RS Vfgh 1987/12/1 V15/87

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 01.12.1987
beobachten
merken

Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6930 Wasserversorgung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
BenützungsgebührenG. Sbg LGBl 31/1963 idF 70/1965 und 109/1970 §2
KanalbenützungsgebührenO der Stadt Salzburg vom 18.12.1973 idF vom 15.12.1983
FAG 1979 §15 Abs3 Z4
FAG 1979 §15 Abs3 Z5

Leitsatz

Für 1984 beschlossene Gebührenhöhe weiterhin in Geltung, wenn auch der zeitliche Anwendungsbereich der V auf im Jahre 1984 verwirklichte Tatbestände beschränkt ist; keine Bedenken gegen die gesetzliche Grundlage, insbesondere keine Bedenken, daß durch das Sbg. BenützungsgebührenG die Ermächtigung der Gemeinden nach §15 Abs3 Z4 FAG 1979 eingeengt wird; zum Begriff des Äquivalenzprinzips; längerfristige Gebührenkalkulation mit dem Äquivalenzprinzip an sich vereinbar; hier Rückgriff auf ungedeckte Abgänge "vergangener Kalenderjahre", die kalkulatorisch bewußt in Kauf genommen wurden, in Verletzung des Äquivalenzprinzips - Benützungsgebühr für 1984 von S 8,93 je m3 tatsächlichen Wasserverbrauches gesetzwidrig

Rechtssatz

Prüfung der KanalbenützungsgebührenO der Stadt Salzburg.

Der Verfassungsgerichtshof nimmt iS seiner ständigen Judikatur zum Abgabenrecht (VfSlg. 8101/1977, 8709/1979 und 9374/1982) an, daß die am 15.12.1983 beschlossene Höhe der Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 1984 weiterhin in Geltung steht, mag sich auch der zeitliche Anwendungsbereich dieser Verordnungsbestimmung auf im Jahre 1984 verwirklichten Gebührentatbestände beschränken.

Der Verfassungsgerichtshof hat gegen die Verfassungsmäßigkeit der bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Bestimmung des BenützungsgebührenG aus Anlaß des zu B172/85 anhängigen Falles keine Bedenken. Insbesondere vertritt der Verfassungsgerichtshof die Auffassung, daß durch das BenützungsgebührenG die nach §15 Abs3 Z4 FAG 1979, BGBl. 1978/673 (seit 1.1.1985 §15 Abs3 Z5 FAG 1985, BGBl. 1984/544), den Gemeinde eingeräumte Ermächtigung, vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, auszuschreiben, nicht eingeengt wird (vgl. VfSlg. 10738/1985, VfGH 17.6.1986, B842/84; 11.3.1987, G169/86, V70/85; vgl. auch B v 28.6.1986, V70/85). Das BenützungsgebührenG legt in seinem §2 für die Festsetzung der Gebührentarife das Äquivalenzprinzip in einer der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 7583/1975 und die dort zitierte Vorjudikatur sowie VfSlg. 8847/1980) entsprechenden Art und Weise fest.

Der Verfassungsgerichtshof schließt nicht aus, daß zwecks Vermeidung größerer jährlicher Sprünge in der Gebührenhöhe eine längerfristige Gebührenkalkulation mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar ist, die einzelne oder auch mehrere Jahre lang Verluste (bzw. Überschüsse) absichtlich - also nicht aufgrund von Prognosefehlern - entstehen läßt, um diese Verluste (bzw. Überschüsse) auf der Basis derselben Kalkulation durch erwartete Überschüsse (bzw. Verluste) späterer Jahre auszugleichen. Das Äquivalenzprinzip für Benützungsgebühren gemäß §15 Abs3 Z4 FinanzausgleichsG 1979, BGBl. 1978/673 (jetzt §15 Abs3 Z5 FinanzausgleichsG 1985, BGBl. 1984/544), ist insoweit lediglich als Verbot anzusehen, bei der Festsetzung der Gebühren für Gemeindeeinrichtungen und -anlagen über jene Kosten hinauszugehen, die den Gemeinden bei einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Errichtung und einem ebensolchen Betrieb einer Anlage insgesamt erwachsen.

Der Verfassungsgerichtshof hält es mit dem Äquivalenzprinzip des §15 Abs3 Z4 FAG 1979 (§15 Abs3 Z5 FAG 1985) ebenso wie mit dem in diesem Sinne auszulegenden §2 BenützungsgebührenG für unvereinbar, die Kalkulationsgrundlagen für die jeweilige Jahresgebühr nach Belieben zu verändern. Das Äquivalenzprinzip gestattet es nicht, eine ständige Gebührenkalkulation aus Anlaß eines einmaligen Jahresgewinns im nachhinein so zu verändern, daß dieser Gewinn bei der folgenden Gebührenfestlegung nicht berücksichtigt wird. Die Beschlüsse des Gemeinderates vom 15.12.1977, wonach "die Abgänge 1974 bis 1976 ... von der Gemeinde zu tragen", sind, vom 15.12.1978, wonach "der ungedeckte Abgang des Jahres 1977 bei der Erfassung des Jahreserfordernisses gemäß §2 Abs2 BenützungsgebührenG nicht herangezogen und sohin der Abgang von der Gemeinde getragen werden soll" und vom 14.12.1979, wonach die Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 1980 ausdrücklich ohne Heranziehung des ungedeckten Abganges des Jahres 1978 beschlossen wurde, besitzen zwar als solche keinen rechtsverbindlichen Charakter. Als Bestandteil einer längerfristigen gemeindlichen Gebührenkalkulation schließen sie aber aus, daß Verluste aus den Kanalbenützungsgebühren, die in den Jahren 1974 bis 1980 entstanden sind, herangezogen werden, um bei der Festlegung der Kanalbenützungsgebühr für 1984 den in der Jahresrechnung für 1982 aufscheinenden Gewinn auszugleichen. Eine diesen Ausgleich zulassende Auslegung des §2 Abs4 BenützungsgebührenG würde dem Äquivalenzprinzip widersprechen.

Aber auch der von der Gemeinde in ihrer Äußerung unternommene Versuch, zur Rechtfertigung ihres Kanalbenützungsgebührentarifs für 1984 neue Kostenfaktoren nachzuschieben, wie etwa die erst später zu entrichtende Wasserwirtschaftsfonds-Schuldendienstrate oder die bisher in der Gebührenkalkulation nicht veranschlagten Kosten der zentralen Verwaltung oder des Vermessungsamtes, ist nach Meinung des Verfassungsgerichtshofes mit einer am Äquivalenzprinzip zu messenden Gebührenkalkulation nicht zu vereinbaren. Das Äquivalenzprinzip würde seinen die Höhe von Benützungsgebühren iSd §15 Abs3 Z4 FAG 1979 (bzw. §15 Abs3 Z5 FAG 1985) begrenzenden Charakter weitgehend verlieren, wenn es der Gemeinde bei jeder neuen Gebührenfestsetzung für eine bestimmte Gemeindeeinrichtung offenstünde, durch eine nachträgliche Änderung der für die Gebührenkalkulation maßgeblichen Kostenfaktoren die Gebührenhöhe zu manipulieren. Auch die von der Gemeinde in ihrer Äußerung völlig neu angeführten Kostenfaktoren bewirken daher eine mit dem Äquivalenzprinzip unvereinbare Änderung der für die Gemeindekanalisation von der Gemeinde selbst gewählten Kalkulationsgrundlagen.

Aufhebung der Zahl "8,93" in §4 Z2 der KanalbenützungsgebührenO der Stadt Salzburg vom 18.12.1973 idF vom 15.12.1983 wegen Verstoßes gegen §2 BenützungsgebührenG Salzburg iVm §15 Abs3 Z4 FAG 1979.

Ein Rückgriff auf ungedeckte Abgänge "vergangener Kalenderjahre", die kalkulatorisch bewußt in Kauf genommen wurden, ist nach Meinung des Verfassungsgerichtshofes bei der Gebührenfestsetzung gemäß §2 BenützungsgebührenG nur zulässig, sofern der Rückgriff im Rahmen des Äquivalenzprinzips des §15 Abs3 Z4 FAG 1979 (§15 Abs3 Z5 FAG 1985) auf der Grundlage einer einmal gewählten Gebührenkalkulation erfolgt. Dies ist hinsichtlich des Beschlusses des Gemeinderates vom 15.12.1983, kundgemacht im Amtsblatt Nr. 24/1983, für die Höhe der Kanalisationsgebühren im Jahre 1984 nicht der Fall.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungszeitpunkt, Finanzverfassung, Finanzausgleich, Gemeinden, Kanalisation, Abgaben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:V15.1987

Dokumentnummer

JFR_10128799_87V00015_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten