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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Klage wegen vermögensrechtlicher Ansprüche aus dem Finanzausgleich; Ermittlung der Ertragsanteile der Gemeinden an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben nach §10 FAG 1979 bzw. FAG 1985; Bedeutung der "Volkszahl" nach §8 Abs3 für die Berechnung; verfassungsgerichtliche Nachprüfung (Neuermittlung) der nach dem Inkrafttreten des Volkszählungsgesetzes 1980 verordnungsmäßig festgestellten "Bürgerzahl" ausgeschlossen; keine Bedenken gegen die aufgrund eines Erk. des VfGH berichtigte V ("Bürgerzahl-V" des österreichischen Statistischen Zentralamtes, Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 40 vom 18.2.1982); auch keine unrichtige Zuordnung von zwei - von der "Bürgerzahl-V" nicht zu erfassenden - Ausländern; Abweisung der KlageRechtssatz
Obwohl die Marktgemeinde Gablitz keine ziffernmäßig bestimmte Summe einklagt, macht sie mit der vorliegenden Klage einen vermögensrechtlichen Anspruch iSd Art137 B-VG geltend, weil die Überweisung eines nach ihrer Berechnungsmethode zu ermittelnden Geldbetrages begehrt wurde, der die ihr bereits überwiesenen Ertragsanteile übersteigt. Dieser gegen ein Bundesland gerichtete Anspruch ist - wie es Art137 B-VG fordert - weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, noch durch verwaltungsbehördlichen Bescheid zu erledigen (vgl. VfSlg. 7644/1975, 10.044/1984, 10.316/1985).
Zufolge Abs1 des §10 FAG 1979 (FAG 1985) werden zum Zweck der Ermittlung der Ertragsanteile der Gemeinden an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben (mit Ausnahme der Spielbankabgabe) zunächst - nach Ausscheidung der auf Wien als Gemeinde entfallenden Quote - die Ertragsanteile auf die Gemeinden länderweise unter Beachtung der im §8 Abs2 FAG 1979 (FAG 1985 idF der Novelle BGBl. 1986/384) angeführten Schlüssel rechnungsmäßig aufgeteilt. Von den so länderweise errechneten Beträgen sind 13,5 vH auszuscheiden und (vom Bund) den Ländern zu überweisen; sie sind für die Gewährung von Bedarfszuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände bestimmt (zweckgebundene Landesmittel). Nach Abs2 leg.cit. haben die Länder die restlichen 86,5 vH als Gemeindeertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben auf die einzelnen Gemeinden nach folgendem Schlüssel aufzuteilen: Vorerst erhalten jene Gemeinden, deren Finanzkraft im Vorjahr den Finanzbedarf nicht erreichte, 30 vH des Unterschiedsbetrages zwischen Finanzbedarf und Finanzkraft. Die verbleibenden Ertragsanteile sind nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel auf alle Gemeinden des Landes zu verteilen.
Aus all dem ergibt sich, daß die sogenannte Unterverteilung der verbleibenden 86,5 vH der Ertragsanteile ausschließlich den Ländern obliegt: Wenngleich das FAG 1979 (FAG 1985) die Überweisung dieser Beträge an die Länder nicht ausdrücklich anordnet, folgt aus der Regelung des §10 FAG 1979 (FAG 1985) in ihrer Gesamtheit zwingend, daß der Bund die in Rede stehenden Gelder den Ländern zur Verteilung zur Verfügung stellen muß. Damit wird zugleich den Gemeinden ein Rechtsanspruch darauf eingeräumt, daß ihnen das Land die gemäß den Vorschriften des §10 Abs2 FAG 1979 (FAG 1985) ermittelten Ertragsanteile tatsächlich überweist (vgl. VfSlg. 7644/1975, 10.044/1984, 10.316/1985).
Klage der Marktgemeinde Gablitz gegen das Land Niederösterreich auf Zahlung eines sich aus der Zugrundelegung einer anderen Volkszahl der Gemeinde ergebenden Differenzbetrags an Gemeindeertragsanteilen (§10 Abs2 FAG).
Aus §10 FAG 1979 (1985) in seiner Gesamtheit folgt zwingend, daß der Bund die Gemeindeertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben den Ländern zur Verteilung zur Verfügung stellen muß.
Demgemäß ist hier die Marktgemeinde Gablitz aktiv, das Land Niederösterreich passiv klagslegitimiert.
Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg. 9598/1982 ausführlich darlegte, handelt es sich bei einer (im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" zu publizierenden) Kundmachung des ÖStZA gemäß §7 Abs2 VolkszählungsG 1980 (über die "Bürgerzahl") um eine Verordnung in der Bedeutung des Art139 B-VG. Der Verfassungsgerichtshof hält an dieser Rechtsauffassung fest.
Das Verfahren zur Berechnung der - hier der Höhe nach strittigen - Ertragsanteile ist im FAG 1979 (FAG 1985) geregelt. Dazu ordnet §8 Abs3 FAG 1985 idF der Novelle BGBl. 1986/384 an, daß sich das - für die Berechnung bedeutsame - Schlüsselelement "Volkszahl" nach dem vom ÖStZA auf Grund der letzten Volkszählung festgestellten Ergebnis bestimmt, das mit dem Beginn des dem Stichtag der Volkszählung nächstfolgenden Kalenderjahres (hier: 1982) wirksam wird.
Die mit Verordnung des ÖStZA im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" (Nr. 40 vom 18.2.1983) - in Form einer bundesländerweisen Bündelung aller gemeindebezogenen Einzelergebnisse - rechtsverbindlich festgelegte und kundgemachte "Bürgerzahl" (Zahl der Österreicher) ist ganz unabhängig von der Rechtsqualität der Volkszählung 1981 integrierender Bestandteil (Teilwert, Komponente) der im FAG umschriebenen "Volkszahl" und darum für die rechtliche Beurteilung des - aus der "Volkszahl" der Marktgemeinde Gablitz abgeleiteten - Klagsanspruches (mit-)maßgebend, sodaß der Verfassungsgerichtshof die diese ("Bürger-")Zahl feststellende generelle Norm ("Bürgerzahl-V") bei Entscheidung über das Klagebegehren ebenso anzuwenden hat wie §8 Abs3 FAG 1985 idF BGBl. 1986/384 selbst.
Diese "Volkszahl", di. die Zahl der Wohnbevölkerung im ganzen Bundesgebiet (s. §2 Abs1 VolkszählungsG 1980), die nicht für sich allein, gleichsam isoliert betrachtet werden kann, sondern alle im Inland ansässigen Österreicher notwendig miteinschließt, setzt sich demgemäß aus der Zahl der österreichischen Staatsbürger ("Bürgerzahl") und der Zahl der Nicht-Staatsbürger, jeweils im gesamten Bundesgebiet, zusammen. Angesichts des Umstands, daß das endgültige Volkszählungsergebnis insgesamt schon deshalb als in sich geschlossene Einheit zu begreifen ist, weil andernfalls je nach dem gewählten Ausgangspunkt - wie etwa Gemeinde, Land oder Bund - verschiedene, miteinander unverträgliche Einzelresultate möglich wären, können Änderungen der "Bürgerzahl" nach Lage der Verhältnisse nicht ohne Auswirkung auf die "Volkszahl" bleiben: Die mit Verordnung des ÖStZA im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" (Nr. 40 vom 18.2.1983) - in Form einer bundesländerweisen Bündelung aller gemeindebezogenen Einzelergebnisse - rechtsverbindlich festgelegte und kundgemachte "Bürgerzahl" (Zahl der Österreicher) ist ganz unabhängig von der Rechtsqualität der Volkszählung 1981 integrierender Bestandteil (Teilwert, Komponente) der im FAG umschriebenen "Volkszahl".
Soweit Davy, Revidiertes Volkszählungsergebnis und Finanzausgleich, ZfV 1984, S 495 ff (503), dafürhält, die These "Bürgerzahl = verbindlich festgelegte Volkszahlkomponente" könne "höchstens" für die Volkszahl je Bundesland (nicht Gemeinde) gelten, wird außer Acht gelassen, daß jede publizierte Bundesländerzahl ja nur die Summe der hier relevanten Gemeindeergebnisse ausdrückt, also ohne diese regionalen Teilresultate, wie sie sich im einzelnen ergaben, gar nicht bestehen könnte.
Anders als das VolkszählungsG 1980 sah das VolkszählungsG vom 5.7.1950, BGBl. 1950/159, in Verordnungsform gekleidete (Tatsachen-)Feststellungen über die "Bürgerzahl" nicht vor, sodaß das vom ÖStZA ermittelte endgültige Volkszählungsergebnis in VfSlg. 7644/1975 als schlichte Tatsachenfeststellung (ohne normative Wirkung) im Streitfall überprüft werden mußte (VfSlg. 7332/1974).
