RS Vfgh 1988/2/25 B996/87, B1008/87

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 25.02.1988
beobachten
merken

Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
StGG Art8
PersFrSchG §4
FrPG §5 Abs1
FrPG §11 Abs2
ZustellG §9 Abs1

Leitsatz

Festnahme und Anhaltung vor Erlassung eines rechtswirksamen Schutzhaftbescheides - in Ausübung unvertretbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ergangene Verwaltungsakte FrPG 1954 §5 Abs1; Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit §4; Verhängung der Schutzhaft schließt Festnahme ein; keine rechtswirksame Zustellung des Schutzhaftbescheides,Übergabe einer Ausfertigung an den - rechtsfreundlich vertretenen - Bf. Festnahme und Anhaltung gesetzlos - Verletzung der persönlichen Freiheit

Rechtssatz

Die bekämpfte Festnahme und die angefochtene Anhaltung sind keine Maßnahmen zur Vollstreckung eines Schubhaftbescheides (wie etwa im Fall VfGH 09.12.86 B70/86, S 9); die Maßnahmen wurden vielmehr gesetzt, noch bevor ein rechtswirksamer Schubhaftbescheid ergangen war. Die Beschwerde richtet sich also gegen in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ergangene Verwaltungsakte iSd Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG. Die Beschwerde ist mithin zulässig (vgl. zB VfSlg. 9323/1982; VfGH 26.09.86 B859/85).

Gemäß §5 Abs1 FrPG kann ein Fremder unter anderem zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung genommen werden (Schubhaft), wenn dies im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder aus dem Grunde notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern. Die Schubhaft ist, wie sich aus §11 Abs2 FrPG ergibt, mit Bescheid anzuordnen. Die Verhängung der Schubhaft schließt auch die Festnahme ein (vgl. zB VfSlg. 9323/1982 und die dort zitierte VorJudikatur).

Eine Festnahme, die dazu dient, einen Fremden in Schubhaft zu nehmen, darf also nur erfolgen, wenn sie durch einen Bescheid verfügt worden ist. Ein schriftlicher Bescheid gilt erst dann als erlassen, wenn er wirksam zugestellt wurde.

Verletzung der persönlichen Freiheit durch Festnahme und Anhaltung vor Erlassung eines Schubhaftbescheides.

Die Voraussetzung für eine Festnahme wurde hier zunächst nicht erfüllt: Der Beschwerdeführer wurde am 18.08.87 um 09,00 Uhr von Gendarmeriebeamten festgenommen, ohne daß zuvor ein Schubhaftbescheid erlassen worden wäre. Der Schubhaftbescheid war zwar bereits am 17.08.87 ausgefertigt worden. Er wurde dem Beschwerdeführer persönlich am 18.08.87 kurz vor der Festnahme ausgefolgt. Da er - wie der Behörde bekannt war - rechtsfreundlich vertreten war, bewirkte diese Übergabe einer Ausfertigung des Schubhaftbescheides keine wirksame Zustellung (vgl. zB VfGH 26.09.86 B859/85). Vielmehr gilt der Schubhaftbescheid erst am 18.08.87, 10,00 Uhr, als erlassen, dies dadurch, daß er dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers im Wege der Post zugestellt wurde.

Die Festnahme des Beschwerdeführers konnte mangels eines wirksam zugestellten Schubhaftbescheides nicht auf das FrPG gestützt werden (vgl. zB VfSlg. 9323/1982); gleiches gilt für die Anhaltung bis zur wirksamen Zustellung an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (10,00 Uhr). Eine andere gesetzliche Grundlage (etwa §35 VStG) war nicht gegeben; dies wird auch von der belangten Behörde gar nicht behauptet.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Fremdenpolizei, Schubhaft, Festnehmung, VfGH / Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B996.1987

Dokumentnummer

JFR_10119775_87B00996_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten