RS Vfgh 1987/11/26 B702/87

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Veröffentlicht am 26.11.1987
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
StGG Art6 Abs1 / Liegenschaftserwerb
Oö GVG 1975 §4 Abs1

Leitsatz

Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Leibrentenvertrages auf den Todesfall gem. §4 Abs1 Oö GVG; vertretbare Annahme eines Widerspruchs zu den öffentlichen Interessen iSd §4 Abs1 (mangelnde Selbstbewirtschaftung wegen Entfernung des Wohnortes des Übernehmers und seines Alters); dem steht nicht entgegen, daß das Grundstück schon bisher teilweise verpachtet worden ist; keine Verletzung im Eigentumsrecht; Begründung des Bescheides nicht auf persönliche Eigenschaften des Übernehmers (kein Landwirt) gestützt - keine Verletzung im Recht auf Liegenschaftserwerbsfreiheit; Versagung bewirkt lediglich faktische Verhinderung der Ausübung einer bestimmten Erwerbstätigung - keine Verletzung der Erwerbsausführungsfreiheit; keine Willkür

Rechtssatz

Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Rechtserwerbs gemäß §4 Abs1 Oö. GVG; keine Eigentumsverletzung.

Bereits in seinem Erk. VfSlg. 5683/1968 hat der Verfassungsgerichtshof darauf hingewiesen, daß im Grundverkehrsrecht seit jeher (§5 Abs1 Z1 des Gesetzes, BGBl. 1919/583) auch der Gedanke tragend war, es komme darauf an, ob ein "ausreichender Grund zur Annahme vorliegt, daß vom Erwerber das Gut nicht selbst ... bewirtschaftet wird". Demnach ist es in den durch das Oö. GVG zu schützenden öffentlichen Interessen gelegen, daß die im Rahmen des Grundverkehrs erworbenen land- und forstwirtschaftliche Grundstücke von den Erwerbern selbst bewirtschaftet werden (sa. VfGH 28.9.1985, B634/83).

Nach den Angaben des Zweitbeschwerdeführers ist derzeit an eine Selbstbewirtschaftung nicht gedacht. Erst nach seiner Pensionierung in etwa 8 Jahren sei ein Wohnsitzwechsel in Aussicht genommen. Wenn die belangte Behörde im Hinblick auf diesen Umstand von der Annahme ausgegangen ist, daß das vorliegende Rechtsgeschäft den durch das Oö. GVG (§4 Abs1) zu schützenden öffentlichen Interessen nicht entspricht, kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte. Die belangte Behörde hatte nach dem im Zeitpunkt ihrer Entscheidung gegebenen tatsächlichen Verhältnissen und nicht nach eventuellen zukünftigen Möglichkeiten zu entscheiden (VfGH 28.9.1985, B404/82). Dem steht auch nicht entgegen, daß das Grundstück schon bisher (zum Teil) verpachtet worden ist (vgl. VfSlg. 8095/1977 und 9313/1982). Denn nach §4 Abs1 Oö. GVG muß ein Rechtsgeschäft nicht nur dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes, sondern auch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung und Erhaltung land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsflächen entsprechen.

Vertretbare Annahme, das Grundstück werde vom Erwerber nicht selbst bewirtschaftet.

Keine Bedenken gegen §4 Abs1 Oö. GVG (vgl. VfSlg. 10320/1985 und VfGH 28.9.1985, B705/84, und die jeweils zitierte Rechtsprechung).

Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (VfSlg. 7539/1975 und die dort angeführte Rechtsprechung) richtet sich das durch Art6 StGG gewährleistete Recht, Liegenschaften zu erwerben und darüber frei zu verfügen, nur gegen jene historisch gegebenen Beschränkungen, die ehemals zu Gunsten bevorrechteter Klassen bestanden haben. Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie in den GVG enthalten sind, werden dagegen durch Art6 StGG nicht ausgeschlossen.

