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16 MedienrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Abweisung eines Antrags der KPÖ auf Vergabe von Sendezeit für eine Belangsendung; keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers, vom Ordnungsprinzip des §5 Abs1 Satz 1 RundfunkG (über Vergabe von Sendezeit für Belangsendungen) für Zeiten der Wahlwerbung abzugehen; keine Sachlichkeitsbedenken gegen den Ausschluß von nicht im Nationalrat vertretenen Parteien; Einschränkung auf aktuell im Nationalrat repräsentierten Parteien - keine mangelnde Bestimmtheit der Regelung; Bestand solchen Parteien in jedem Fall einer Nationalratsauflösung bis zum Tag des Zusammentritts der neuen gewählten Abgeordneten; §5 Abs1 Satz 1 genügt den Voraussetzungen des Gesetzesvorbehaltes des Art10 Abs2 MRK; kein Hinweis auf Willkür; keine Verletzung der Rundfunkfreiheit (Art10 MRK)Rechtssatz
Zulässigkeit der Beschwerde gegen Bescheid der Kommission zur Wahrung des RFG.
Die Kommission zur Wahrung des RFG ist eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Ihre Entscheidungen unterliegen nach §29 Abs5 RFG nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug iSd Art144 Abs1 Satz 3 B-VG ist also ausgeschöpft (vgl. zB VfSlg. 8320/1978, 8906/1980; VfGH 11.10.1986 B193/86, 26.2.1987 B474/86).
§5 Abs1 Satz 1 RFG verpflichtet (in Ausführung der in ArtI Abs2 BVG-Rundfunk verfassungsgesetzlich festgeschriebenen allgemeinen Grundsätze) - nach seinem klaren und unmißverständlichen Wortlaut - den ORF ganz allgemein, einen bestimmten Teil der gesamten Sendezeit politischen Parteien zur Verfügung zu stellen, ohne dabei auf Perioden der Wahlwerbung besonders Bedacht zu nehmen. Zur teilweisen Abkehr von diesem einmal gewählten Ordnungsprinzip - iS der Schaffung eines Sonderregimes nur für Zeiten der Wahlwerbung - ist der Bundesgesetzgeber kraft Verfassungsrechtes nicht verhalten; eine solche Entscheidung liegt vielmehr innerhalb seines freien rechtspolitischen Gestaltungsspielraums. Die in Rede stehende Norm ist aber auch unter dem Aspekt der Andersbehandlung der im Nationalrat vertretenen Parteien verfassungsrechtlich unbedenklich.
§5 Abs1 RFG zeigt, daß Belangsendungen, deren Programm der Rundfunk nicht selbst gestalten darf (sondern äußerstenfalls auf seine Zulässigkeit zu kontrollieren hat), unter den Bewerbern entsprechend ihrer Bedeutung im öffentlichen Leben - also objektiv und unparteil, die Meinungsvielfalt beachtend, aber auch ausgewogene Programme gestaltend - aufzuteilen sind (s. VfGH 27.6.1986, B658/85). Wenn der Gesetzgeber hier nur einer bestimmten Kategorie politischer Gruppierungen, und zwar den "im Nationalrat vertretenen" Parteien, Anspruch auf Belangsendezeiten einräumt, so stellt er, sachgerecht differenzierend, einerseits auf das jedenfalls größere politische Gewicht solcher Vereinigungen im öffentlichen Leben - verglichen mit Gruppen, die nicht in der gesetzgebenden Körperschaft verteten sind -, anderseits aber auch auf offen zu Tage tretende tatsächliche und wirtschaftliche Gegebenheiten ab, die einer Berücksichtigung jeder einzelnen der zahlreichen politischen Klein- bis Kleinstgruppen bei Vergabe des für Belangsendungen vorgesehenen (geringen) Teils der Gesamtsendezeit (§5 Abs1 Satz 2 RFG) entgegenstehen.
§5 Abs1 RFG (Vergaberegel für Belangsendungen an politische Parteien) nimmt - verfassungsgemäß - keinen besonderen Bedacht auf Zeiten der Wahlwerbung; auch stellt die Andersbehandlung der im Nationalrat vertretenen Parteien eine sachgerechte Differenzierung dar.
Es kann keine Rede davon sein, daß §5 Abs1 Satz 1 RFG in Verletzung des Art18 B-VG offenlasse, ob (nur) gegenwärtig oder (auch) in früherer Zeit im Nationalrat vertretene Parteien Belangsendungen in Anspruch nehmen dürfen, weil der Wortlaut der Norm ganz offenkundig eindeutig ist: Das Gesetz erfaßt nur die im Nationalrat "vertretenen", also aktuell repräsentierten Parteien, und zwar ersichtlich auf der durchaus sachlichen Überlegung basierend, daß naturgemäß jenen Gruppen Gelegenheit zu selbstverantwortlichen Darstellung im Rundfunk zu bieten sei, denen - unabhängig von ihrer Stärke und Bedeutung in der Vergangenheit - zur Zeit der Sendung entsprechendes politisches Gewicht zukommt. Auch die Ansicht, daß es vor jeder Neuwahl im Parlament vertretene politische Parteien nicht mehr gebe, §5 Abs1 Satz 1 RFG also temporär unanwendbar wäre, ist verfehlt. Denn in jedem Fall einer Nationalratsauflösung bestehen bis zum Tag des Zusammentritts der neu gewählten Abgeordneten "im Nationalrat vertretene politische Parteien": Wird nämlich der Nationalrat durch Zeitablauf oder einfaches BG gemäß Art29 Abs2 B-VG aufgelöst, so behalten alle Abgeordneten bzw. alle seine Organe bis zum Zusammentritt des neuen Parlaments bzw. bis zur Neuwahl dieser Organe ihre Funktion. Löst hingegen der Bundespräsident den Nationalrat auf (Art29 Abs1 B-VG), bleiben die Präsidenten und der Ständige Unterausschuß des Hauptausschusses im Amt, bis der neugewählte Nationalrat die Präsidenten und den Hauptausschuß neu gewählt hat (§6 GeschäftsordnungsG 1975), sodaß jedenfalls jene Parteien, denen die hier in Betracht kommenden Funktionäre angehören, als "im Nationalrat vertreten" gelten müssen.
§5 Abs1 RFG (Vergaberegel für Belangsendungen an politische Parteien) erfaßt eindeutig nur die aktuell im Nationalrat vertretenen Parteien.
Kein Verstoß des §5 Abs1 RFG (Vergaberegel für Belangsendungen an politische Parteien) gegen Art10 MRK.
Der Verfassungsgerichtshof vertritt die Auffassung, daß §5 Abs1 Satz 1 RFG den Voraussetzungen des Gesetzesvorbehalts des Art10 Abs2 MRK voll genügt, weil die schranken- und bedingungslose Öffnung des ORF für die Sendungen von hunderten politischen Parteien, die mitunter nur wenige Mitglieder haben mögen, die Erfüllung des umfassenden Programmauftrages zum Nachteil der Rundfunkteilnehmer behindern, wenn nicht vollends unmöglich machen müßte.
Keine Gleichheitsverletzung durch Versagung einer Belangsendung für die KPÖ, die zur Zeit ihres Ansuchens nicht im Nationalrat vertreten war, durch die Kommission zur Wahrung des RFG.
Es finden sich keinerlei Hinweise dafür, daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von unsachlichen Erwägungen geleitet worden sei: Die Kommission ging sichtlich auf alle maßgebenden Einzelheiten der Rechtssache ein, wie der aus den Akten zu entnehmende Ablauf des Verwaltungsgeschehens, letztlich aber auch die ausführliche, das Vorbringen der damaligen Antragstellerin berücksichtigende Begründung des angefochtenen Bescheides zeigen.
Der im Verfassungsrang stehende Art10 EMRK gewährleistet nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. zB VfSlg. 9909/1983) als Bestandteil des Anspruchs auf freie Meinungsäußerung ua. ein Recht auf Freiheit zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen. Der Schutzbereich dieser verfassungsgesetzlichen Gewährleistung erstreckt sich auch auf die Freiheit zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen mit Hilfe von Fernseh-Rundfunkanlagen (sog. Rundfunkfreiheit).
Die grundrechtlichen Freiheitsverbürgungen sind jedoch in zweifacher Weise eingeschränkt: Zum einen ermächtigt Art10 Abs1 letzter Satz EMRK den Staat, Rundfunk- und Fernsehbetriebe einem Genehmigungsverfahren zu unterziehen, zum anderen kann gemäß Art10 Abs2 EMRK die Ausübung der Rundfunkfreiheit bestimmten gesetzlichen Beschränkungen unterworfen werden.
Das Recht auf Rundfunkfreiheit gemäß Art10 EMRK steht darum unter Gesetzesvorbehalt. Der Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann es nur dann verletzen, wenn er ohne jede gesetzliche Grundlage erging oder auf einer verfassungswidrigen Norm beruht oder wenn bei seiner Erlassung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet wurde (vgl. zB VfSlg. 9909/1983).
Zwar ist der Beschwerdeführerin beizupflichten, daß jeder gesetzlose oder aus welchen Gründen immer willkürliche Ausschluß einer politischen Partei vom Zugang zu Rundfunkeinrichtungen gleichheitswidrig wäre und - schon angesichts ArtI Abs2 BVG-Rundfunk - gegen Art10 EMRK verstieße. Doch kann von einer derartigen verfassungwidrigen Gesetzeshandhabung hier nicht die Rede sein, weil der angefochtene Bescheid ua. nicht bloß auf der - aus der Sicht dieses Beschwerdefalles verfassungsrechtlich unbedenklichen - Vorschrift des §5 Abs1 Satz 1 RFG basiert, sondern auch den Gesetzen des logischen Denkens entsprechend begründet wurde, ohne daß die Kommission dabei den zur Stützung des Spruchs herangezogenen einfgesetzlichen Bestimmungen einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt hätte.
Schlagworte
Rundfunk, Organisation, Kommission zur Wahrung des RFG, Nationalrat, Geltung Wirksamkeit, Grundrechte, MeinungsäußerungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B446.1987Dokumentnummer
JFR_10128790_87B00446_01