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40 VerwaltungsverfahrenNorm
B-VG Art20 Abs1Leitsatz
Mangelnde Präjudizialität des §47 Abs2 erster Satz VStG (betreffend die Zulässigkeit der Erstellung von Computerstrafverfügungen) - Einstellung des Prüfungsverfahrens in diesem Umfang, auch hinsichtlich der darauf gestützten Bestimmungen der Polizeistrafverordnungen; keine Präjudizialität des §58 Abs3 AVG Verfassungsrechtliche erforderliche Merkmale des Bescheides einer Verwaltungsbehörde: rechtsverbindliche Entscheidung einer Verwaltungsangelegenheit durch Gestaltung oder Feststellung der Rechtssphäre individuell bestimmter Personen sowie sichergestellte Erkennbarkeit derartiger Verwaltungsakte; Erfordernisse für die Rechtswirksamkeit von Bescheiden insbesondere Strafverfügungen, die unter Anwendung automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden; §47 Abs2 zweiter Satz VStG und §18 Abs4 letzter Satz werden nicht als verfassungswidrig aufgehobenRechtssatz
Computerstrafverfügungen; amtswegige Prüfung des §47 Abs2 VStG 1950.
Der Einwand, Sitz der allfälligen Verfassungswidrigkeit könnte nur jene Bestimmung sein, die sich mit der Form der Ausfertigung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung befasse (§47 Abs2 2. Satz VStG), ist im Ergebnis berechtigt. Zwar hat der Gerichtshof nicht nur Bedenken wegen des Fehlens eines Hinweises auf die Person des die Erledigung Genehmigenden oder sonst Verantwortenden - und damit im Hinblick auf die Form - erhoben, sondern wegen des Fehlens eines solchen Genehmigenden oder sonst Verantwortenden. Doch kann sich auch dieser Mangel nicht schon aus dem bloßen Umstand ergeben, daß eine Ausfertigung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt wird. Die Verwendung dieser technischen Hilfsmittel macht es zwar möglich, Ausfertigungen ohne ausreichende sachliche Nahebeziehung eines Organwalters zur jeweiligen Angelegenheit herzustellen, schließt aber die Notwendigkeit der Genehmigung oder Verantwortung durch damit betraute Organwalter der in der Ausfertigung genannten Behörde nicht aus. Bedenklich kann auch unter diesem Gesichtspunkt nur der den Ausdruck des Namens dieses Organwalters erübrigende und damit auf die Klarstellung der Genehmigung oder sonstiger Verantwortung anscheinend verzichtende zweite Satz des §47 Abs2 VStG sein. Daher sind die Gesetzesprüfungsverfahren in bezug auf den ersten Satz des §47 Abs2 VStG einzustellen.
Keine Präjudizialität des ersten Satzes des §47 Abs2 VStG 1950, wodurch den Bedenken gegen die auf diesen Satz gestützte Verordnung der Boden entzogen ist.
Das Verordnungsprüfungsverfahren wird hinsichtlich der Worte "sowie gemäß §36 lite KFG 1967" in §3, "§24 Abs1 lita," in §5 sowie hinsichtlich der §§8, 11 und 12 der Verordnung der BPD Wien vom 12.1.1984, mit der einzelne Tatbestände von Verwaltungsübertretungen bestimmt und die jeweils zu verhängenden Strafen im vorhinein festgesetzt werden, Z P 1886/18/a/83, eingestellt.
Computerbescheide; amtswegige Prüfung des §18 Abs4 letzter Satz AVG 1950.
Der Hinweis, auch §58 Abs3 AVG hätte noch in Prüfung gezogen werden müssen, weil erst diese Bestimmung für Bescheide die Vorschriften des §18 Abs4 AVG anwendbar mache - was auf die Behauptung hinauslaufen könnte, daß der Prüfungsgegenstand zu eng gehalten sei -, greift nicht durch. Denn einerseits ist §18 Abs4 AVG so allgemein gehalten, daß er auch ohne die klarstellende Verweisung des §58 Abs3 AVG auf Bescheide angewendet werden müßte, und andererseits würde das Ergebnis einer Aufhebung des §58 Abs3 leg.cit. sein, daß Abs4 des §18 AVG zur Gänze unanwendbar würde, sodaß mehr aus dem Rechtsbestand ausschiede, als Voraussetzung für die Anlaßfälle bildet und von den Bedenken erfaßt ist.
