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74 Kirchen, ReligionsgemeinschaftenNorm
B-VG Art139 Abs1 / PräjudizialitätLeitsatz
Anerkennung als Religionsgesellschaft ist durch Rechtsverordnung auszusprechen; als Bescheid bezeichnete - ihrer Intention nach als solcher erlassene - Erledigung des Bundesministers für Unterricht und Kunst im Hinblick auf Inhalt und gesetzlichen Hintergrund generelle Rechtsnorm - Aufhebung mangels Kundmachung nach §2 Abs1 litf des Bundesgesetzes über das BundesgesetzblattRechtssatz
Genehmigung zur Errichtung der ersten Wiener Islamischen Religionsgemeinde "und der Verfassung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich".
Die zu prüfende Erledigung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 02.05.79 ist - ungeachtet dessen, daß sie sich selbst als "Bescheid" bezeichnet - als Verordnung iSd Art139 Abs1 B-VG (und zwar als Rechtsverordnung) zu qualifizieren.
Die Erledigung wendet sich nicht bloß an den "Moslemischen Sozialdienst", an den sie formell erging, sondern an die Allgemeinheit, indem sie bewirkt, daß eine Religionsgemeinschaft und eine Religionsgemeinde für den staatlichen Bereich die vom Gesetz vom 20.05.1874, RGBl. 68, betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften - AnerkennungsG - vorgesehene Anerkennung erlangt haben. Sie begründet Rechte und Pflichten für alle Bekenner des islamischen Glaubens, also nicht bloß für die Antragsteller (vgl. VwGH 05.11.53, Zl. 908/53).
Das AnerkennungsG (auf das sich die zu prüfende Erledigung neben dem Gesetz vom 15.07.1912, RGBl. 159, betreffend die Anerkennung der Anhänger des Islams nach hanefitischem Ritus als Religionsgesellschaft ausdrücklich beruft) geht davon aus, daß die Anerkennung iSd AnerkennungsG durch Rechtsverordnung auszusprechen ist (vgl. Klecatsky-Weiler, in ÖR IV b 1, Anm. 2 zu §2 AnerkennungsG).
Im Hinblick auf ihren Inhalt und auf ihren gesetzlichen Hintergrund ist die zu prüfende Erledigung eine generelle (nicht in Gesetzesform ergangene) Rechtsnorm; sie ist sohin eine Verordnung (vgl. VfSlg. 2465/1953, 3896/1961, 7717/1975). Daran ändert nichts, daß die Intention des Bundesministers erkennbar darauf gerichtet war, einen Bescheid zu erlassen; es ist ihm nach dem Gesagten nämlich nicht gelungen, diese - auf einen Rechtsformenmißbrauch hinauslaufende - Absicht zu verwirklichen.
Die Erledigung hat als Verordnung Eingang in die Rechtsordnung gefunden. Wenngleich sie formell nur dem "Moslemischen Sozialdienst" zugestellt wurde, ist sie doch zumindest den (angeblichen) Funktionären der Glaubensgemeinschaft auch im Detail bekanntgeworden. Zumindest ein beachtlicher Teil der Bekenner des Islams in Österreich hat Kenntnis von der Glaubensgemeinschaft, die für den staatlichen Bereich ihre Existenz auf diese Norm zurückführt.
Prüfung der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 02.05.79, Zl. 9076/7-9c/79, betreffend Genehmigung zur Errichtung der ersten Wiener Islamischen Religionsgemeinde "und der Verfassung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich".
Der Verfassungsgerichtshof hätte diese Rechtsverordnung im Beschwerdeverfahren anzuwenden:
Schon die Lösung der Frage, wer von den neun Beschwerdeführern beschwerdelegitimiert ist (so, wer von ihnen als juristische Person anzusehen ist), ist nur anhand dieser Norm und der "Verfassung der Islamischen Glaubensgemeinschaft", die durch sie für den staatlichen Bereich Geltung erlangte, möglich.
Soweit die Beschwerde zulässig sein sollte, wäre wohl auf diese Bestimmungen zurückzugreifen, um zu klären, ob und inwieweit welche Behörde berufen war, den angefochtenen Bescheid zu erlassen.
Die Verordnung ist ihres untrennbaren Zusammenhanges wegen zur Gänze präjudiziell.
Aufhebung der vom Bundesminister für Unterricht und Kunst am 02.05.79 erteilten Genehmigung zur Errichtung der ersten Wiener Islamischen Religionsgemeinde "und der Verfassung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich", Zl. 9076/7-9c/79.
Die Erledigung ist als Verordnung eines Bundesministers zu werten, die nicht ausschließlich an unterstellte Verwaltungsbehörden erging.
Als solche wäre sie gemäß §2 Abs1 litf des Bundesgesetzes über das BGBl. im BGBl. kundzumachen gewesen. Eine solche Publikation ist unterblieben.
Die Verordnung ist sohin mit einem Kundmachungsmangel belastet und daher gesetzwidrig.
Schlagworte
Religionsgesellschaften, VfGH / Prüfungsgegenstand, Verordnung, RechtsV, VerwaltungsV, VfGH / Präjudizialität, Kundmachung VerordnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:V11.1987Dokumentnummer
JFR_10119771_87V00011_01