Es trifft zu, daß Art6 StGG verbietet, eine bevorrechtete Klasse der Landwirte dadurch zu schaffen, daß diesen - ohne Rücksicht darauf, ob es die nach dem Gesetz zu schützenden Grundverkehrsinteressen erfordern - nur deswegen, weil sie bereits Landwirte sind, gegenüber Personen, auf die dieses Kriterium nicht zutrifft, das vorzugsweise (oder gar ausschließliche) Recht eingeräumt wird, landwirtschaftlichen Grundbesitz zu erwerben (vgl. VfSlg. 5683/1968). Personen, die zwar fähig sind, die landwirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, dies aber im Zeitpunkt der Erwerbung des Grundstückes nicht tun, dürfen im Hinblick auf das Gleichheitsgebot im gegebenen Zusammenhang nicht schlechter gestellt werden als Personen, die diese Tätigkeit im genannten Zeitpunkt tatsächlich ausüben.

Die grundverkehrsbehördliche Genehmigung wurde dem vorliegenden Rechtsgeschäft aber nicht deswegen versagt, um Landwirte beim Erwerb des Grundstückes zu bevorzugen, sondern in erster Linie wegen der nicht gew Selbstbewirtschaftung des Übergabsobjektes durch den Zweitbeschwerdeführer. Wie sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides und den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, hat die belangte Behörde nicht auf Grund persönlicher Eigenschaften des Übernehmers (kein Landwirt), sondern im wesentlichen im Hinblick auf die vom Zweitbeschwerdeführer nicht bestrittene Tatsache, daß eine Selbstbewirtschaftung des übergebenen landwirtschaftlichen Nutzgrundes durch den Übernehmer nicht erwartet werden kann, die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt.

Das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung kann nur verletzt werden, wenn die Behörde den Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbstätigkeit gesetzlos (in denkunmöglicher Anwendung eines Gesetzes) oder auf Grund eines verfassungswidrigen Gesetzes untersagt. Art6 StGG gewährt jedoch keinen Schutz gegen Amtshandlungen, die die Erwerbsbetätigung nicht unmittelbar betreffen, mögen auch die Nebenwirkungen mittelbar die Erwerbsbetätigung verhindern; die Erwerbsbetätigungsfreiheit wird somit nicht verletzt, wenn der Verwaltungsakt die Realisierung einer bestimmten Erwerbsbetätigung lediglich faktisch verhindert (vgl. VfSlg. 7856/1976 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung des Rechtsgeschäftes war - wie die Beschwerde selbst zugesteht - offenkundig nicht unmittelbar gegen die Erwerbsbetätigung des Beschwerdeführers gerichtet.

In Anbetracht dessen, daß die belangte LGVK ihre Entscheidung zu Recht im wesentlichen auf die - im übrigen vom Zweitbeschwerdeführer nicht bestrittene - mangelnde Bereitschaft des Übernehmers zur Selbstbewirtschaftung in absehbarer Zeit stützte, war die Behörde nicht gehalten, einen Augenschein vorzunehmen. Wenn nun der Beschwerdeführer sowohl im Administrativverfahren als auch im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof unzweifelhaft den Standpunkt vertritt, daß er derzeit nicht in der Lage sei, das Übergabsobjekt selbst zu bewirtschaften, kann er der belangten Behörde nicht den Vorwurf machen, daß die Entfernung zwischen seinem Wohnort und dem Übergabsobjekt kein hinreichendes Indiz dafür ist, daß er derzeit die Liegenschaft nicht selbst landwirtschaftlich nutzen werde.

Das Verhalten der Behörde wird nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht rechtswidrig, wenn die Behörde in anderen Fällen - allenfalls - fehlerhaft entschieden hätte (VfSlg. 4449/1963 und 8779/1980 uva).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Interessen, Selbstbewirtschaftung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B702.1987

Dokumentnummer

JFR_10128874_87B00702_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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