Der Begriff der "Ausfertigung" in §18 Abs4 AVG kann nicht von vornherein dem Begriff der Urschrift gegenübergestellt werden. Nicht jede schriftliche Ausfertigung beruht auf einer Urschrift. Als Ausfertigung bezeichnet das Gesetz vielmehr jede an die Partei gerichtete Erledigung. Von einer - im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehenen - Urschrift kann nur dort die Rede sein, wo die Kanzlei zu beglaubigen hat, daß eine Ausfertigung mit der - wie immer erfolgten - Erledigung übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist (§18 Abs4 zweiter Satz AVG); dieses Geschäftsstück stellt dann eine "Urschrift" dar.
Ob in Fällen, die keiner Beglaubigung bedürfen, wie bei telegraphischen, fernschriftlichen oder vervielfältigten Ausfertigungen (§18 Abs4 dritter Satz AVG) oder Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden (§18 Abs4 vierter Satz AVG) und insbesondere automationsunterstützt ausgefertigten Strafverfügungen (§47 Abs2 zweiter Satz VStG) eine Urschrift unterfertigt werden muß, ist dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu entnehmen. Auf den ersten Satz des §18 Abs4 AVG kann ein solches Erfordernis nicht gestützt werden, denn er regelt einen anderen Fall der Erledigung. Telegraphische oder fernschriftliche Ausfertigungen sowie Vervielfältigungen sind durchaus ohne Urschrift denkbar. Ob das Gesetz für diese Fälle des dritten Satzes des §18 Abs4 AVG eine Urschrift fordert, muß im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben. Mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellte Ausfertigungen an das Erfordernis einer unterfertigten "Urschrift" zu binden, hält der Verfassungsgerichtshof aber mit dem Zweck dieser Ausfertigungsform jedenfalls für unvereinbar. Wohl mag es auch hier Fallgruppen geben, in denen dem Verarbeitungsvorgang eine solche "Urschrift" zugrundeliegt oder - wie bei bloß automationsunterstützt vorbereiteten Strafverfügungen - im Zuge der Datenverarbeitung "Urschriften" entstehen, die noch vor Abfertigung unterschrieben werden könnten. Sinn und Zweck dieser Ausfertigungsform ist aber die mögliche Ersparnis jeder weiteren Manipulation. Die Notwendigkeit, eine unterfertigte "Urschrift" herzustellen, würde die Wirkung der Automatisierung zum größten Teil wieder aufheben und dieser Ausfertigungsform ihren entscheidenden Vorteil nehmen. Der einer "Urschrift" entsprechende Akt setzt sich hier aus der Gestaltung oder besser: der Entscheidung über den Einsatz des Programms, der Auswahl unter mehreren Programmen und der Eingabe (Auswahl) der fallbezogenen Daten zusammen. Keiner dieser Teilschritte ist für sich allein einer Urschrift vergleichbar und auch alle zusammen lassen sich sinnvollerweise nicht als solche bezeichnen. Die Ausfertigung soll nach der Absicht des Gesetzgebers zur Gänze "mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt" werden.
Diese Auslegung wird durch die EB der RV zur Novelle des §96 BAO (860 BlgNR XI. GP) und daran anknüpfend durch die EB der RV zur Novelle des AVG (160 BlgNR XV. GP S 7 f) bestätigt.
Der These des Verwaltungsgerichtshofes im E v 6.12.1985, Z85/18/0029,
"Müssten behördliche Erledigungen von niemandem mehr unterschrieben und genehmigt werden, so wäre nicht mehr erkennbar, ob und allenfalls welche auf Zeit gewählten oder ernannten berufsmäßigen Organe die Verwaltung führen. Es wäre auch weder der Durchgriff des Weisungsrechtes iSd zitierten Artikels der Bundesverfassung gewährleistet, noch könnte eine Gebietskörperschaft, die nach Art23 Abs1 B-VG zur Amtshaftung herangezogen wird, ihrerseits Regreß an einem Organ iSd Abs2 dieses Artikels nehmen, weil nämlich kein genehmigendes Organ mehr feststellbar wäre."
Dem kann der Verfassungsgerichtshof in dieser Allgemeinheit nicht beipflichten, weil die Unterfertigung nur eine der möglichen Formen der Genehmigung darstellt und die Organwalter einer Behörde, welche die Ausfertigung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung veranlassen, auch anders als durch Unterfertigung einer Urschrift festgestellt werden können.