Eine verfassungsgerichtliche Nachprüfung (Neuermittlung) der nunmehr, dh. nach dem Inkrafttreten des VolkszählungsG 1980, verordnungsmäßig festgestellten - alle österreichischen Staatsbürger erfassenden - "Bürgerzahl" iSd zum Erk. VfSlg. 7644/1975 führenden Vorgangsweise ist darum kraft geltenden Rechts ausgeschlossen. Nur wenn Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der in dieser Streitsache präjudiziellen Verordnung des ÖStZA über die Bürgerzahlfestsetzung ("Amtsblatt zur Wiener Zeitung" Nr. 40 vom 18.2.1983) bestünden, hätte der Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Prozeß von Amts wegen ein Normenkontrollverfahren iSd Art139 B-VG einzuleiten (vgl. VfGH vom 14.6.1984 A12/83
(= VfSlg. 10.044/1984), A27/83, A32/83, A39/83, vom 20.9.1984
A24/83 (= VfSlg. 10.102/1984), A25/83, A28/83, A46/83,
A48/83, A5/84, vom 23.11.1984 A21/83, A2/84, A10/84 und vom 21.2.1985 A11/83 (= VfSlg. 10.316/1985), A18/83, A3/84, A13/84).
Das Ergebnis der Volkszählung ist gemäß §7 Abs1 VolkszählungsG 1980 - den Intentionen des Art26 Abs2 B-VG entsprechend - "so rasch wie möglich zu ermitteln und kundzumachen". Das bedeutet zugleich, daß dem ÖStZA die Behebung von Mängeln oder Zweifeln, die bei der Auswertung des Zählungsmaterials unter Umständen auftreten, keinesfalls uneingeschränkt möglich sein kann. Der Gesetzgeber nimmt vielmehr eine gewisse Fehlerquote - gezwungenermaßen - mit in Kauf. Diese Quote möglichst gering zu halten, ist der Sinn der Vorschrift des §6 Abs6 VolkszählungsG 1980, die das ÖStZA ua. dazu verpflichtet, "insbesondere ... bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze die betroffenen Gemeinden zu hören."
Das Gesetz überläßt auf diese Weise die allfällige Richtigstellung und Auswertung der Volkszählungsunterlagen nicht allein dem ÖStZA, es statuiert vielmehr eine Mitwirkungskompetenz der Gemeinden. Daß sich diese Kompetenz auf ein bloßes Anhörungsrecht beschränkt, trägt der Notwendigkeit einer raschen Auswertung der Zählungsunterlagen gebührend Rechnung (VfSlg. 9598/1982).
Keine Bedenken gegen Kundmachung des ÖStZA vom 18.2.1983 über die Bürgerzahl.
Das VolkszählungsG 1980 nimmt eine gewisse Fehlerquote bei der Auswertung des Zählungsmaterials in Kauf.
Gesetzwidrig wäre die sogenannte "Bürgerzahl-V" also nicht bereits dann, wenn das darin ausgedrückte Ergebnis der Volkszählung an gewissen, der Natur der Sache nach unvermeidlich und darum zu tolerierenden Unschärfen litte. Vielmehr könnten einzig und allein Mängel, die über eine derartige, aus dem spezifischen, rasch abzuwickelnden Zählungsverfahren zwangsläufig resultierende Fehlergrenze hinausreichen, die Gesetzmäßigkeit der Verordnung in Frage stellen, so vor allem der Umstand, daß die Norm überhaupt nicht in einem dem VolkszählungsG 1980 entsprechenden Verfahren, und zwar ohne Einhaltung der im Gesetz zur Gewinnung einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage vorgesehenen Vorgangsweise, zustandekam (vgl. VfSlg. 8213/1977, 8330/1978, 8697/1979, 9358/1982, 9598/1982). Davon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein.
Da der Verfassungsgerichtshof aus der Sicht dieser Streitsache keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die "Bürgerzahl-V" hegt, erweist sich das Klagebegehren, soweit es an die Zuordnung österreichischen Staatsbürger anknüpft - da der Streitfall in dieser Beziehung auf der Basis der in Rede stehenden Verordnung und damit auch auf der Grundlage der von der klagenden Partei bestrittenen, diese Österreicher mitumfassenden Volkszahl für Gablitz zu entscheiden ist - als unbegründet.
Zum gleichen Ergebnis gelangt der Verfassungsgerichtshof, soweit das Klagebegehren eine unrichtige Zuordnung von insgesamt zwei - nach den Klagsbehauptungen in Gablitz wohnenden - Ausländern betrifft. Da diese Personen - anders als österreichische Staatsbürger - von der "Bürgerzahl-V" nicht berührt werden, prüfte der Verfassungsgerichtshof ihre Zuordnung an Hand der Aktenlage unter Berücksichtigung des Klagsvorbringens im einzelnen nach, vermochte dabei aber keine wie immer beschaffene, dem ÖStZA anzulastende - entscheidungswichtige - Fehlerhaftigkeit festzustellen.
Schlagworte
VfGH / Klagen, Finanzverfassung, Finanzausgleich, Gemeinden, VfGH / Prüfungsgegenstand, Verordnung, VerwaltungsV, Volkszählung, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:A13.1987Dokumentnummer
JFR_10128873_87A00013_01