätten. Im Erk. ist auch eingehend begründet, daß der Beschwerdeführer, der mit seinem Mandanten seit vielen Jahren befreundet ist, bei der Mitwirkung an den in Rede stehenden Transaktionen in voller Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Vorgehens war, was in der vorliegenden Beschwerde auch gar nicht bestritten wird; daher ist es keinesfalls unvertretbar, daß die belangte Behörde trotz des Freispruches des Beschwerdeführers zu einem anderen Faktum dennoch, auch im Hinblick auf die Vielzahl weiterer Disziplinardelikte, die Gegenstand des angefochtenen Bescheides sind, und im Hinblick auf den Umstand, daß der Beschwerdeführer schon disziplinär vorbestraft war, die Streichung von der Liste der Rechtsanwälte verhängte.
Soweit der Beschwerdeführer sich darauf beruft, nachweisen zu können, daß in einem Disziplinarfall trotz einer strafgerichtlichen Verurteilung die Strafe der Streichung von der Liste der Rechtsanwälte nicht verhängt worden sei und in einem anderen Fall sogar nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe die Wiedereintragung als Rechtsanwalt bewilligt worden sei, kann für ihn daraus nichts gewonnen werden; denn selbst wenn in anderen Rechtssachen gesetzwidrig verfahren worden sein sollte, könnte ein solches Vorgehen dem Beschwerdeführer kein Recht auf ein gleiches behördliches Fehlverhalten einräumen (vgl. zB VfSlg. 6992/1973, 7962/1976, 9169/1981).
Das Verfahren über die Beschwerde gegen den Bescheid der RAK für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19.5.1987 ist einzustellen, da dieser Verwaltungsakt seine Rechtswirksamkeit dadurch verloren hat, daß die mit diesem Beschluß in Vollziehung der verhängten Disziplinarstrafe erfolgte Bestellung eines mittlerweiligen Stellvertreters aufgehoben, der mittlerweilige Stellvertreter seines Amtes enthoben und der Beschwerdeführer in die Liste der Rechtsanwälte wieder eingetragen wurde. Damit ist der Gegenstand der gegen den Bescheid der RAK für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19.5.1987 gerichteten Beschwerde weggefallen, was gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 10735/1985 und insbesondere VfGH 29.11.1986 B627,628/85) zur Einstellung des Beschwerdeverfahrens nach §86 VfGG führt.
Schlagworte
Disziplinarrecht Rechtsanwälte, VfGH / GegenstandslosigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B576.1987Dokumentnummer
JFR_10128874_87B00576_01