Computerbescheide; gesamte Erstellung der Bescheidausfertigung mittels ADV.
Der Tatbestand, für welchen der letzte Satz des §18 Abs4 AVG und der zweite Satz des §47 Abs2 VStG auf Unterschrift und Beglaubigung verzichten, ist die "Erstellung" der Ausfertigung einer Erledigung bzw. die "Ausfertigung" der Strafverfügung mittels bzw. unter Verwendung automationsunterstützter Datenverarbeitung. Ein solcher Fall liegt nach Meinung des Verfassungsgerichtshofes nicht schon dann vor, wenn bloß zur Vorbereitung einer Erledigung solche technischen Hilfsmittel herangezogen werden. Vielmehr muß das abgefertigte Schriftstück insgesamt mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung hergestellt worden sein. Ist das der Fall, so hat es keinen Einfluß auf die Entbehrlichkeit der Unterschrift oder Beglaubigung, daß es etwa noch auf seine Richtigkeit überprüft oder stichprobenweise einer Kontrolle unterzogen und von Hand versendet wird. Auch in solchen Fällen behält die Befreiung von den genannten Erfordernissen nämlich noch ihren Sinn. Wird die Ausfertigung hingegen nur teilweise automationsunterstützt hergestellt und von Hand ergänzt und vervollständigt, dann muß sie die Erfordernisse der ersten beiden Sätze des §18 Abs4 AVG erfüllen.
Was das Erfordernis der Beisetzung des Namens des Genehmigenden im automationsunterstützt erzeugten Bescheid betrifft, ist einzuräumen, daß die Gesetze darüber nichts Ausdrückliches enthalten. Der Zusammenhang des vierten mit dem dritten Satz des §18 Abs4 AVG läßt aber erkennen, daß sich auch die Beisetzung des Namens des Genehmigenden erübrigen soll. Schreibt der Gesetzgeber nämlich für telegraphische, fernschriftliche oder vervielfältigte Ausfertigungen bloß die Beisetzung des Namens vor, so kann der im folgenden Satz ohne den Hinweis auf die Notwendigkeit der Beisetzung des Namens ausgesprochene Verzicht auf Unterschrift und Beglaubigung nur dahin verstanden werden, daß auch die Beisetzung des Namens unterbleiben kann. Daß der Gesetzgeber solches nicht ausdrücklich sagt und auch nicht die gesetzestechnisch naheliegende Lösung gewählt hat, nach dem Verzicht auf Unterschrift und Beglaubigung im dritten Satz im vierten für die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellten Ausfertigungen überdies auf die Beisetzung des Namens zu verzichten, dürfte darauf zurückzuführen sein, daß der letzte Satz des §18 Abs4 AVG wörtlich jenen Vorschriften entspricht, welche die Verwendung automationsunterstützter Datenverarbeitung geregelt haben, ohne auf telegraphische, fernschriftliche oder vervielfältigte Ausfertigungen Bedacht zu nehmen (wie übrigens auch §47 Abs2 VStG eine solche Vereinfachung nicht kennt). Wie das Verfahren gezeigt hat, sind die in Prüfung stehenden Bestimmung des §18 Abs4 letzter Satz AVG und §47 Abs2 2. Satz VStG auch in der Praxis immer so verstanden worden.
Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gründen in der vorläufigen Annahme, daß der Bescheidbegriff der Bundesverfassung die erkennbare Verbindung des Verwaltungsaktes mit einem der betreffenden Behörde zugehörenden Organwalter voraussetzt und eine Verwaltung mittels unpersönlicher, nicht mehr auf dem Willen bestimmter Organwalter gründender, der Behörde nur mehr fiktiv zurechenbarer Akte den verfassungsrechtlichen Erfordernissen nicht entspricht.
Diese verfassungsrechtlichen Bedenken sind nicht begründet. §47 Abs2 zweiter Satz VStG und §18 Abs4 letzter Satz AVG sind unter dem Blickwinkel der in den Prüfungsbeschlüssen geltend gemachten Bedenken nicht verfassungswidrig.
Die im Prüfungsbeschluß aus dem Fehlen der Benennung eines verantwortlichen Organwalters bei automationsunterstützt erzeugten Ausfertigungen gemäß §47 Abs2 zweiter Satz VStG und §18 Abs4 letzter Satz AVG abgeleiteten verfassungsrechtlichen Bedenken schlagen mit Rücksicht darauf nicht durch, daß der mit der verfassungsrechtlichen Grundlegung des Bescheibegriffs intendierte Rechtsschutzstandard gegenüber der Verwaltung durch den in den angeführten gesetzlichen Bestimmungen enthaltenen Verzicht auf den Namen eines Genehmigenden als Formmerkmal des Bescheides nicht beeinträchtigt wird.
Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen geben keinen Anlaß, die notwendige Zurechnung eines automationsunterstützt erzeugten Bescheides zu einer Behörde in verfassungswidriger Weise zu unterbinden. Soweit im Zuge der technologischen Entwicklung die Erlassung von Bescheiden namens einer Behörde ohne deren tatsächliche Beteiligung aber möglich erscheint, sieht sich der Verfassungsgerichtshof veranlaßt, schon jetzt darauf hinzuweisen, daß in verfassungskonformer Auslegung die gesetzlichen Bestimmungen zum Erlaß automationsunterstützt erzeugter Bescheide keine Rechtsgrundlagen für eine derartige Vorgangsweise bilden.
Der vom Bundesverfassungsrecht verwendete Bescheidbegriff enthält selbst keine bestimmten, für den einfachen Gesetzgeber unabdingbaren Formmerkmale, geschweige denn, daß er sich auf die historisch überkommenen, vom AVG oder anderen Verfahrensgesetzen geforderten Formkriterien reduzieren läßt. Zwar mag es naheliegen, daß sich der Verfassungsgesetzgeber des Jahres 1925 (der das Wort "Bescheid" im B-VG derart verankerte, daß er es den überkommenen, in Klammer gesetzten Begriffen "Entscheidungen und Verfügungen" in den Art129 und 144 B-VG zusammenfassend vorausstellte) auch an dem kurz vorher im gleichen Jahr - wenn auch in der Rechtsform eines einfachen Gesetzes - erlassenen AVG orientierte. Doch hat der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg. 4986/1965 im Zusammenhang mit der einfachgesetzlichen Regelung der Rechtskraftwirkung von Bescheiden betont, daß der verfassungsrechtliche Bescheidbegriff weiter als jener des AVG ist und demzufolge dem einfachen Gesetzgeber diesbezüglich einen Gestaltungsspielraum eröffnet.
Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei dieser Auffassung, daß unter "Bescheid" iSd Art144 B-VG (ua. vom Vorliegen eines Bescheides ausgehenden Verfassungsvorschriften, wie Art119a Abs5, Art130 Abs1 lita, Art131, Art137, Art139
Abs1, Art140 Abs1 B-VG) jede Erledigung einer Verwaltungsbehörde zu verstehen ist, "womit ein individuelles Rechtsverhältnis gestaltet oder festgestellt wird, ob sie nun in Form eines Bescheides nach §56 AVG ergeht oder nicht".
Zwar hat die B-VG-Novelle 1975, BGBl. 302, die vom Verfassungsgerichtshof (im Gegensatz zum Verwaltungsgerichtshof) vordem dem verfassungsrechtlichen Bescheidbegriff unterstellte faktische Amtshandlung unter der Bezeichnung "Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" als selbständiges Anfechtungsobjekt vom Bescheid abgehoben und damit aus dem verfassungsrechtlichen Bescheidbegriff ausgenommen. Daher ist nunmehr anzunehmen, daß ein "Bescheid" im Gegensatz zur "Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" nur Produkt eines darauf zielenden Verfahrens mit bestimmten, einfachgesetzlich geregelten, formalen Merkmalen sein kann. Welche Formmerkmale der Gesetzgeber aber für den Bescheid verfügt, bleibt innerhalb äußerster verfassungsrechtlicher Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit und damit entsprechenden verwaltungs- und verfahrenspolitischen Zweckmäßigkeitserwägungen überlassen.
Vom Standpunkt des Verfassungsrechts aus betrachtet, ist dem Gesetzgeber - materiell gesehen - nur verwehrt, Erledigungen einer Verwaltungsbehörde, welche die Rechtssphäre individuell bezeichneter Personen gestalten oder feststellen, sohin eine Verwaltungsangelegenheit rechtsverbindlich entscheiden, die Bescheidqualität vorzuenthalten. Der Gesetzgeber ist ferner verfassungsrechtlich verpflichtet, für derartige, inhaltlich als Bescheid zu qualifizierende Erledigungen - formell - Verfahrensmerkmale vorzusehen, welche die Erkennbarkeit dieser Verwaltungsakte sicherstellen und damit auch deren Anfechtbarkeit im administrativen Instanzenzug und schließlich vor dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof gestatten.
