RS Vfgh 1987/12/14 G131/87

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Veröffentlicht am 14.12.1987
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
EStG 1972 §73 Abs2 letzter Satz
EStG 1972 §75

Leitsatz

In §73 Abs2 EStG normierte Hinzurechnung bestimmter Beträge bei schuldhafter Unterlassung der Vorlage der Lohnsteuerkarte mit Hinweis auf VfSlg. 6379/1971 nicht unsachlich; nach dem Zweck der Regelung (Verhinderung von Verschleierungshandlungen) und Verschuldensabhängigkeit - Sanktionscharakter der Regelung; im Hinblick auf das (begrenzte) Ausmaß der Hinzurechnungsbeträge und die Orientierung an der wirtschaftlichen Leistungskraft des Abgabepflichtigen keine Gleichheitsbedenken dagegen, daß die Regelung nicht auf den Verschuldensgrad abstellt; Abweisung des Antrages

Rechtssatz

Die Hinzurechnungsbeträge tragen insbesondere dem Umstand Rechnung, daß der Arbeitnehmer bei Nichtvorlage der Lohnsteuerkarte unter Umständen mehrfach in den Genuß des Werbungskostenpauschales (§16 Abs3), des Sonderausgabenpauschales (§18 Abs3) sowie des allgemeinen Absetzbetrages (§57 Abs1) gelangen könnte

(s. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch2, §75, Tz 5). §75 Abs1 EStG 1972 wird als Zwangsmaßnahme bezeichnet, durch welche der Steuerpflichtige zur Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten angehalten werden soll (s. Hofstätter-Reichel, Kommentar, §75 EStG, Tz 1). Der Hinzurechnungsbetrag erfüllt eine Ordnungsfunktion (s. Werner Doralt, Zweifelsfragen zum Steuerrecht, ÖStZ 1974, S 148). Ob und inwieweit der Regelung pönaler Charakter zukommt, ist in der soeben angeführten Literatur umstritten.

Für die Besteuerung des Arbeitslohnes kommt der Lohnsteuerkarte zentrale Bedeutung zu. Schon die Ausschreibung der Lohnsteuerkarte zieht Folgewirkungen nach sich, die für eine ordnungsgemäße gesetzmäßige Besteuerung der Arbeitslöhne von Bedeutung sind. So haben die Gemeinden dem Finanzamt ein Verzeichnis der (nachträglich) ausgeschriebenen Lohnsteuerkarten zu übermitteln (§53 EStG), womit dem Finanzamt offenbar die Kontrolle der dem amtswegigen Jahresausgleich unterliegenden Fälle erleichtert werden soll. Die Ausschreibung der Lohnsteuerkarte für den Ehegatten führt ferner zur Streichung des allenfalls auf der Ersten Lohnsteuerkarte des anderen Ehegatten eingetragenen Alleinverdienerabsetzbetrages. Legt der Arbeitnehmer eine Lohnsteuerkarte nicht vor, so nimmt er damit - entgegen der Auffassung von Beiser ("Hinzurechnung wegen Nichtvorlage der Lohnsteuerkarte verfassungskonform?", ÖStZ 1986, S. 244ff.) - nicht nur Nachteile durch den Hinzurechnungsbetrag auf sich, sondern erreicht unter Umständen, daß das Finanzamt von einer mehrfachen Beschäftigung nichts erfährt (wenn etwa der Arbeitgeber seiner Meldepflicht nach §72 Abs3 EStG nicht nachkommt) und ein amtswegiger Jahresausgleich unterbleibt, oder daß auf der Lohnsteuerkarte des anderen Ehegatten der Alleinverdienerabsetzbetrag zu Unrecht eingetragen bleibt.

Antrag des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung der Worte "der Monatslohn um die entsprechenden Hinzurechnungsbeträge gemäß §75 zu erhöhen und" in §73 Abs2 letzter Halbsatz EStG 1972.

Keine Gleichheitsbedenken gegen §73 Abs1 letzter Halbsatz EStG 1972.

Der Verfassungsgerichtshof geht mit dem antragstellenden Verwaltungsgerichtshof, der Vorjudikatur (VfSlg. 6379/1971) und der Literatur (Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch2, Hofstätter-Reichel, Kommentar, Doralt, Zweifelsfragen zum Steuerrecht, ÖStZ 1974) davon aus, daß die im §75 EStG 1972 bei schuldhaftem Verhalten vorgesehene Rechtsfolge unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes unbedenklich ist.

Wenn der Gesetzgeber einen Hinzurechnungsbetrag bei der Lohnsteuer vorsieht, so könnte dieser auch den Zweck haben, Verschleierungen iZm der Nichtvorlage der Lohnsteuerkarte hintanzuhalten. Dieser Zweck rechtfertigt es aber, den Hinzurechnungsbetrag auch im Fall der Durchführung eines Jahresausgleichs aufrechtzuerhalten, zumal die Sanktion nur bei schuldhaftem Verhalten des Steuerpflichtigen verhängt wird.

Für diese Überlegungen spricht auch, daß der Hinzurechnungsbetrag im Falle einer Veranlagung von lohnsteuerpflichtigen Einkünften ebenfalls aufrecht bleibt. Die angefochtene Bestimmung stellt also einen Teil einer Regelung dar, mit welcher der Gesetzgeber die Folgen einer - nicht überschießenden - Reaktion auf ein bestimmtes, schuldhaftes Verhalten des Abgabepflichtigen für alle davon Betroffenen gleich gestaltet hat.

Der Zweck der Regelung (Verhinderung von Verschleierungshandlungen) und die Voraussetzung des Vorliegens eines Verschuldens sprechen dafür, daß der bekämpften Bestimmung insoweit der Charakter einer Sanktion (s. hiezu bereits VfSlg. 6379/1971) zukommt. Der Verfassungsgerichtshof findet es aber im Hinblick auf das - nach oben begrenzte - Ausmaß der Hinzurechnungsbeträge und die - unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes durchaus zulässige - Orientierung an der wirtschaftlichen Leistungskraft des Abgabepflichtigen nicht bedenklich, wenn die Sanktion nicht auf den Grad des Verschuldens abstellt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Lohnsteuerkarte, Jahresausgleich

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:G131.1987

Dokumentnummer

JFR_10128786_87G00131_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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