Weder die Unterschrift noch die sonstige Erkennbarkeit eines den Bescheid genehmigenden Organwalters, ja nicht einmal die tatsächliche Rückführbarkeit des als individuelle Norm zu betrachtenden Bescheides auf die faktisch im psychischen Bereiche sich abspielende Willensbildung einer bestimmten Person (die zurecht für das Vorliegen und den Inhalt eines Bescheides als irrelevante "anthropomorphe Vorstellung" von der Lehre kritisiert wurde, vgl. Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1927, S 198 f, 290; Winkler, Der Bescheid, 1956, S 45 ff, 60 f) sind verfassungsrechtlich notwendige Voraussetzungen oder Bestandteile eines Bescheides. Sie bilden lediglich einfachgesetzliche in unterschiedlichen Ausformungen verankerte Voraussetzungen oder Kriterien eines Bescheides.
Daß die Person des den Bescheid genehmigenden Organwalters, geschweige denn dessen Unterschrift, verfassungsrechtlich betrachtet für die Qualität eines Bescheides unerheblich ist (mag auch das Vorliegen eines Bescheides nach Maßgabe der einfachen Gesetze davon abhängen), zeigt der Umstand, daß ein Bescheid rechtlich ausschließlich einer Behörde und nicht der Person des den Bescheid für die Behörde genehmigenden Organwalters zugerechnet wird; zumal die Genehmigungsbefugnis nach der übereinstimmenden Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (vgl. VwSlg. 3050 A/1953; VfSlg. 6717/1972) für das Vorliegen eines Bescheides irrelevant ist, mag sie auch behördenintern von Bedeutung sein.
Für das richtige Verständnis des verfassungsrechtlichen Bescheidbegriffs und der durch ihn in formaler Hinsicht dem einfachen Gesetzgeber gezogenen Grenzen ist davon auszugehen, daß das B-VG - wie dessen Art119a Abs5, Art130 Abs1 lita, Art131, Art137, Art139 Abs1, Art140 Abs1 und Art144 zeigen - den Bescheidbegriff durchwegs dazu verwendet, rechtsstaatliche Funktionen zu erfüllen, insbesondere Rechtsschutz gegenüber der Verwaltung zu gewährleisten (Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1987, S 245: "Zweckkonstruktion im Dienste des Rechtsschutzes"). Der Verfassungsgerichtshof hat bereits früher die Effektivität des Rechtsschutzes als verfassungsrechtlich notwendiges Ziel einer gesetzlichen Reglementierung verfahrensrechtlicher Behelfe gegen einen Bescheid (im Zusammenhang mit der aufschiebenden Wirkung von administrativen Rechtsmitteln vgl. Erk. VfGH 11.12.1986 G119/86) bezeichnet. Damit übereinstimmend ist auch die Frage nach den dem Gesetzgeber durch das Verfassungsrecht gezogenen Grenzen für die Verwendung neuer Bescheidformen danach zu beantworten, ob die vom Gesetzgeber für die Erlassung von Bescheiden vorgesehenen Formmerkmale den verfassungsrechtlich vorgegebenen Rechtsschutzstandard unterlaufen oder zumindest beeinträchtigen.
Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, daß weder die rechtsstaatlichen Funktionen des Bescheides beeinträchtigt noch der verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechtsschutzstandard dadurch verringert wird, daß ein Bescheid kraft Gesetzes eines bestimmten genehmigenden Organwalters oder dessen Benennung bzw. Unterschrift entbehrt, solange die Zurechnung des Bescheides zu einer bestimmten Behörde dadurch nicht gefährdet wird.
Der Gesetzgeber kann auf die Normierung des Erfordernisses der Beisetzung des Namens eines genehmigenden Organwalters im Fall der Ausfertigung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung schon deshalb verzichten, weil die tatsächliche Verantwortlichkeit einer bestimmten Person zufolge der mit der Automation verbundenen Arbeitsteilung mindestens unklar ist. Vielfach wird der Behörde die Feststellung eines für automationsunterstützt erzeugte Bescheide Alleinverantwortlichen überhaupt unmöglich sein, weil eine Mehrzahl von Personen an der automationsunterstützten Erlassung eines Bescheides beteiligt ist.
Die technischen Möglichkeiten der automationsunterstützten Datenverarbeitung führen nämlich dazu, daß bei der Erlassung von Bescheiden nicht nur mehrere Organwalter ein- und derselben Behörde, sondern auch Organwalter verschiedener Behörden zusammenwirken und sogar die Hilfe außerhalb des Behördenapparates stehender Personen in Anspruch genommen wird.
Diese faktische Schwierigkeit, eine oder mehrere Organwalter für die Erlassung eines Bescheides verantwortlich zu machen, ist jedoch für den Bescheidadressaten ebenso wie für die den Bescheid überprüfenden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts rechtlich irrelevant. Da es die Genehmigung eines automationsunterstützt erzeugten Bescheides durch einen Organwalter in einer der Genehmigung herkömmlicher Bescheide vergleichbaren Form faktisch nicht gibt, trüge die Benennung eines Verantwortlichen im Bescheid lediglich fiktiven Charakter. Aus der bloß formalen Benennung einer Person im Bescheid, die als Organwalter einen automationsunterstützt erzeugten Bescheid - wie auch immer - zu verantworten hätte (obwohl die Bescheidausfertigung von jenem Organwalter tatsächlich weder veranlaßt, noch genehmigt noch kontrolliert werden könnte!), würde dem Bescheidadressaten kein Mehr an Rechtsschutz erwachsen. Aber auch für die Kontrolle eines Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof ist es gleichgültig, ob ein derartiger verantwortlicher Organwalter im Bescheid angeführt ist oder nicht.
Der faktische, vom Gesetzgeber mit den Regelungen des §47 Abs2 zweiter Satz VStG und des §18 Abs4 letzter Satz AVG berücksichtigte Vorgang bei der Erlassung automationsunterstützt erzeugter Bescheide bedeutet insoweit keine Einbuße an verfassungsrechtlich garantiertem Rechtsschutz gegenüber verwaltungsbehördlichem Handeln, als die gesetzlich vorgesehene Form des automationsunterstützt erzeugten Bescheides keinen Zweifel an dessen rechtsverbindlicher Erlassung zuläßt. (Um jeden derartigen Zweifel auszuschließen, muß daher auch mit Rücksicht auf den Entfall der für das Vorliegen sonstiger Bescheide essentiellen Unterschrift der Umstand der automationsunterstützten Herstellung des Bescheides aus dessen Ausfertigung hinreichend deutlich werden. Das kann etwa durch Abdruck der Nummer des Datenverarbeitungsregisters auf der Bescheidausfertigung geschehen.)
Der Verfassungsgerichtshof erachtet es aus dem Blickwinkel des am Bescheid orientierten verwaltungs- und verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes als notwendig, daß der automationsunterstützt erzeugte Bescheid nicht nur mit hinreichender Deutlichkeit in seinem Wortlaut den Bezug zur Behörde herstellt, gegen deren Verfahren (als dessen End- und Kulminationspunkt der Bescheid vom Standpunkt des Rechtsschutzes aus zu sehen ist) Rechtsschutz gewährt werden soll. Darüberhinaus ist es notwendig, daß der automationsunterstützt erzeugte Bescheid tatsächlich von der in ihm angegebenen Verwaltungsbehörde veranlaßt wurde, mag auch der (intern festzustellende) Bezug zum behördlich Organwalter im Bescheid selbst nicht zum Ausdruck gelangen. Eine verfassungsrechtlich nicht tolerierbare Einschränkung des Rechtsschutzes gegenüber der Verwaltung wäre sohin dann anzunehmen, wenn ein Bescheid namens einer Behörde automationsunterstützt von einer anderen Stelle erzeugt und "erlassen" würde, ohne daß die Behörde, in deren Namen der Bescheid ausgefertigt wurde, den Bescheid veranlaßte. Die Behörde, der der Bescheid rechtlich zuzurechnen ist und die ihn daher zu verantworten hat, muß auch tatsächlich imstande sein, auf den automationsunterstützt ablaufenden Vorgang der Bescheidausfertigung bestimmenden Einfluß zu nehmen (vgl. VfSlg. 8844/1980).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Verwaltungsstrafrecht, Strafverfügung, Bescheid, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Bedenken, Bescheidbegriff, Zurechnung, Unterschrift, AmtshaftungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:G110.1987Dokumentnummer
JFR_10128784_87G00110_01